Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Gegenstand wird gleichgiltig, und nur der blendende Schein der ganz äußer¬ Wie nun in das Gebiet des modernen Sittenbildes außer dem nationalen Gegenstand wird gleichgiltig, und nur der blendende Schein der ganz äußer¬ Wie nun in das Gebiet des modernen Sittenbildes außer dem nationalen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114010"/> <p xml:id="ID_661" prev="#ID_660"> Gegenstand wird gleichgiltig, und nur der blendende Schein der ganz äußer¬<lb/> lichen Realität in ihrer stofflichen Bestimmtheit wird zur Hauptsache. So fehlt<lb/> es auch hier an der Tiefe und Gediegenheit der in sich erfüllten Erscheinung.<lb/> Hierin zeigt sich der schlimme Einfluß der französischen Kunst; und gerade die»<lb/> jenigen, die es in den Mitteln der Darstellung am weitesten gebracht haben,<lb/> wie Krauß, Pettenkofen, Heilbuth, haben sich von diesem Extrem der Virtuosi¬<lb/> tät der Mache nicht frei erhalten können.</p><lb/> <p xml:id="ID_662" next="#ID_663"> Wie nun in das Gebiet des modernen Sittenbildes außer dem nationalen<lb/> volkstümlichen Leben die durch die heutige Bildung ausgeschlossene Welt der<lb/> Ferne und Vergangenheit eingetreten ist, können wir hier nur andeuten. Mit<lb/> diesem Reichthum ist die Gefahr der Zersplitterung verbunden, und es ist wohl<lb/> nicht zu bedauern, daß die deutsche Malerei sich mit mehr Zurückhaltung als<lb/> die französische auf diese Ueberfülle des Stoffs eingelassen hat. Zwei ähnliche<lb/> Richtungen, wie im nationalen Genre lassen sich auch hier unterscheiden: die<lb/> eine sucht dem Treiben und den Culturformen eines fremden Volksstammes<lb/> durch eine besondere Situation ein erhöhtes Interesse zu geben, z. B. Eretius,<lb/> Karl Becker, Siegert, die andere hebt auch hier vornehmlich das Malerische in<lb/> seiner äußerlichen Stimmung hervor lO. Ueberhand, Aloys Schöne, Karl<lb/> Schlesinger, Herr eberg, Baumg artn er u. s. f. In neuester Zeit wird von die¬<lb/> ser Seite aus nach französischem Vorgänge auch der Orient bei uns eingebür¬<lb/> gert. Natürlich tritt in dieser ganzen Gattung ein neues Element hinzu, das<lb/> Interesse an den unbekannten Cultursormcn, am Geräthe der Vergangen¬<lb/> heit, an der Erscheinungsweise der noch ungebrochenen Naturvölker. Es begreift<lb/> sich von selbst, daß die verschiedenen Richtungen nicht scharf von einander ge¬<lb/> sondert bleiben, sondern mannigfach sich kreuzen und verbinden; der Künstler,<lb/> de.in es um einen besondern Inhalt zu thun ist. geht wohl auch näher auf die<lb/> sittenbildliche Umgebung ein, und derjenige, dem der malerische Schein der<lb/> Realität die Hauptsache, setzt bisweilen Figuren in eine tiefere Beziehung. Im<lb/> Ganzen ist es natürlich hier, wo sich der Maler in eine fremde Welt versetzen<lb/> muß, noch schwieriger, als im nationalen Genrebilde, den Gestalten die Tiefe<lb/> und Selbständigkeit des in sich erfüllten Lebens zu geben. Tidemand hat in<lb/> seinen norwegischen Scenen den Vortheil, sich auf eigenem Boden zu bewegen,<lb/> und er weiß uns ein Bild seiner heimathlichen Titten zu geben, ohne seine<lb/> Personen auf die Spitze eines interessanten Momentes zu stellen; dagegen ist<lb/> er zur Freiheit der Form und Bewegung nicht vollständig durchgedrungen.<lb/> Nur zu oft übrigens wird es auf diesem ganzen Gebiete den Anschein haben,<lb/> als ob der Künstler das Leben der Gattung in ihrer traulichen Weise nicht zu¬<lb/> fällig belauscht, sondern absichtlich aufgesucht habe. — Aus der Vergangenheit<lb/> hat nun auch die deutsche Malerei, wie die französische, das Leben der Künstler<lb/> und Poeten zu ihrem Gegenstande gemacht. Fr. Pecht hat in seinem „Goethe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
Gegenstand wird gleichgiltig, und nur der blendende Schein der ganz äußer¬
lichen Realität in ihrer stofflichen Bestimmtheit wird zur Hauptsache. So fehlt
es auch hier an der Tiefe und Gediegenheit der in sich erfüllten Erscheinung.
