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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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naus aus, wenn er sagt: "Sehr viele Römer besitzen 10000 und 20000 und
noch mehr Sklaven, nicht der Einkünfte halber, sondern meistens, um sich damit
öffentlich zu zeigen." Selbst der arme Bürger zu Athen suchte sich einen Skla¬
ven zu erschwingen, der ihn in seinem Handwerke als Geselle unterstützte und
vertrat. Ja jener arme Krüppel, für den der Redner Lysias eine launige Ver¬
theidigungsrede fertigte und der vom Staat täglich einen Obolos (15 Pf.) Un¬
terstützung erhielt, klagt darüber, daß er sich noch keinen Sklaven habe kaufen
können, der das Handwerk für ihn selbst treibe! Viele Griechen legten nun aber
auch für solche Gewerbe, die ein größeres Capital zur Anschaffung des Mate¬
rials erforderten, Fabriken an und ließen, oft ohne etwas vom Geschäfte zu
verstehen, ihre Sklaven unter Aufsehern für ihre Rechnung arbeiten. So war
es bei dem älteren Demosthenes der Fall, auch Lysias und sein Bruder Pole-
march beschäftigten 120 Sklaven in einer Schildfabrik. Wie schon erwähnt
hatten die 32 Stahlarbeiter des Demosthenes durchschnittlich 4 Minen -- 100
Thlr., also im Ganzen 3200 Thlr. im Ankaufe gekostet. Der Redner rechnet
nun in der ersten Rede gegen seinen ungetreuen Vormund Aphobos aus, daß
diese Fabrik jährlich 30 Minen ----- 750 Thlr. Nettogewinn abwarf, also über
23 Procent. Die 20 Sklaven der Bettgcstellfabrik hatten einen Preis von 40
Minen ----- 1000 Thlr. gehabt und ergaben 12 Minen Gewinn ----- 30 Procent.
Auf diese Weise gelangten Viele zu Reichthum, wie auch z. B. der Vater des
Jsokrates durch eine Flörenfabrik so viel Vermögen erwarb, daß er die Kosten
der Staatslcistungen tragen und seinen Söhnen eine anständige Erziehung
geben konnte. Am meisten rentirte der Grubenbetrieb durch Sklaven. So be¬
schäftigten der reiche Niklas 1000, ein gewisser Hipponitus 600, Philemonides
300 theils in den Silbergruben Lauriums, theils am Pangäus in Thrakien, und
Xenophon meint, daß überhaupt viele Myriaden Sklaven auch von Seiten des
Staats vortheilhaft in den Bergwerken beschäftigt werden könnten. Man blieb
aber bei der eigenen Ausnutzung der Menschenkräfte nicht stehen, sondern wu¬
cherte mit dem Capitale und zwar aus bequemere und sichrere Weise noch wei¬
ter, indem man die Sklaven gegen einen höheren oder geringeren Zins je nach
dem Grade ihrer Brauchbarkeit vermiethete, wobei der Pachter natürlich die Zahl
stets voll erhalten mußte. So verdingte der genannte Niklas seine 1000 Berg¬
leute an den Thrakier Sofias gegen einen täglichen Zins von einem Obolos
für den Kopf. Es beträgt dies jährlich gegen 15200 Thlr. und ergibt also,
den Bergwerkssklaven 40 Thlr. werth gerechnet, gegen 38 Procent! Der Obo¬
los scheint überhaupt die gewöhnliche tägliche Abgabe von den Bergwerkssklaven
gewesen zu sein; denn wenn Hipponitus für 600 Mann täglich eine ganze Mine
und Philemonides für 300 eine halbe einnahm, so bleibt das Verhältniß ganz
dasselbe. Aber auch andere Sklavenbesitzer ließen sehr oft ihre Sklaven aus
eigene Faust sich nähren und sich, nach Art des früheren russischen Obroks, eine


naus aus, wenn er sagt: „Sehr viele Römer besitzen 10000 und 20000 und
noch mehr Sklaven, nicht der Einkünfte halber, sondern meistens, um sich damit
öffentlich zu zeigen." Selbst der arme Bürger zu Athen suchte sich einen Skla¬
ven zu erschwingen, der ihn in seinem Handwerke als Geselle unterstützte und
vertrat. Ja jener arme Krüppel, für den der Redner Lysias eine launige Ver¬
theidigungsrede fertigte und der vom Staat täglich einen Obolos (15 Pf.) Un¬
terstützung erhielt, klagt darüber, daß er sich noch keinen Sklaven habe kaufen
können, der das Handwerk für ihn selbst treibe! Viele Griechen legten nun aber
auch für solche Gewerbe, die ein größeres Capital zur Anschaffung des Mate¬
rials erforderten, Fabriken an und ließen, oft ohne etwas vom Geschäfte zu
verstehen, ihre Sklaven unter Aufsehern für ihre Rechnung arbeiten. So war
es bei dem älteren Demosthenes der Fall, auch Lysias und sein Bruder Pole-
march beschäftigten 120 Sklaven in einer Schildfabrik. Wie schon erwähnt
hatten die 32 Stahlarbeiter des Demosthenes durchschnittlich 4 Minen — 100
Thlr., also im Ganzen 3200 Thlr. im Ankaufe gekostet. Der Redner rechnet
nun in der ersten Rede gegen seinen ungetreuen Vormund Aphobos aus, daß
diese Fabrik jährlich 30 Minen ----- 750 Thlr. Nettogewinn abwarf, also über
23 Procent. Die 20 Sklaven der Bettgcstellfabrik hatten einen Preis von 40
Minen ----- 1000 Thlr. gehabt und ergaben 12 Minen Gewinn ----- 30 Procent.
Auf diese Weise gelangten Viele zu Reichthum, wie auch z. B. der Vater des
Jsokrates durch eine Flörenfabrik so viel Vermögen erwarb, daß er die Kosten
der Staatslcistungen tragen und seinen Söhnen eine anständige Erziehung
geben konnte. Am meisten rentirte der Grubenbetrieb durch Sklaven. So be¬
schäftigten der reiche Niklas 1000, ein gewisser Hipponitus 600, Philemonides
300 theils in den Silbergruben Lauriums, theils am Pangäus in Thrakien, und
Xenophon meint, daß überhaupt viele Myriaden Sklaven auch von Seiten des
Staats vortheilhaft in den Bergwerken beschäftigt werden könnten. Man blieb
aber bei der eigenen Ausnutzung der Menschenkräfte nicht stehen, sondern wu¬
cherte mit dem Capitale und zwar aus bequemere und sichrere Weise noch wei¬
ter, indem man die Sklaven gegen einen höheren oder geringeren Zins je nach
dem Grade ihrer Brauchbarkeit vermiethete, wobei der Pachter natürlich die Zahl
stets voll erhalten mußte. So verdingte der genannte Niklas seine 1000 Berg¬
leute an den Thrakier Sofias gegen einen täglichen Zins von einem Obolos
für den Kopf. Es beträgt dies jährlich gegen 15200 Thlr. und ergibt also,
den Bergwerkssklaven 40 Thlr. werth gerechnet, gegen 38 Procent! Der Obo¬
los scheint überhaupt die gewöhnliche tägliche Abgabe von den Bergwerkssklaven
gewesen zu sein; denn wenn Hipponitus für 600 Mann täglich eine ganze Mine
und Philemonides für 300 eine halbe einnahm, so bleibt das Verhältniß ganz
dasselbe. Aber auch andere Sklavenbesitzer ließen sehr oft ihre Sklaven aus
eigene Faust sich nähren und sich, nach Art des früheren russischen Obroks, eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/18>, abgerufen am 06.01.2025.