Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.am Hofe des Markgrafen von Baden" einem glücklichen Griff gethan; der Le¬ Neuerdings zeigt sich -- ebenfalls nach französischem Vorgange -- im Daß die neueste Kunst auch hier, wie auf den andern Gebieten, von der am Hofe des Markgrafen von Baden" einem glücklichen Griff gethan; der Le¬ Neuerdings zeigt sich — ebenfalls nach französischem Vorgange — im Daß die neueste Kunst auch hier, wie auf den andern Gebieten, von der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0231" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114011"/> <p xml:id="ID_663" prev="#ID_662"> am Hofe des Markgrafen von Baden" einem glücklichen Griff gethan; der Le¬<lb/> benslauf unserer großen Dichter ist unserer Phantasie eingeprägt und so ist es<lb/> dem Künstler gelungen, den reichen Cultursormen einer vergangenen Zeit ein<lb/> tieferes Interesse zu geben. —</p><lb/> <p xml:id="ID_664"> Neuerdings zeigt sich — ebenfalls nach französischem Vorgange — im<lb/> Thierstücke und in der Landschaft das Bestreben, die malerische Erscheinung des<lb/> Naturlebens, auch des zufälligen, durch Noth und Kampf gebrochenen, im vol¬<lb/> len Farbenscheine und dabei das Schweben und Verzittern der Dinge in den<lb/> elementaren Medien, im Licht- und Luftmeer treu wiederzugeben. Ein Realis¬<lb/> mus, der zwar die Form vernachlässigt, der aber die Kunst aus diesem Gebiete<lb/> in der Darstellung der thierischen und landschaftlichen Natur zu einer größeren<lb/> Wahrheit der äußern Erscheinung führen kann, wenn nur unter dieser die ahnungs¬<lb/> volle Stimmung des Naturbildes, welche an das menschliche Gemüth anklingt,<lb/> und die der Künstler zu entbinden hat, nicht verschüttet wird. Dieser Richtung<lb/> steht eure mehr idealistische in reichen Abstufungen gegenüber, welche bald die<lb/> südliche, bald die nordische Natur in einem mannigfaltigen Ganzen von Vege¬<lb/> tation, Gründen und Erdforinendarzustellen sucht,; in den meisten Fällen noch in einer<lb/> conventionellen BeHandlungsweise befangen, nur in sehr wenigen zur wahren<lb/> Größe der Anschauung und zur tieferen Naturwahrheit durchdringend. Die<lb/> Bemerkung, daß die moderne Zeit in diesem Zweige der Malerei zu einer rei¬<lb/> chen und eigenthümlichen Ausbildung eher gelange, als in den übrigen, ist<lb/> schon oft gemacht worden. Es liegt im Wesen des Jahrhunderts, das sich aus<lb/> der Natur ganz in die geistige Selbstbestimmung zurückgezogen hat, jene in ihrer<lb/> Selbständigkeit mehr als je zum Objecte der Betrachtung zu machen, sich zu<lb/> ihr vor der Ungunst der Culturformen und dem zelsplitterten Weltleben zu<lb/> flüchten und die unbewußten Stimmungen der menschlichen Seele in ihr wieder-<lb/> zusuchen. Daher die Bedeutung der Landschaft in der modernen Kunst; ein<lb/> Thema, auf das wir bei Gelegenheit ausführlicher zurückkommen werden und<lb/> das wir hier, wo andere Fragen in den Bordergrund traten, nur andeuten<lb/> konnten. —</p><lb/> <p xml:id="ID_665" next="#ID_666"> Daß die neueste Kunst auch hier, wie auf den andern Gebieten, von der<lb/> französischen zu lernen sucht, kann man um so weniger tadeln, als es an hei¬<lb/> mischen Werkstätten fast ganz fehlt und dieser Weg rascher zum Ziele zu führen<lb/> scheint, als das langwierige Studium der alten Kunst. Aber nur hüte sie sich,<lb/> die sonst leicht der Bedeutung des Inhaltes ein zu großes Feld einräumt, daß<lb/> sie hier nicht in den entgegengesetzten Fehler verfalle; daß sie de> Erwerb<lb/> einiger Darstellungsmittel nicht zur oberflächlichen Virtuosität verführe, die das<lb/> Gegentheil der reifen Durchbildung ist und nur den äußern Schein erreicht,<lb/> und daß ihr der Gehalt und die Seele nicht abhanden kommen, deren das<lb/> wahre Kunstwerk, eben weil es vollendete, d. h. erfüllte Form ist, niemals ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0231]
