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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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peloponnesischen Kriegs erzählt, wo die Heloten und Messcnier sich mehrmals
empört hatten. "Die Lakcdämonier", sagt er, "die immer mit einer Menge
Sicherheitsmaßregeln gegen die Heloten beschäftigt waren, hatten nun sogar
aus Furcht vor der rüstigen Jugend und der Ueberzahl derselben zu folgendem
Mittel ihre Zuflucht genommen. Sie ließen bekannt machen, daß sie diejeni¬
gen, die sich anheischig machten, am tapfersten wider den Feind zu kämpfen,
aussondern wollten, um ihnen die Freiheit zu geben. Dies geschah aber, um
sie zu versuchen, indem die Lakedämvnier überzeugt waren, daß jeder, der sich
der Freiheit vorzüglich werth achtete, auch den meisten Muth haben würde,
Hand an seineu Herrn zu legen. Sie wählten also zweitausend, die, mit
Kränzen geschmückt, nach verschiedenen Tempeln zogen, als ob man ihnen die
Freiheit geschenkt hätte. Nicht lange nachher aber wurden sie alle heimlicher'
Weise aus dem Wege geräumt, und Niemand erfuhr, was aus ihnen geworden
war," Gleich den Heloten waren auch die alten Landeseinwohner auf Kreta
von den dorischen Siegern geknechtet worden. Die Alten theilen dieselben in
zwei Klassen, die Klaroten oder Aphamioten, welche, wie die Heloten, die den
Privaten zuertheilten Ländereien bebaute", und die Mnoiten, welche auf den
beträchtlichen Staatsdomänen arbeiteten und wie die früheren russischen Do¬
mänen- oder Kronbauern ein erträglicheres Loos hatten. Nach Strabo hatten
auch die megarisch-dorischen Erbauer des Pontischen Hcraklea die dort hausenden
Mariandyncr zu einem hörigen Verhältniß gezwungen und verkauften sie auch
unter sich, jedoch nicht aus dem Lande. Verhältnißmäßig am besten aber
scheinen sich die Penesten gestanden zu haben, äolische Einwohner Thessaliens,
die sich den unter heraklidischen Fürsten eindringenden thesprotischen Thes¬
saliern unter der Bedingung ergeben hatten, daß sie von den Siegern nicht
außer Landes geschafft und nicht getödtet werden sollten; dagegen entrichteten
sie eine bestimmte Abgabe von dem Lande, das sie bebauten. Wie der Ge¬
schichtschreiber Archemachus aus Euböa behauptet, waren viele Penesten reicher
als ihre Herrn. Außerdem gab es noch in Sikyon, Argos und Byzanz leib¬
eigene an die Scholle gebundene Sklaven. In Attika und im übrigen Griechen¬
land fehlt diese Klasse ganz, und die Sklaven waren dort immer freies Besitz-
thum, das von einer Hand in die andere überging. Während aber in den
nachhomerischen Zeiten das Bedürfniß nach Sklaven stieg, nahm die Zahl der
Befehdungen und damit die der Kriegsgefangenen ab. In den Kriegen der
Griechen untereinander wurde es ferner bald stehende Sitte, die Gefangenen
gegen Lösegeld frei zu geben, weil sich das Nationalgefühl sträubte, Angehörige
desselben Stammes zur Dienstbarkeit zu erniedrigen. Diese Rücksicht wurde nur
in Fällen besonderer Erbitterung aus den Augen gesetzt, wie während des
peloponnesischen Krieges zwischen Athen und der Insel Samos. wo die Athener
den kriegsgefangenen Saltnern ihr Stadtwappen, die Eule, auf die Stirn brann-


peloponnesischen Kriegs erzählt, wo die Heloten und Messcnier sich mehrmals
empört hatten. „Die Lakcdämonier", sagt er, „die immer mit einer Menge
Sicherheitsmaßregeln gegen die Heloten beschäftigt waren, hatten nun sogar
aus Furcht vor der rüstigen Jugend und der Ueberzahl derselben zu folgendem
Mittel ihre Zuflucht genommen. Sie ließen bekannt machen, daß sie diejeni¬
gen, die sich anheischig machten, am tapfersten wider den Feind zu kämpfen,
aussondern wollten, um ihnen die Freiheit zu geben. Dies geschah aber, um
sie zu versuchen, indem die Lakedämvnier überzeugt waren, daß jeder, der sich
der Freiheit vorzüglich werth achtete, auch den meisten Muth haben würde,
Hand an seineu Herrn zu legen. Sie wählten also zweitausend, die, mit
Kränzen geschmückt, nach verschiedenen Tempeln zogen, als ob man ihnen die
Freiheit geschenkt hätte. Nicht lange nachher aber wurden sie alle heimlicher'
Weise aus dem Wege geräumt, und Niemand erfuhr, was aus ihnen geworden
war," Gleich den Heloten waren auch die alten Landeseinwohner auf Kreta
von den dorischen Siegern geknechtet worden. Die Alten theilen dieselben in
zwei Klassen, die Klaroten oder Aphamioten, welche, wie die Heloten, die den
Privaten zuertheilten Ländereien bebaute», und die Mnoiten, welche auf den
beträchtlichen Staatsdomänen arbeiteten und wie die früheren russischen Do¬
mänen- oder Kronbauern ein erträglicheres Loos hatten. Nach Strabo hatten
auch die megarisch-dorischen Erbauer des Pontischen Hcraklea die dort hausenden
Mariandyncr zu einem hörigen Verhältniß gezwungen und verkauften sie auch
unter sich, jedoch nicht aus dem Lande. Verhältnißmäßig am besten aber
scheinen sich die Penesten gestanden zu haben, äolische Einwohner Thessaliens,
die sich den unter heraklidischen Fürsten eindringenden thesprotischen Thes¬
saliern unter der Bedingung ergeben hatten, daß sie von den Siegern nicht
außer Landes geschafft und nicht getödtet werden sollten; dagegen entrichteten
sie eine bestimmte Abgabe von dem Lande, das sie bebauten. Wie der Ge¬
schichtschreiber Archemachus aus Euböa behauptet, waren viele Penesten reicher
als ihre Herrn. Außerdem gab es noch in Sikyon, Argos und Byzanz leib¬
eigene an die Scholle gebundene Sklaven. In Attika und im übrigen Griechen¬
land fehlt diese Klasse ganz, und die Sklaven waren dort immer freies Besitz-
thum, das von einer Hand in die andere überging. Während aber in den
nachhomerischen Zeiten das Bedürfniß nach Sklaven stieg, nahm die Zahl der
Befehdungen und damit die der Kriegsgefangenen ab. In den Kriegen der
Griechen untereinander wurde es ferner bald stehende Sitte, die Gefangenen
gegen Lösegeld frei zu geben, weil sich das Nationalgefühl sträubte, Angehörige
desselben Stammes zur Dienstbarkeit zu erniedrigen. Diese Rücksicht wurde nur
in Fällen besonderer Erbitterung aus den Augen gesetzt, wie während des
peloponnesischen Krieges zwischen Athen und der Insel Samos. wo die Athener
den kriegsgefangenen Saltnern ihr Stadtwappen, die Eule, auf die Stirn brann-


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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/13>, abgerufen am 06.01.2025.