Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.gegeben habe, wo die Sklaverei noch nicht eingeführt war. Herodot erwähnt gegeben habe, wo die Sklaverei noch nicht eingeführt war. Herodot erwähnt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113791"/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4" next="#ID_6"> gegeben habe, wo die Sklaverei noch nicht eingeführt war. Herodot erwähnt<lb/> ausdrücklich, das; vor der Zeit der Vertreibung der Pelasger die Athenerinnen<lb/> sich noch selbst zum Wasserholen bequemt hätten, weil ihnen die Sklaven fehl¬<lb/> ten, und Pherekrates, ein Vorgänger des Aristophanes, bezeugt es ebenfalls,<lb/> daß in der frühesten Zeit die Weiber das Getreide auf der Handmühle mahlen<lb/> und alle häuslichen Arbeiten selbst verrichten mußten. Ja der freilich schon<lb/> von seinen Recensenten im Alterthume der Kritiklosigkeit bezüchtigte Sicilier<lb/> Timäus erzählt, die Lokrer und Photer hätten bis auf die macedonische Zeit<lb/> keine Sklaven gehabt und die Frau des als Anführer im sogenannten heiligen<lb/> Kriege berühmt gewordenen Philomclos habe sich zuerst auf ihren Ausgängen<lb/> von zwei Sklavinnen begleiten lassen., Aber von diesen angeblichen Ausnah¬<lb/> men abgesehen muß man die Entstehung der Sklaverei in Griechenland sehr<lb/> weil zurück, vielleicht in die Periode der Rohheit und Unsicherheit setzen, die<lb/> zwischen dem patriarchalischen Pelasgcrthume und dem heroischen Zeitalter in<lb/> der Mitte lag. Denn in dem letzteren, wie es von Homer geschildert wird,<lb/> war das Sklavenwesen schon allgemein verbreitet. Der Dichter rechnet eine<lb/> große Anzahl Sklaven zu den Kennzeichen eines reichen Mannes und theilt<lb/> dem Hause des Odysseus 50 Sklavinnen zu, von denen zwölf täglich in der<lb/> Mühle beschäftigt sind und zwanzig aus einmal Wasser holen. Die Mehrzahl<lb/> dieser unfreien Dienerschaft waren allerdings Kriegsgefangene, und dieses<lb/> Schicksal traf gewöhnlich Weiber und Kinder, da die Männer, die nicht im<lb/> Kampfe sielen, meist erschlagen wurden; aber es wurde auch bereits Handel<lb/> und Tausch mit Menschen getrieben. Handel und Schiffahrt der damaligen<lb/> Phönicier und Griechen war noch größtentheils Freibeuterei, und die aus fernen<lb/> Ländern geraubten Thiere und Menschen wurden nach andern gebracht und<lb/> vertauscht. Dieses Loos hatte die Wärterin des Odysseus Eurykleia gehabt,<lb/> für welche Laertes zwanzig Rinder zahlte, und der treue Eumäos, ursprünglich<lb/> ein Königssohn. Auch im Lager von Troja tauschten die Griechen schon<lb/> Sklaven gegen Wein und andere Bedürfnisse. Die Behandlung, die nach<lb/> Homer den Sklaven zu Theil ward, ist mild und human und bildet einen grellen<lb/> Contrast zu der geringschätzigen und drückenden von Seiten der spätern, be¬<lb/> sonders der römischen Herren. Der Abstand zwischen den Freien und Sklaven<lb/> war trotz der Rechtlosigkeit der letzteren doch keine große Kluft. Es herrschte<lb/> ein freundliches und ziemlich vertrautes Verhältniß zwischen Herrn und Die¬<lb/> nern, und oft nähert sich die Stellung des Sklaven dem eines Familienglieds.<lb/> Die Frau des Hauses sitzt mitten unter ihren Sklavinnen, die sie durch ihre<lb/> Unterhaltung aufheitern, läßt sich von den älteren ganz herzlich „mein Kind"<lb/> anreden und nennt sie dagegen „Freundinnen" und „Mütterchen". Die Prin¬<lb/> zessin Nausikaa wäscht mit ihren Sklavinnen zusammen Kleider, nimmt in ihrer<lb/> Gesellschaft ihr Mahl ein und spielt mit ihnen Ball. Odysseus und Telemach</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
