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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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oder höchstens sechs Minen, einen Baumeister wohl kaum für tausend Drachmen
(-- 100 Minen oder 2500 Thlr.)." Demosthenes veranschlagt die Stahl¬
klingenarbeiter seines Vaters aus je drei bis fünf Minen, die Bettgestellmacher
aber nur auf durchschnittlich zwei. Hetären und Citherspielerinnen werden bei
Piautus und Terenz mit 500^700 Thalern bezahlt, und auch die durch Demo-
sthenes berüchtigt gewordene Abenteuerin Neära wurde von der Kupplerin für
750 Thlr. verkauft. Neben den gekauften Barbaren, die Platon "unbestreit¬
bare Sklaven" nennt, gab es natürlich noch viele von Sklavinnen geborene
Sklaven. Die meisten derselben mögen wohl aus dem Umgange der Sklavin¬
nen mit Freien entstanden sein; doch waren auch Sklavenehen erlaubt, wenn
die Herren nichts dagegen einzuwenden hatten. Der Zahl nach besaß Attika
nicht die meisten Sklaven, sondern nächst den Chiotcn kamen nach Aristoteles
die Aegineten mit 470.000, dann Korinth mit 460,000 Sklaven. Ueber Athen
berichtet Athenäus nach dem Annalisten Ktesikles, daß eine von Demetrius
Phalereus 309 v. Chr. angestellte Volkszählung: 21000 Bürger, 10000
Schutzgenossen und 400,000 Sklaven ergeben habe. So fällt es denn gar
nicht auf, daß im pelcponnesischen Kriege auf einmal 20000 Sklaven nach dem
von den Spartanern besetzten Dekeleia entliefen. Zur Bedienung und zu den
Verrichtungen, die heutzutage gemiethetes Hausgesinde übernimmt, haben die
Griechen im Ganzen nicht so viele Individuen verwendet, als die Römer. Wie
viele der Anstand ungefähr erforderte, ist aus einzelnen Stellen ersichtlich. Der
Verräther Aeschines z. B. will seine Unbestechlichkeit dcuthun, indem er in
einem Briefe schreibt: "Nachdem ich soviele Talente als Miethling Philipps und
dann Alexanders und als Verräther der Phokcr und der griechischen Freiheit
hatte einnehmen müssen, sitze ich hier mit sieben Sklaven." Beim Ausgehen
ließen sich die Männer gewöhnlich von einem Diener begleiten, den ängstliche
Herren sich voraus gehen ließen! Eine größere Anzahl war auffallend und
Demosthenes wirft es deshalb seinem Feinde Midias vor, daß er mit einem
Gespanne weißer Sikyonischer Rosse fahre und mit drei oder vier Bedienten
über den Markt fege. Die Frauen begnügten sich dagegen gar nicht lange
mit der ihnen auf ihren seltenen Ausgängen gestatteten einen Dienerin. Plu-
tarch erzählt, daß Phokions Frau sich nur von einer Sklavin begleiten ließ und
daß deshalb einst ein Athener, der die Ausstattung des dramatischen Chors zu
besorgen hatte, im Streite mit einem Schauspieler, welcher für seine Weiber¬
rolle eine große Zahl von Begleiterinnen verlangte, laut im Theater ausrief:
"Siehst du nicht, daß Phokions Frau immer nur mit einer Sklavin ausgeht?
Du verdirbst nur die Weiber und machst sie üppig!". Das Publicum nahm
diese Improvisation mit großem Applause aus. Hundert Jahr später hatte
man sich längst über derartige Einfachheit hinweggesetzt. In einem Stücke des
ungefähr 270 v. Chr. lebenden Dichters Machon heißt es von einer ziemlich


oder höchstens sechs Minen, einen Baumeister wohl kaum für tausend Drachmen
(— 100 Minen oder 2500 Thlr.)." Demosthenes veranschlagt die Stahl¬
klingenarbeiter seines Vaters aus je drei bis fünf Minen, die Bettgestellmacher
aber nur auf durchschnittlich zwei. Hetären und Citherspielerinnen werden bei
Piautus und Terenz mit 500^700 Thalern bezahlt, und auch die durch Demo-
sthenes berüchtigt gewordene Abenteuerin Neära wurde von der Kupplerin für
750 Thlr. verkauft. Neben den gekauften Barbaren, die Platon „unbestreit¬
bare Sklaven" nennt, gab es natürlich noch viele von Sklavinnen geborene
Sklaven. Die meisten derselben mögen wohl aus dem Umgange der Sklavin¬
nen mit Freien entstanden sein; doch waren auch Sklavenehen erlaubt, wenn
die Herren nichts dagegen einzuwenden hatten. Der Zahl nach besaß Attika
nicht die meisten Sklaven, sondern nächst den Chiotcn kamen nach Aristoteles
die Aegineten mit 470.000, dann Korinth mit 460,000 Sklaven. Ueber Athen
berichtet Athenäus nach dem Annalisten Ktesikles, daß eine von Demetrius
Phalereus 309 v. Chr. angestellte Volkszählung: 21000 Bürger, 10000
Schutzgenossen und 400,000 Sklaven ergeben habe. So fällt es denn gar
nicht auf, daß im pelcponnesischen Kriege auf einmal 20000 Sklaven nach dem
von den Spartanern besetzten Dekeleia entliefen. Zur Bedienung und zu den
Verrichtungen, die heutzutage gemiethetes Hausgesinde übernimmt, haben die
Griechen im Ganzen nicht so viele Individuen verwendet, als die Römer. Wie
viele der Anstand ungefähr erforderte, ist aus einzelnen Stellen ersichtlich. Der
Verräther Aeschines z. B. will seine Unbestechlichkeit dcuthun, indem er in
einem Briefe schreibt: „Nachdem ich soviele Talente als Miethling Philipps und
dann Alexanders und als Verräther der Phokcr und der griechischen Freiheit
hatte einnehmen müssen, sitze ich hier mit sieben Sklaven." Beim Ausgehen
ließen sich die Männer gewöhnlich von einem Diener begleiten, den ängstliche
Herren sich voraus gehen ließen! Eine größere Anzahl war auffallend und
Demosthenes wirft es deshalb seinem Feinde Midias vor, daß er mit einem
Gespanne weißer Sikyonischer Rosse fahre und mit drei oder vier Bedienten
über den Markt fege. Die Frauen begnügten sich dagegen gar nicht lange
mit der ihnen auf ihren seltenen Ausgängen gestatteten einen Dienerin. Plu-
tarch erzählt, daß Phokions Frau sich nur von einer Sklavin begleiten ließ und
daß deshalb einst ein Athener, der die Ausstattung des dramatischen Chors zu
besorgen hatte, im Streite mit einem Schauspieler, welcher für seine Weiber¬
rolle eine große Zahl von Begleiterinnen verlangte, laut im Theater ausrief:
„Siehst du nicht, daß Phokions Frau immer nur mit einer Sklavin ausgeht?
Du verdirbst nur die Weiber und machst sie üppig!". Das Publicum nahm
diese Improvisation mit großem Applause aus. Hundert Jahr später hatte
man sich längst über derartige Einfachheit hinweggesetzt. In einem Stücke des
ungefähr 270 v. Chr. lebenden Dichters Machon heißt es von einer ziemlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/16>, abgerufen am 06.01.2025.