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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Bildern den Reiz eines besonderen Inhaltes zu geben. Wir erinnern nur an
einige der bekanntesten Genremaler unserer Tage, die in Köln vertreten waren-
an R. S. Zimmermann. Enhuber, Rhomberg, Böttcher, stammet,
Friedländer; auch Krauß, Bankier, Salcntin sind, obwohl bei ihnen die
malerische Behandlung die Hauptsache ist, nicht frei von solchen Einfällen, die mehr in
das Bereich der Anekdote als der Kunst gehören. Wenn ein Jan Steen, ein Terburg
einen novellistischen Borgang andeutete, so war dies nur eine Zugabe zu der
Lebensfülle, die seinen Personen von Haus aus mitgegeben war; in der moder¬
nen Kunst aber tritt die geistreiche Beziehung an die Stelle des allgemeinen
Lebensinhaltes selber. Was man auch sagen mag, weder das Komische, insofern
es der momentane Blitz des über den Widerspruch mit seinem Wesen Plötzlich
aufgeklärten Subjectes ist, noch das Rührende, das in zufälligem kleinen Con¬
flict mit der Welt die äußere Existenz trübt oder das weiche Gemüth innerlich
bricht, ist Sache der bildenden Kunst. In diesen Gerichts- und Schrannentagen,
in diesen Spielern, Pfändungen und Versteigerungen sehen die Figuren aus,
wie wenn sie nur drehen Augenblick lebten, und sobald ihnen der Beschauer
den Rücken kehrt, als Marionetten in den Kasten gepackt würden, bis sie das
alte Spiel vor einem andern Auge von Neuem aufzuführen haben. Es fehlt
ihnen die Wahrheit und Tiefe des in die Erscheinung stimmungsvoll ergossenen,
innern Daseins. Ebenso sind die umgebenden Objecte absichtlich hergeholt,
zusammengesucht, selbst ihr Verbrauchtes, verschabtes Aussehen scheint eben erst
als künstliche Ruine gemacht. Dazu kommt noch, daß es den meisten dieser
Maler ebenfalls an einem tiefern Verständniß der Form und Bewegung fehlt;
die Verrenkung der menschlichen Gestalt vermehrt noch den automatenhaften Ein¬
druck, den diese in einem zugespitzten Momente mühsam belebten Figuren hin¬
terlassen. Nirgends spielt der particuläre Zug auf der breiten Grundlage eines
innerlich erfüllten Lebens.

Eine Anzahl von Künstlern hält sich im Gegensatze zu dieser Gattung,
welche die Kunst in die Prosa der illustrirten Blätter hinabzieht. an einfachere
Motive und legt den Hauptreiz in die malerische Behandlung. Sie suchen sich
größtentheils in französischen Schulen eine feinere Formengebung. eine lebhaf¬
tere Bestimmtheit des Ausdrucks und eine wärmere, vom satten Schein der
Wirklichkeit getränkte Farbe zu erwerben- Bedingungen der Kunst, die allerdings
dort mehr zu Hause sind, als bei uns. Obenan steht gegenwärtig L. Krauß;
auch sein neuestes Bild, die kartenspielenden Lehrjungen, hat, obwohl das Lächerliche
des Moments absichtlich heraustritt, mehr von der Lebendigkeit eines selbstän¬
digen vollen Daseins. Eine ähnliche Richtung haben H e lib ut h. Pettcnkofen,
Vareler. L. Löffler. Aber leicht tritt nun hier der jener Einseitigkeit des In¬
halts entgegengesetzte Fall ein: die subjective Geschicklichkeit, die coloristischc
Gewandtheit des Künstlers sieht aus dem Nahmen anspruchsvoll heraus, der


Bildern den Reiz eines besonderen Inhaltes zu geben. Wir erinnern nur an
einige der bekanntesten Genremaler unserer Tage, die in Köln vertreten waren-
an R. S. Zimmermann. Enhuber, Rhomberg, Böttcher, stammet,
Friedländer; auch Krauß, Bankier, Salcntin sind, obwohl bei ihnen die
malerische Behandlung die Hauptsache ist, nicht frei von solchen Einfällen, die mehr in
das Bereich der Anekdote als der Kunst gehören. Wenn ein Jan Steen, ein Terburg
einen novellistischen Borgang andeutete, so war dies nur eine Zugabe zu der
Lebensfülle, die seinen Personen von Haus aus mitgegeben war; in der moder¬
nen Kunst aber tritt die geistreiche Beziehung an die Stelle des allgemeinen
Lebensinhaltes selber. Was man auch sagen mag, weder das Komische, insofern
es der momentane Blitz des über den Widerspruch mit seinem Wesen Plötzlich
aufgeklärten Subjectes ist, noch das Rührende, das in zufälligem kleinen Con¬
flict mit der Welt die äußere Existenz trübt oder das weiche Gemüth innerlich
bricht, ist Sache der bildenden Kunst. In diesen Gerichts- und Schrannentagen,
in diesen Spielern, Pfändungen und Versteigerungen sehen die Figuren aus,
wie wenn sie nur drehen Augenblick lebten, und sobald ihnen der Beschauer
den Rücken kehrt, als Marionetten in den Kasten gepackt würden, bis sie das
alte Spiel vor einem andern Auge von Neuem aufzuführen haben. Es fehlt
ihnen die Wahrheit und Tiefe des in die Erscheinung stimmungsvoll ergossenen,
innern Daseins. Ebenso sind die umgebenden Objecte absichtlich hergeholt,
zusammengesucht, selbst ihr Verbrauchtes, verschabtes Aussehen scheint eben erst
als künstliche Ruine gemacht. Dazu kommt noch, daß es den meisten dieser
Maler ebenfalls an einem tiefern Verständniß der Form und Bewegung fehlt;
die Verrenkung der menschlichen Gestalt vermehrt noch den automatenhaften Ein¬
druck, den diese in einem zugespitzten Momente mühsam belebten Figuren hin¬
terlassen. Nirgends spielt der particuläre Zug auf der breiten Grundlage eines
innerlich erfüllten Lebens.

Eine Anzahl von Künstlern hält sich im Gegensatze zu dieser Gattung,
welche die Kunst in die Prosa der illustrirten Blätter hinabzieht. an einfachere
Motive und legt den Hauptreiz in die malerische Behandlung. Sie suchen sich
größtentheils in französischen Schulen eine feinere Formengebung. eine lebhaf¬
tere Bestimmtheit des Ausdrucks und eine wärmere, vom satten Schein der
Wirklichkeit getränkte Farbe zu erwerben- Bedingungen der Kunst, die allerdings
dort mehr zu Hause sind, als bei uns. Obenan steht gegenwärtig L. Krauß;
auch sein neuestes Bild, die kartenspielenden Lehrjungen, hat, obwohl das Lächerliche
des Moments absichtlich heraustritt, mehr von der Lebendigkeit eines selbstän¬
digen vollen Daseins. Eine ähnliche Richtung haben H e lib ut h. Pettcnkofen,
Vareler. L. Löffler. Aber leicht tritt nun hier der jener Einseitigkeit des In¬
halts entgegengesetzte Fall ein: die subjective Geschicklichkeit, die coloristischc
Gewandtheit des Künstlers sieht aus dem Nahmen anspruchsvoll heraus, der


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[0229] Bildern den Reiz eines besonderen Inhaltes zu geben. Wir erinnern nur an einige der bekanntesten Genremaler unserer Tage, die in Köln vertreten waren- an R. S. Zimmermann. Enhuber, Rhomberg, Böttcher, stammet, Friedländer; auch Krauß, Bankier, Salcntin sind, obwohl bei ihnen die malerische Behandlung die Hauptsache ist, nicht frei von solchen Einfällen, die mehr in das Bereich der Anekdote als der Kunst gehören. Wenn ein Jan Steen, ein Terburg einen novellistischen Borgang andeutete, so war dies nur eine Zugabe zu der Lebensfülle, die seinen Personen von Haus aus mitgegeben war; in der moder¬ nen Kunst aber tritt die geistreiche Beziehung an die Stelle des allgemeinen Lebensinhaltes selber. Was man auch sagen mag, weder das Komische, insofern es der momentane Blitz des über den Widerspruch mit seinem Wesen Plötzlich aufgeklärten Subjectes ist, noch das Rührende, das in zufälligem kleinen Con¬ flict mit der Welt die äußere Existenz trübt oder das weiche Gemüth innerlich bricht, ist Sache der bildenden Kunst. In diesen Gerichts- und Schrannentagen, in diesen Spielern, Pfändungen und Versteigerungen sehen die Figuren aus, wie wenn sie nur drehen Augenblick lebten, und sobald ihnen der Beschauer den Rücken kehrt, als Marionetten in den Kasten gepackt würden, bis sie das alte Spiel vor einem andern Auge von Neuem aufzuführen haben. Es fehlt ihnen die Wahrheit und Tiefe des in die Erscheinung stimmungsvoll ergossenen, innern Daseins. Ebenso sind die umgebenden Objecte absichtlich hergeholt, zusammengesucht, selbst ihr Verbrauchtes, verschabtes Aussehen scheint eben erst als künstliche Ruine gemacht. Dazu kommt noch, daß es den meisten dieser Maler ebenfalls an einem tiefern Verständniß der Form und Bewegung fehlt; die Verrenkung der menschlichen Gestalt vermehrt noch den automatenhaften Ein¬ druck, den diese in einem zugespitzten Momente mühsam belebten Figuren hin¬ terlassen. Nirgends spielt der particuläre Zug auf der breiten Grundlage eines innerlich erfüllten Lebens. Eine Anzahl von Künstlern hält sich im Gegensatze zu dieser Gattung, welche die Kunst in die Prosa der illustrirten Blätter hinabzieht. an einfachere Motive und legt den Hauptreiz in die malerische Behandlung. Sie suchen sich größtentheils in französischen Schulen eine feinere Formengebung. eine lebhaf¬ tere Bestimmtheit des Ausdrucks und eine wärmere, vom satten Schein der Wirklichkeit getränkte Farbe zu erwerben- Bedingungen der Kunst, die allerdings dort mehr zu Hause sind, als bei uns. Obenan steht gegenwärtig L. Krauß; auch sein neuestes Bild, die kartenspielenden Lehrjungen, hat, obwohl das Lächerliche des Moments absichtlich heraustritt, mehr von der Lebendigkeit eines selbstän¬ digen vollen Daseins. Eine ähnliche Richtung haben H e lib ut h. Pettcnkofen, Vareler. L. Löffler. Aber leicht tritt nun hier der jener Einseitigkeit des In¬ halts entgegengesetzte Fall ein: die subjective Geschicklichkeit, die coloristischc Gewandtheit des Künstlers sieht aus dem Nahmen anspruchsvoll heraus, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/229>, abgerufen am 08.01.2025.