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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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ist dagegen Kaulba es mit der Ausführung eines Bildes beschäftigt, dessen Gegen¬
stand mit epochemachender Wucht in die Geschichte einschneidet, und -- woraus es
doch vornehmlich ankommt -- leichter der gestaltenden Phantasiezsich zu fügen scheint.

Die Schlacht von Salamis', es soll das Meisterwerk des Künstlers werden.
Zwar war weder der in kleineren, Maaßstabe ausgeführte Farbcncntwurf, noch
der Carton, die beide seit geraumer Zeit fertig in Kaulbachs Atelier stehen, aus
der Kölner Ausstellung: aber sobald einmal von neuester historischer Kunst die
Rede ist, darf das Werk nicht Übergängen werden. Auf den günstigen Stoff
bat schon Nischer*) hingewiesen. Der Kampf des jugendlichen Abendlandes,
das in seinem kräftigen Schooße die Gesittung und die Freiheit des Wesens
trägt, mit dem alternden Oriente, in dein die Masse willenloses Werkzeug des
rohen Einzelwillens ist; der Sieg eines blühenden, an der Spitze der Mensch¬
heit stehenden, in der Fülle des Lebens ewig hervorragenden Geschlechtes, zu¬
gleich eine Handlung, die ganz greifbar, ganz Gestalt in die helle Bestimmtheit
äußern Geschehens hinaustritt in der plastischen Erscheinungsweise noch voller
ungebrochener Culturformcn: läßt sich eine dankbarere Aufgabe denken? Der
Maler findet sich hier nicht vor der Klippe der That, deren Schwerpunkt
im Gebiete des Willens und Bewußtseins liegt, und die, kaum in die Wirk¬
lichkeit hinausgcdrungen, wieder in das Innere zurückschlägt. Aber natür¬
lich handelt es sich nicht blos um ein malerisches Schlachtgetümmel; der
Charakter gerade dieses Kampfes muß hervortreten, dem schon besiegten, nur
als Zuschauer betheiligten und in ohnmächtiger Leidenschaft sich aufbäumenden
Aerxcs der im Bewußtsein seiner guten Sache und geistigen Ueberlegenheit
ruhig gebietende Themistokles gegenüber stehen. Ein Gegensatz, in dem zwar
die eigentliche Seele des Momentes in die bedeutungsvolle Tiefe des inneren
Lebens wieder eingekehrt ist, der aber dennoch zur deutlichen Erscheinung kommt,
wenn nur in dem wichtigen Zusammenstoß der Kämpfenden die siegreiche, dem
Willen des Feldherrn folgende Gewandtheit der Griechen und die schwerfällige
von keiner Einsicht geleitete Ueberstürzung der Asiaten sich mannigfaltig und
malerisch aussprechen. Wovor sich aber schließlich der Maler bei einem solchen
Schlachtgemälde im Interesse der Kunst zu hüten hat, das ist die historische
Breite und Vollständigkeit des Vorgangs; diese kann ihm, da sie leicht die
malerische Einheit der Composition verhindert, ebenso gefährlich werden, wie
sonst die innerliche Tiefe der geschichtlichen That.

Sehen wir zu, w,c Kaulbach seine Aufgabe gelöst hat. Rechts (vom
Beschauer) Aristides mit den Seinigen --> darunter Sophokles >-- auf einem
Erdvorsprunge einem Tempel zuschreitend, ganz im Vordergründe die gefallene",
eben von ihnen besiegten Perser; also die an das Ende des Kampfes fallende



") Wischers Aesthetik, 2. Bd. S. 240.

ist dagegen Kaulba es mit der Ausführung eines Bildes beschäftigt, dessen Gegen¬
stand mit epochemachender Wucht in die Geschichte einschneidet, und — woraus es
doch vornehmlich ankommt — leichter der gestaltenden Phantasiezsich zu fügen scheint.

Die Schlacht von Salamis', es soll das Meisterwerk des Künstlers werden.
Zwar war weder der in kleineren, Maaßstabe ausgeführte Farbcncntwurf, noch
der Carton, die beide seit geraumer Zeit fertig in Kaulbachs Atelier stehen, aus
der Kölner Ausstellung: aber sobald einmal von neuester historischer Kunst die
Rede ist, darf das Werk nicht Übergängen werden. Auf den günstigen Stoff
bat schon Nischer*) hingewiesen. Der Kampf des jugendlichen Abendlandes,
das in seinem kräftigen Schooße die Gesittung und die Freiheit des Wesens
trägt, mit dem alternden Oriente, in dein die Masse willenloses Werkzeug des
rohen Einzelwillens ist; der Sieg eines blühenden, an der Spitze der Mensch¬
heit stehenden, in der Fülle des Lebens ewig hervorragenden Geschlechtes, zu¬
gleich eine Handlung, die ganz greifbar, ganz Gestalt in die helle Bestimmtheit
äußern Geschehens hinaustritt in der plastischen Erscheinungsweise noch voller
ungebrochener Culturformcn: läßt sich eine dankbarere Aufgabe denken? Der
Maler findet sich hier nicht vor der Klippe der That, deren Schwerpunkt
im Gebiete des Willens und Bewußtseins liegt, und die, kaum in die Wirk¬
lichkeit hinausgcdrungen, wieder in das Innere zurückschlägt. Aber natür¬
lich handelt es sich nicht blos um ein malerisches Schlachtgetümmel; der
Charakter gerade dieses Kampfes muß hervortreten, dem schon besiegten, nur
als Zuschauer betheiligten und in ohnmächtiger Leidenschaft sich aufbäumenden
Aerxcs der im Bewußtsein seiner guten Sache und geistigen Ueberlegenheit
ruhig gebietende Themistokles gegenüber stehen. Ein Gegensatz, in dem zwar
die eigentliche Seele des Momentes in die bedeutungsvolle Tiefe des inneren
Lebens wieder eingekehrt ist, der aber dennoch zur deutlichen Erscheinung kommt,
wenn nur in dem wichtigen Zusammenstoß der Kämpfenden die siegreiche, dem
Willen des Feldherrn folgende Gewandtheit der Griechen und die schwerfällige
von keiner Einsicht geleitete Ueberstürzung der Asiaten sich mannigfaltig und
malerisch aussprechen. Wovor sich aber schließlich der Maler bei einem solchen
Schlachtgemälde im Interesse der Kunst zu hüten hat, das ist die historische
Breite und Vollständigkeit des Vorgangs; diese kann ihm, da sie leicht die
malerische Einheit der Composition verhindert, ebenso gefährlich werden, wie
sonst die innerliche Tiefe der geschichtlichen That.