gegeben habe, wo die Sklaverei noch nicht eingeführt war. Herodot erwähnt
ausdrücklich, das; vor der Zeit der Vertreibung der Pelasger die Athenerinnen
sich noch selbst zum Wasserholen bequemt hätten, weil ihnen die Sklaven fehl¬
ten, und Pherekrates, ein Vorgänger des Aristophanes, bezeugt es ebenfalls,
daß in der frühesten Zeit die Weiber das Getreide auf der Handmühle mahlen
und alle häuslichen Arbeiten selbst verrichten mußten. Ja der freilich schon
von seinen Recensenten im Alterthume der Kritiklosigkeit bezüchtigte Sicilier
Timäus erzählt, die Lokrer und Photer hätten bis auf die macedonische Zeit
keine Sklaven gehabt und die Frau des als Anführer im sogenannten heiligen
Kriege berühmt gewordenen Philomclos habe sich zuerst auf ihren Ausgängen
von zwei Sklavinnen begleiten lassen., Aber von diesen angeblichen Ausnah¬
men abgesehen muß man die Entstehung der Sklaverei in Griechenland sehr
weil zurück, vielleicht in die Periode der Rohheit und Unsicherheit setzen, die
zwischen dem patriarchalischen Pelasgcrthume und dem heroischen Zeitalter in
der Mitte lag. Denn in dem letzteren, wie es von Homer geschildert wird,
war das Sklavenwesen schon allgemein verbreitet. Der Dichter rechnet eine
große Anzahl Sklaven zu den Kennzeichen eines reichen Mannes und theilt
dem Hause des Odysseus 50 Sklavinnen zu, von denen zwölf täglich in der
Mühle beschäftigt sind und zwanzig aus einmal Wasser holen. Die Mehrzahl
dieser unfreien Dienerschaft waren allerdings Kriegsgefangene, und dieses
Schicksal traf gewöhnlich Weiber und Kinder, da die Männer, die nicht im
Kampfe sielen, meist erschlagen wurden; aber es wurde auch bereits Handel
und Tausch mit Menschen getrieben. Handel und Schiffahrt der damaligen
Phönicier und Griechen war noch größtentheils Freibeuterei, und die aus fernen
Ländern geraubten Thiere und Menschen wurden nach andern gebracht und
vertauscht. Dieses Loos hatte die Wärterin des Odysseus Eurykleia gehabt,
für welche Laertes zwanzig Rinder zahlte, und der treue Eumäos, ursprünglich
ein Königssohn. Auch im Lager von Troja tauschten die Griechen schon
Sklaven gegen Wein und andere Bedürfnisse. Die Behandlung, die nach
Homer den Sklaven zu Theil ward, ist mild und human und bildet einen grellen
Contrast zu der geringschätzigen und drückenden von Seiten der spätern, be¬
sonders der römischen Herren. Der Abstand zwischen den Freien und Sklaven
war trotz der Rechtlosigkeit der letzteren doch keine große Kluft. Es herrschte
ein freundliches und ziemlich vertrautes Verhältniß zwischen Herrn und Die¬
nern, und oft nähert sich die Stellung des Sklaven dem eines Familienglieds.
Die Frau des Hauses sitzt mitten unter ihren Sklavinnen, die sie durch ihre
Unterhaltung aufheitern, läßt sich von den älteren ganz herzlich „mein Kind"
anreden und nennt sie dagegen „Freundinnen" und „Mütterchen". Die Prin¬
zessin Nausikaa wäscht mit ihren Sklavinnen zusammen Kleider, nimmt in ihrer
Gesellschaft ihr Mahl ein und spielt mit ihnen Ball. Odysseus und Telemach
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