Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.Zwecke wurde während der ägyptischen Occupation Syriens die Aufstellung der Grenzboten II. 1L62. t?
Zwecke wurde während der ägyptischen Occupation Syriens die Aufstellung der Grenzboten II. 1L62. t?
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113917"/> <p xml:id="ID_364" prev="#ID_363" next="#ID_365"> Zwecke wurde während der ägyptischen Occupation Syriens die Aufstellung der<lb/> Bayonnette zur Scheidung der Orthodoxen von den Iakobiten angeordnet, und<lb/> die wiederhergestellte türkische Negierung hat sich wohl gehütet, eine so heilsame<lb/> Maßregel abzuschaffen. Vor jener Zeit nahmen die compacten Massen der jeder<lb/> Konfession angehörigen Pilger ungefähr denselben Standpunkt ein wie heut zu<lb/> Tage, d. h. eine jede in nächster Nähe ihres Sonderbesitzes; aber die Neckereien,<lb/> welche unter Glaubensgenossen harmlos zu verlaufen Pflegen, wandten sich auf<lb/> den Berührungspunkten vorzugsweise gegen die Andersgläubigen und wurden<lb/> dann mit solcher Erbuterung geahndet, daß oft blutige Schlägereien entstanden.<lb/> Dazu kommt, daß, wie jetzt so damals, selten eine Passionszeit verstrich ohne<lb/> allerlei Gravamina zurückzulassen. Da war z. B. von einer Konfession auf einem<lb/> ihr nicht angehörigen Pflasterstein ein Teppich ausgebreitet oder gar eine unher¬<lb/> kömmliche Kerze auf einem gemeinschaftlichen Altar angezündet worden. Ein<lb/> derartiger Fall hatte nur wenige Tage vorher stattgefunden. Bei einer Function<lb/> vor einer griechischen Kapelle, deren Thür bei dieser Gelegenheit nach altem<lb/> Brauche verschlossen sein muß, fanden die Armenier die besagte Thüre offen,<lb/> indem die Griechen ihre in der Kapelle abzuhaltenden Gebeten heimtückisch in die<lb/> Länge spannen, so daß die armenische Gemeinde, gewiß zu großem Schaden<lb/> ihrer Seele, die griechischen Heiligen mehr als den oft gesehenen eignen kirch¬<lb/> lichen Hokus Potus angaffte. Gewöhnlich ist es unter solchen Umständen die<lb/> beleidigte Geistlichkeit selbst, welche das gleichgiltige Volk zur Rache auffordert.<lb/> Auch das Signal zum Angriff ist bisweilen von einem gewandten Novizen er¬<lb/> theilt worden, indem er mit geschicktem Steinwurfe eine feindliche Oellampe<lb/> zertrümmerte. Umsonst wurden wiederholt die zu einer gemischten Function in<lb/> die Kirche tretenden Pilger nach unter den Gewändern verborgenen Waffen<lb/> untersucht; die Klerisei hatte längst vorsorglich alle disponibel» Verstecke in ihren<lb/> , Heiligtümern mit Knitteln und Steinen angefüllt, welche nun den fanatisirten<lb/> Leuten ausgetheilt wurden. Ein Versuch, die feiernden Gemeinden im Augen¬<lb/> blicke der Austheilung des heiligen Feuers sich selbst zu überlassen, fand zum<lb/> letzten Male im Jahre 1856 statt, wo nach dem Abzüge der Truppen sofort ein<lb/> wüthender Kampf entbrannte. Bei dieser Gelegenheit wurden, einer großen An¬<lb/> zahl Verwundeter nicht zu gedenken, vier Leichen aus der Kirche getragen. Es<lb/> War ein eigenthümliches Zusammentreffen, daß französisch-katholischer Einfluß den<lb/> Pascha vermocht hatte, durch diese Maaßregel seinen Respect vor einer christ¬<lb/> lichen Function zu bekunden, und daß gleich darauf die klerikalen Blätter Frank¬<lb/> reichs gegen die Entweihung des heiligen Grabes durch die Schismatiker Feuer<lb/> und Flammen spieen, die Nothwendigkeit demonstrirend, den Katholicismus<lb/> allein im Namen der gesammten Christenheit mit der Hut des Heiligthums zu<lb/> beauftragen. Allerdings standen damals noch die französischen Truppen am<lb/> Bosporus; aber der Kaiser meditirte schon ein inniges Bündniß mit dem, der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1L62. t?</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Zwecke wurde während der ägyptischen Occupation Syriens die Aufstellung der
Bayonnette zur Scheidung der Orthodoxen von den Iakobiten angeordnet, und
die wiederhergestellte türkische Negierung hat sich wohl gehütet, eine so heilsame
Maßregel abzuschaffen. Vor jener Zeit nahmen die compacten Massen der jeder
Konfession angehörigen Pilger ungefähr denselben Standpunkt ein wie heut zu
Tage, d. h. eine jede in nächster Nähe ihres Sonderbesitzes; aber die Neckereien,
welche unter Glaubensgenossen harmlos zu verlaufen Pflegen, wandten sich auf
den Berührungspunkten vorzugsweise gegen die Andersgläubigen und wurden
dann mit solcher Erbuterung geahndet, daß oft blutige Schlägereien entstanden.