Sehen wir zu, w,c Kaulbach seine Aufgabe gelöst hat. Rechts (vom
Beschauer) Aristides mit den Seinigen —> darunter Sophokles >— auf einem
Erdvorsprunge einem Tempel zuschreitend, ganz im Vordergründe die gefallene»,
eben von ihnen besiegten Perser; also die an das Ende des Kampfes fallende



") Wischers Aesthetik, 2. Bd. S. 240.
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[0178] ist dagegen Kaulba es mit der Ausführung eines Bildes beschäftigt, dessen Gegen¬ stand mit epochemachender Wucht in die Geschichte einschneidet, und — woraus es doch vornehmlich ankommt — leichter der gestaltenden Phantasiezsich zu fügen scheint. Die Schlacht von Salamis', es soll das Meisterwerk des Künstlers werden. Zwar war weder der in kleineren, Maaßstabe ausgeführte Farbcncntwurf, noch der Carton, die beide seit geraumer Zeit fertig in Kaulbachs Atelier stehen, aus der Kölner Ausstellung: aber sobald einmal von neuester historischer Kunst die Rede ist, darf das Werk nicht Übergängen werden. Auf den günstigen Stoff bat schon Nischer*) hingewiesen. Der Kampf des jugendlichen Abendlandes, das in seinem kräftigen Schooße die Gesittung und die Freiheit des Wesens trägt, mit dem alternden Oriente, in dein die Masse willenloses Werkzeug des rohen Einzelwillens ist; der Sieg eines blühenden, an der Spitze der Mensch¬ heit stehenden, in der Fülle des Lebens ewig hervorragenden Geschlechtes, zu¬ gleich eine Handlung, die ganz greifbar, ganz Gestalt in die helle Bestimmtheit äußern Geschehens hinaustritt in der plastischen Erscheinungsweise noch voller ungebrochener Culturformcn: läßt sich eine dankbarere Aufgabe denken? Der Maler findet sich hier nicht vor der Klippe der That, deren Schwerpunkt im Gebiete des Willens und Bewußtseins liegt, und die, kaum in die Wirk¬ lichkeit hinausgcdrungen, wieder in das Innere zurückschlägt. Aber natür¬ lich handelt es sich nicht blos um ein malerisches Schlachtgetümmel; der Charakter gerade dieses Kampfes muß hervortreten, dem schon besiegten, nur als Zuschauer betheiligten und in ohnmächtiger Leidenschaft sich aufbäumenden Aerxcs der im Bewußtsein seiner guten Sache und geistigen Ueberlegenheit ruhig gebietende Themistokles gegenüber stehen. Ein Gegensatz, in dem zwar die eigentliche Seele des Momentes in die bedeutungsvolle Tiefe des inneren Lebens wieder eingekehrt ist, der aber dennoch zur deutlichen Erscheinung kommt, wenn nur in dem wichtigen Zusammenstoß der Kämpfenden die siegreiche, dem Willen des Feldherrn folgende Gewandtheit der Griechen und die schwerfällige von keiner Einsicht geleitete Ueberstürzung der Asiaten sich mannigfaltig und malerisch aussprechen. Wovor sich aber schließlich der Maler bei einem solchen Schlachtgemälde im Interesse der Kunst zu hüten hat, das ist die historische Breite und Vollständigkeit des Vorgangs; diese kann ihm, da sie leicht die malerische Einheit der Composition verhindert, ebenso gefährlich werden, wie sonst die innerliche Tiefe der geschichtlichen That. Sehen wir zu, w,c Kaulbach seine Aufgabe gelöst hat. Rechts (vom Beschauer) Aristides mit den Seinigen —> darunter Sophokles >— auf einem Erdvorsprunge einem Tempel zuschreitend, ganz im Vordergründe die gefallene», eben von ihnen besiegten Perser; also die an das Ende des Kampfes fallende ") Wischers Aesthetik, 2. Bd. S. 240.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/178>, abgerufen am 08.01.2025.