am Hofe des Markgrafen von Baden" einem glücklichen Griff gethan; der Le¬
benslauf unserer großen Dichter ist unserer Phantasie eingeprägt und so ist es
dem Künstler gelungen, den reichen Cultursormen einer vergangenen Zeit ein
tieferes Interesse zu geben. —
Neuerdings zeigt sich — ebenfalls nach französischem Vorgange — im
Thierstücke und in der Landschaft das Bestreben, die malerische Erscheinung des
Naturlebens, auch des zufälligen, durch Noth und Kampf gebrochenen, im vol¬
len Farbenscheine und dabei das Schweben und Verzittern der Dinge in den
elementaren Medien, im Licht- und Luftmeer treu wiederzugeben. Ein Realis¬
mus, der zwar die Form vernachlässigt, der aber die Kunst aus diesem Gebiete
in der Darstellung der thierischen und landschaftlichen Natur zu einer größeren
Wahrheit der äußern Erscheinung führen kann, wenn nur unter dieser die ahnungs¬
volle Stimmung des Naturbildes, welche an das menschliche Gemüth anklingt,
und die der Künstler zu entbinden hat, nicht verschüttet wird. Dieser Richtung
steht eure mehr idealistische in reichen Abstufungen gegenüber, welche bald die
südliche, bald die nordische Natur in einem mannigfaltigen Ganzen von Vege¬
tation, Gründen und Erdforinendarzustellen sucht,; in den meisten Fällen noch in einer
conventionellen BeHandlungsweise befangen, nur in sehr wenigen zur wahren
Größe der Anschauung und zur tieferen Naturwahrheit durchdringend. Die
Bemerkung, daß die moderne Zeit in diesem Zweige der Malerei zu einer rei¬
chen und eigenthümlichen Ausbildung eher gelange, als in den übrigen, ist
schon oft gemacht worden. Es liegt im Wesen des Jahrhunderts, das sich aus
der Natur ganz in die geistige Selbstbestimmung zurückgezogen hat, jene in ihrer
Selbständigkeit mehr als je zum Objecte der Betrachtung zu machen, sich zu
ihr vor der Ungunst der Culturformen und dem zelsplitterten Weltleben zu
flüchten und die unbewußten Stimmungen der menschlichen Seele in ihr wieder-
zusuchen. Daher die Bedeutung der Landschaft in der modernen Kunst; ein
Thema, auf das wir bei Gelegenheit ausführlicher zurückkommen werden und
das wir hier, wo andere Fragen in den Bordergrund traten, nur andeuten
konnten. —
Daß die neueste Kunst auch hier, wie auf den andern Gebieten, von der
französischen zu lernen sucht, kann man um so weniger tadeln, als es an hei¬
mischen Werkstätten fast ganz fehlt und dieser Weg rascher zum Ziele zu führen
scheint, als das langwierige Studium der alten Kunst. Aber nur hüte sie sich,
die sonst leicht der Bedeutung des Inhaltes ein zu großes Feld einräumt, daß
sie hier nicht in den entgegengesetzten Fehler verfalle; daß sie de> Erwerb
einiger Darstellungsmittel nicht zur oberflächlichen Virtuosität verführe, die das
Gegentheil der reifen Durchbildung ist und nur den äußern Schein erreicht,
und daß ihr der Gehalt und die Seele nicht abhanden kommen, deren das
wahre Kunstwerk, eben weil es vollendete, d. h. erfüllte Form ist, niemals ent-
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