Dazu kommt, daß, wie jetzt so damals, selten eine Passionszeit verstrich ohne
allerlei Gravamina zurückzulassen. Da war z. B. von einer Konfession auf einem
ihr nicht angehörigen Pflasterstein ein Teppich ausgebreitet oder gar eine unher¬
kömmliche Kerze auf einem gemeinschaftlichen Altar angezündet worden. Ein
derartiger Fall hatte nur wenige Tage vorher stattgefunden. Bei einer Function
vor einer griechischen Kapelle, deren Thür bei dieser Gelegenheit nach altem
Brauche verschlossen sein muß, fanden die Armenier die besagte Thüre offen,
indem die Griechen ihre in der Kapelle abzuhaltenden Gebeten heimtückisch in die
Länge spannen, so daß die armenische Gemeinde, gewiß zu großem Schaden
ihrer Seele, die griechischen Heiligen mehr als den oft gesehenen eignen kirch¬
lichen Hokus Potus angaffte. Gewöhnlich ist es unter solchen Umständen die
beleidigte Geistlichkeit selbst, welche das gleichgiltige Volk zur Rache auffordert.
Auch das Signal zum Angriff ist bisweilen von einem gewandten Novizen er¬
theilt worden, indem er mit geschicktem Steinwurfe eine feindliche Oellampe
zertrümmerte. Umsonst wurden wiederholt die zu einer gemischten Function in
die Kirche tretenden Pilger nach unter den Gewändern verborgenen Waffen
untersucht; die Klerisei hatte längst vorsorglich alle disponibel» Verstecke in ihren
, Heiligtümern mit Knitteln und Steinen angefüllt, welche nun den fanatisirten
Leuten ausgetheilt wurden. Ein Versuch, die feiernden Gemeinden im Augen¬
blicke der Austheilung des heiligen Feuers sich selbst zu überlassen, fand zum
letzten Male im Jahre 1856 statt, wo nach dem Abzüge der Truppen sofort ein
wüthender Kampf entbrannte. Bei dieser Gelegenheit wurden, einer großen An¬
zahl Verwundeter nicht zu gedenken, vier Leichen aus der Kirche getragen. Es
War ein eigenthümliches Zusammentreffen, daß französisch-katholischer Einfluß den
Pascha vermocht hatte, durch diese Maaßregel seinen Respect vor einer christ¬
lichen Function zu bekunden, und daß gleich darauf die klerikalen Blätter Frank¬
reichs gegen die Entweihung des heiligen Grabes durch die Schismatiker Feuer
und Flammen spieen, die Nothwendigkeit demonstrirend, den Katholicismus
allein im Namen der gesammten Christenheit mit der Hut des Heiligthums zu
beauftragen. Allerdings standen damals noch die französischen Truppen am
Bosporus; aber der Kaiser meditirte schon ein inniges Bündniß mit dem, der
Grenzboten II. 1L62. t?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |