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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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bestimmte Abgabe zahlen. Timarchus, der Gegner des Aeschines, besaß 9--10
Schuhmachersklavcn, von denen ihm jeder täglich 2 Obolen und der Vorsteher
3 entrichtete. Auf -ähnliche Art nahmen solche Sklaven Ernten und Weinleser
in Pacht, vcrmietheten sich als Kutscher, Bediente und Handarbeiter jeder Art,
und auch die Tagelöhner, die nach Art unserer Eckensteher am Markte auf Ar¬
beit warteten, waren wohl größtentheils Sklaven. In derselben Weise lieh man
ferner dem Staat seine Sklaven zum Ruder- und Matrosendienst auf die Flotte.
Außerdem wurden in Schenken und Garküchen, selbst bei Krämern, Geldwechs¬
lern und Großhändlern die Geschäfte durch Sklaven besorgt und manche solche
Commis genossen großes Vertrauen und machten weite Reisen für ihre Herren.
Der Verdienst der auf eigene Rechnung arbeitenden Sclaven muß nach der Ar¬
beit verschieden gewesen sein und läßt sich nicht einmal annähernd bestimmen.
Die Philosophen Menedemus und Asklepiades sollen nach Athenäus als arme
Jünglinge vor den Areopag citirt und gefragt worden sein, wovon sie lebten,
ohne Vermögen zu besitzen. Da sei es den" an den Tag gekommen, daß sie
des Nachts sich bei einem Müller vermiethcten und für jedes Mal 12 Obolen
oder 2 Drachmen (>5 Sgr.) erhielten. Die Arbeit an der Hand- oder Stampf¬
mühle, der Schrecken auch der römischen Sklaven, war wohl beschwerlich und
wird selten freiwillig gesucht worden sein, aber im Allgemeinen ist doch anzu¬
nehmen, daß der Arbeitslohn eines fleißigen Sklaven die 4 Obolen des Kriegs-
soldcs überstiegen habe. Bei dieser Einträglichkeit des Sklavenbesitzcs war die
vom athenischen Staate erhobene Sklavenpcrsvnalsteuer von 3 Obolen für
den Kopf sehr mäßig. -- Eine eximirte Stellung unter den Sklaven nahmen
die öffentlichen ein. Sie bewegten sich freier, eben weil kein Einzelner ihr Herr
war, hatten ihren besonderen Hausstand und wurden als Diener der öffentlichen
Beamten benutzt, als Herolde, Schreiber. Büttel, Henker, Gefangenwärter, Münz¬
arbeiter u. s. w. Zu ihnen gehörten auch die als Polizeiwache fungirenden
skythischer Bogenschützen, die Anfangs 300, dann l!00 und selbst 1200 Mann
stark waren. Nach Aristoteles machte sogar einst ein gewisser Diophantus den
Vorschlag, daß der Staat zur Beschaffung aller'Handwerksarbeiten für öffentliche
Zwecke Sklaven verwenden sollte, was aber nicht zur Ausführung kam.

Wenn ein neu gekaufter Sklave in das ätherische Haus trat, wurde
er zum Herde getragen, dort niedergesetzt und dann mit Datteln, Backwerk,
Mandeln, Feigen und Nüssen überschüttet. Da dieselbe Sitte beim Empfange
eines neuen Brautpaars herrschte, so könnte man leicht dies Symbol auf eine
angenehme und glückliche Zukunft des armen Burschen zu deuten geneigt sein.
Es galt jedoch die gute Vorbedeutung, die man erzielte, nicht dem Sklaven,
sondern dem Hause, auf das der über ihn ausgeschüttete Reichthum gleichsam
herabträufeln sollte. Das Schicksal, welches ihn selbst erwartete, richtete sich
natürlich nach dem Vermögen, dem Bildungsgrade, der Gemüthsart des Herrn..


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bestimmte Abgabe zahlen. Timarchus, der Gegner des Aeschines, besaß 9—10
Schuhmachersklavcn, von denen ihm jeder täglich 2 Obolen und der Vorsteher
3 entrichtete. Auf -ähnliche Art nahmen solche Sklaven Ernten und Weinleser
in Pacht, vcrmietheten sich als Kutscher, Bediente und Handarbeiter jeder Art,
und auch die Tagelöhner, die nach Art unserer Eckensteher am Markte auf Ar¬
beit warteten, waren wohl größtentheils Sklaven. In derselben Weise lieh man
ferner dem Staat seine Sklaven zum Ruder- und Matrosendienst auf die Flotte.
Außerdem wurden in Schenken und Garküchen, selbst bei Krämern, Geldwechs¬
lern und Großhändlern die Geschäfte durch Sklaven besorgt und manche solche
Commis genossen großes Vertrauen und machten weite Reisen für ihre Herren.
Der Verdienst der auf eigene Rechnung arbeitenden Sclaven muß nach der Ar¬
beit verschieden gewesen sein und läßt sich nicht einmal annähernd bestimmen.
Die Philosophen Menedemus und Asklepiades sollen nach Athenäus als arme
Jünglinge vor den Areopag citirt und gefragt worden sein, wovon sie lebten,
ohne Vermögen zu besitzen. Da sei es den» an den Tag gekommen, daß sie
des Nachts sich bei einem Müller vermiethcten und für jedes Mal 12 Obolen
oder 2 Drachmen (>5 Sgr.) erhielten. Die Arbeit an der Hand- oder Stampf¬
mühle, der Schrecken auch der römischen Sklaven, war wohl beschwerlich und
wird selten freiwillig gesucht worden sein, aber im Allgemeinen ist doch anzu¬
nehmen, daß der Arbeitslohn eines fleißigen Sklaven die 4 Obolen des Kriegs-
soldcs überstiegen habe. Bei dieser Einträglichkeit des Sklavenbesitzcs war die
vom athenischen Staate erhobene Sklavenpcrsvnalsteuer von 3 Obolen für
den Kopf sehr mäßig. — Eine eximirte Stellung unter den Sklaven nahmen
die öffentlichen ein. Sie bewegten sich freier, eben weil kein Einzelner ihr Herr
war, hatten ihren besonderen Hausstand und wurden als Diener der öffentlichen
Beamten benutzt, als Herolde, Schreiber. Büttel, Henker, Gefangenwärter, Münz¬
arbeiter u. s. w. Zu ihnen gehörten auch die als Polizeiwache fungirenden
skythischer Bogenschützen, die Anfangs 300, dann l!00 und selbst 1200 Mann
stark waren. Nach Aristoteles machte sogar einst ein gewisser Diophantus den
Vorschlag, daß der Staat zur Beschaffung aller'Handwerksarbeiten für öffentliche
Zwecke Sklaven verwenden sollte, was aber nicht zur Ausführung kam.

Wenn ein neu gekaufter Sklave in das ätherische Haus trat, wurde
er zum Herde getragen, dort niedergesetzt und dann mit Datteln, Backwerk,
Mandeln, Feigen und Nüssen überschüttet. Da dieselbe Sitte beim Empfange
eines neuen Brautpaars herrschte, so könnte man leicht dies Symbol auf eine
angenehme und glückliche Zukunft des armen Burschen zu deuten geneigt sein.
Es galt jedoch die gute Vorbedeutung, die man erzielte, nicht dem Sklaven,
sondern dem Hause, auf das der über ihn ausgeschüttete Reichthum gleichsam
herabträufeln sollte. Das Schicksal, welches ihn selbst erwartete, richtete sich
natürlich nach dem Vermögen, dem Bildungsgrade, der Gemüthsart des Herrn..


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/19>, abgerufen am 06.01.2025.