Hierin zeigt sich der schlimme Einfluß der französischen Kunst; und gerade die»
jenigen, die es in den Mitteln der Darstellung am weitesten gebracht haben,
wie Krauß, Pettenkofen, Heilbuth, haben sich von diesem Extrem der Virtuosi¬
tät der Mache nicht frei erhalten können.
Wie nun in das Gebiet des modernen Sittenbildes außer dem nationalen
volkstümlichen Leben die durch die heutige Bildung ausgeschlossene Welt der
Ferne und Vergangenheit eingetreten ist, können wir hier nur andeuten. Mit
diesem Reichthum ist die Gefahr der Zersplitterung verbunden, und es ist wohl
nicht zu bedauern, daß die deutsche Malerei sich mit mehr Zurückhaltung als
die französische auf diese Ueberfülle des Stoffs eingelassen hat. Zwei ähnliche
Richtungen, wie im nationalen Genre lassen sich auch hier unterscheiden: die
eine sucht dem Treiben und den Culturformen eines fremden Volksstammes
durch eine besondere Situation ein erhöhtes Interesse zu geben, z. B. Eretius,
Karl Becker, Siegert, die andere hebt auch hier vornehmlich das Malerische in
seiner äußerlichen Stimmung hervor lO. Ueberhand, Aloys Schöne, Karl
Schlesinger, Herr eberg, Baumg artn er u. s. f. In neuester Zeit wird von die¬
ser Seite aus nach französischem Vorgänge auch der Orient bei uns eingebür¬
gert. Natürlich tritt in dieser ganzen Gattung ein neues Element hinzu, das
Interesse an den unbekannten Cultursormcn, am Geräthe der Vergangen¬
heit, an der Erscheinungsweise der noch ungebrochenen Naturvölker. Es begreift
sich von selbst, daß die verschiedenen Richtungen nicht scharf von einander ge¬
sondert bleiben, sondern mannigfach sich kreuzen und verbinden; der Künstler,
de.in es um einen besondern Inhalt zu thun ist. geht wohl auch näher auf die
sittenbildliche Umgebung ein, und derjenige, dem der malerische Schein der
Realität die Hauptsache, setzt bisweilen Figuren in eine tiefere Beziehung. Im
Ganzen ist es natürlich hier, wo sich der Maler in eine fremde Welt versetzen
muß, noch schwieriger, als im nationalen Genrebilde, den Gestalten die Tiefe
und Selbständigkeit des in sich erfüllten Lebens zu geben. Tidemand hat in
seinen norwegischen Scenen den Vortheil, sich auf eigenem Boden zu bewegen,
und er weiß uns ein Bild seiner heimathlichen Titten zu geben, ohne seine
Personen auf die Spitze eines interessanten Momentes zu stellen; dagegen ist
er zur Freiheit der Form und Bewegung nicht vollständig durchgedrungen.
Nur zu oft übrigens wird es auf diesem ganzen Gebiete den Anschein haben,
als ob der Künstler das Leben der Gattung in ihrer traulichen Weise nicht zu¬
fällig belauscht, sondern absichtlich aufgesucht habe. — Aus der Vergangenheit
hat nun auch die deutsche Malerei, wie die französische, das Leben der Künstler
und Poeten zu ihrem Gegenstande gemacht. Fr. Pecht hat in seinem „Goethe
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