Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.sonnen. Es fehlte dazu vor Allem an Einem: an den schulebildenden Meistern, Wie nun die Kunstbildung der Meister lückenhaft abgerissen, von der Ver¬ 13*
sonnen. Es fehlte dazu vor Allem an Einem: an den schulebildenden Meistern, Wie nun die Kunstbildung der Meister lückenhaft abgerissen, von der Ver¬ 13*
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sonnen. Es fehlte dazu vor Allem an Einem: an den schulebildenden Meistern,
die in allen äußeren Mitteln der Darstellung eine tüchtige Lehrzeit durchge¬
macht und sieh die immer giltigen Ergebnisse vergangener Kunstperioden, soweit
dies durch Studium und Arbeit möglich ist, angeeignet haben. Schon die Be¬
gründer des neuen Zeitalters, Karstens, Wächter, Schick, begnügten sich mit
einem allgemeinen Anschluß an die Antike; auch der Letztere, der wohl in Da¬
vids Atelier gebildet war, aber grundsätzlich Von dessen Anschauungsweise sich
zu befreien strebte. Schon sie blieben ohne Schüler, ohne Nachfolger. Dann
erhoben sich gegen den Zwang und die leere Regel der Akademischen die jungen
Talente, die Man mit dem Namen der Nazarener bezeichnet, und zu denen von
Beginne seiner Laufbahn auch Cornelius zählt. Es kam diesen, wie wir ge¬
sehen, darauf ein, die Kunst neu zu beseelen, indem sie eine tiefere Empfindung,
einen geistigen Gehalt in sie zu bringen suchten. Nicht die Form also, nicht
die Erscheinung war die Hauptsache, sondern der Ausdruck des innern Lebens;
es schien ihnen, wie wenn die künstlerisch freie Darstellung und Vollendung
dieses nicht zu seinein Recht kommen lasse. Die Lehre war bequem und fand
um so raschere Verbreitung, als der deutsche Geist mit einem unendlichen Reich-
thume von neuen Gedanken und Empfindungen sich geschwängert fühlte, den er
in einer thatenloser und von dem Gipfel einer großen poetischen Epoche wieder
herabsteigenden Zeit nirgends besser niederzulegen wußte, als in der bildenden
Kunst. Man lernte von den NazarenerN sich äußerlich an eine bestimmte ge¬
schäftliche Kunstform anschließen, die zur Darstellung eines gewissen Ideenkreises
vornehmlich geeignet schien, man hielt es für überflüssig, sich in den äußern
Bedingungen streng nach den größten Vorbildern zu Schulen und glaubte nur
UM so mehr die Selbständigkeit der deutschen Malerei zu wahren und zu för¬
dern. Wie wenn nicht dies das Gesetz aller Bildung und Entwickelung wäre^
daß der Spätere die Arbeit des Vorgängers als Mittel seines Schaffens sich
aneigne, wie wenn nicht Phidias und Raphael die Früchte der vorangegange¬
nen Zeit als Keime in sich ausgenommen hätten! Dagegen ist der culturgeschicht¬
liche Unterschied der Perioden kein Einwand, denn gerade die reife Spitze der
umgelaufenen Epoche muß der neubcginnenden in den Schooß fallen, wenn
neues kräftiges Leben entstehen soll.
Wie nun die Kunstbildung der Meister lückenhaft abgerissen, von der Ver¬
gangenheit nur eben angestreift war, so war auch die Entstehung der Kunst¬
stätten von München, Düsseldorf und Berlin rein zufällig, ihre Entwickelung
ohne innern Zusammenhang, von keiner festen gemeinsamen Kunstweise getragen.
Es ist'hier nicht der Ort näher auszuführen, wie man in München versuchte,
den Reichthum der in ihrem ganzen Umfange ausgeschlossenen Welt in monu¬
mentalen Sinne zu gestalten, wie dies die wirklich groß und schöpferisch bil¬
dende Phantasie von Cornelius zum Theil ausführte, wie Düsseldorf mit Vor-
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