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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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gerben sich die Seeräuberei gemehrt habe, daß der große Gewinn, den sie aus
dem Menschenhandel zogen, außerordentlich verlockend für die Flibustier gewesen
sei, daß die Könige von Aegypten, Cypern und die Rhodier, zum Theil aus
Feindschaft gegen die Syrer diesem Handwerke durch die Finger gesehen und
da,ß die Römer sich wenig um das gekümmert hätten, was jenseit des Taurus
vorging. Auf diese Weise wären oft an einem einzigen Tage Myriaden gekauft
und verkauft worden und der Adhad hätte so leicht stattgefunden, daß es zum
Sprichwort ward: "Auf Delos landen, abladen und verlaufen ist Eins." In
Kleinasien waren es vorzüglich die Provinzen Lydien, Phrygien, Mysien, Pa-
pblagonicn, Kappadokier, welche die Sklaven lieferten; außerdem Thrakien und
die nördlichen skythischer Länder. Natürlich war auch der Sklavenmarkt in Athen
ein vielbesuchter. Die Orte selbst hießen, wie überhaupt die einzelnen Abthei¬
lungen des athenischen Marktes: "Ringe", und wir bekommen eine Vorstellung
von ihnen aus einem Fragmente Menandcrs, wo es heißt: "bei den Göttern,
fast kommt es mir vor, als sehe ich mich schon in den Ringen ausgekleidet,
im Kreise herumlaufen und verhandelt werden." Wie in Rom machte auch
hier das Gesetz den Händler für bedeutende Fehler und Gebrechen verantwort¬
lich. Der Streit wurde nach Platon von Aerzten verhandelt, die die Parteien
mit gegenseitiger Uebereinstimmung wählten, und wenn der Beklagte des absicht¬
lichen Betrugs überführt wurde, so mußte er das Doppelte des Kaufpreises,
sonst nur die erhaltene Summe bezahlen. Der Markt war in Athen aber kein
stehender, sondern wurde, wie unsere Jahrmärkte in längeren Zwischenräumen
und zwar, wie es scheint, jedesmal am letzten Monatstage gehalten, an welchen
Terminen überhaupt ein größerer Geschäftsverkehr herrschte, da die Landbewohner
sich an denselben in großer Zahl einstellten. In den "Rittern" des Aristophanes heißt
es an einer Stelle: "Dieser kaufte am vergangene" Neumonde einen Sklaven,
einen paphlagonischen Gerber, und in Alkiphrons Briefen erzählt Jemand, daß
er des Kauftags wegen einen Sklaven "Neumond" getauft habe. Ein vielbe¬
suchter Stlavcnmarkt scheint auch in den am südlichen Lorgebirge Attika's lie¬
genden Städtchen Sunium abgehalten worden zu sein. Wenigstens sagt der
Parasit Phvrmio bei Terenz zur Ausrede, er wolle nach Suuium auf die
Messe gehen, um eine Sklavin zu kaufen. Wer zur Strafe in die Sklaverei
verkauft wurde, den versteigerte wahrscheinlich ein Herold, und wie es dabei zu¬
ging, läßt sich vielleicht aus der scherzhaften Philosophenvcrstcigerung Lutians
erkennen. Die Preise waren je nach dem Werthe des Artikels sehr verschieden.
Xenophon sagt in den Denkwürdigkeiten des Sokrates: "Unter den Sklaven ist
mancher zwei Minen (50 Thlr.) werth, mancher nicht einmal die Hälfte, man¬
cher fünf Minen (125 Thlr.), mancher auch zehn; Niklas soll für einen Auf¬
seher in den Silberbergwerken gar ein Talent (1500 Thlr.) gezahlt haben."
Ebenso heißt es bei Platon: "Einen Handwerkssklaven kauft man für fünf


gerben sich die Seeräuberei gemehrt habe, daß der große Gewinn, den sie aus
dem Menschenhandel zogen, außerordentlich verlockend für die Flibustier gewesen
sei, daß die Könige von Aegypten, Cypern und die Rhodier, zum Theil aus
Feindschaft gegen die Syrer diesem Handwerke durch die Finger gesehen und
da,ß die Römer sich wenig um das gekümmert hätten, was jenseit des Taurus
vorging. Auf diese Weise wären oft an einem einzigen Tage Myriaden gekauft
und verkauft worden und der Adhad hätte so leicht stattgefunden, daß es zum
Sprichwort ward: „Auf Delos landen, abladen und verlaufen ist Eins." In
Kleinasien waren es vorzüglich die Provinzen Lydien, Phrygien, Mysien, Pa-
pblagonicn, Kappadokier, welche die Sklaven lieferten; außerdem Thrakien und
die nördlichen skythischer Länder. Natürlich war auch der Sklavenmarkt in Athen
ein vielbesuchter. Die Orte selbst hießen, wie überhaupt die einzelnen Abthei¬
lungen des athenischen Marktes: „Ringe", und wir bekommen eine Vorstellung
von ihnen aus einem Fragmente Menandcrs, wo es heißt: „bei den Göttern,
fast kommt es mir vor, als sehe ich mich schon in den Ringen ausgekleidet,
im Kreise herumlaufen und verhandelt werden." Wie in Rom machte auch
hier das Gesetz den Händler für bedeutende Fehler und Gebrechen verantwort¬
lich. Der Streit wurde nach Platon von Aerzten verhandelt, die die Parteien
mit gegenseitiger Uebereinstimmung wählten, und wenn der Beklagte des absicht¬
lichen Betrugs überführt wurde, so mußte er das Doppelte des Kaufpreises,
sonst nur die erhaltene Summe bezahlen. Der Markt war in Athen aber kein
stehender, sondern wurde, wie unsere Jahrmärkte in längeren Zwischenräumen
und zwar, wie es scheint, jedesmal am letzten Monatstage gehalten, an welchen
Terminen überhaupt ein größerer Geschäftsverkehr herrschte, da die Landbewohner
sich an denselben in großer Zahl einstellten. In den „Rittern" des Aristophanes heißt
es an einer Stelle: „Dieser kaufte am vergangene» Neumonde einen Sklaven,
einen paphlagonischen Gerber, und in Alkiphrons Briefen erzählt Jemand, daß
er des Kauftags wegen einen Sklaven „Neumond" getauft habe. Ein vielbe¬
suchter Stlavcnmarkt scheint auch in den am südlichen Lorgebirge Attika's lie¬
genden Städtchen Sunium abgehalten worden zu sein. Wenigstens sagt der
Parasit Phvrmio bei Terenz zur Ausrede, er wolle nach Suuium auf die
Messe gehen, um eine Sklavin zu kaufen. Wer zur Strafe in die Sklaverei
verkauft wurde, den versteigerte wahrscheinlich ein Herold, und wie es dabei zu¬
ging, läßt sich vielleicht aus der scherzhaften Philosophenvcrstcigerung Lutians
erkennen. Die Preise waren je nach dem Werthe des Artikels sehr verschieden.
Xenophon sagt in den Denkwürdigkeiten des Sokrates: „Unter den Sklaven ist
mancher zwei Minen (50 Thlr.) werth, mancher nicht einmal die Hälfte, man¬
cher fünf Minen (125 Thlr.), mancher auch zehn; Niklas soll für einen Auf¬
seher in den Silberbergwerken gar ein Talent (1500 Thlr.) gezahlt haben."
Ebenso heißt es bei Platon: „Einen Handwerkssklaven kauft man für fünf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/15>, abgerufen am 06.01.2025.