Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.liebe gewisse Gemüthsstimmungen und poetische Motive in ein mehr malerisches Und wie an den einzelnen Kunststätten von einem stetigen Fortgang, einer Neuerdings hat man neben den größern Kunstschulen kleinere in Dresden, liebe gewisse Gemüthsstimmungen und poetische Motive in ein mehr malerisches Und wie an den einzelnen Kunststätten von einem stetigen Fortgang, einer Neuerdings hat man neben den größern Kunstschulen kleinere in Dresden, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113888"/> <p xml:id="ID_274" prev="#ID_273"> liebe gewisse Gemüthsstimmungen und poetische Motive in ein mehr malerisches<lb/> Gewand zu kleiden strebte, wie endlich in Berlin Schinkel auf eine freie Nach¬<lb/> bildung der Antike, Rauch auf eine künstlerische Durchdringung des wirklichen<lb/> Lebens ausging und das jüngere Geschlecht, von beiden Richtungen angeregt,<lb/> zwischen beiden schwankend, von allen Seiten fremde Elemente in sich aufnahm<lb/> und diese zu verarbeiten suchte, Nirgends aber bildete sich, auch so lange die<lb/> Bestrebungen verwandt waren, eine eigentliche Schule. Natürlich, es fehlt ja<lb/> an dem, was allein der Meister den Jüngern überliefern kann: die so oder so<lb/> bestimmte Anschauung der Erscheinung und die darnach festgesetzte Handhabung<lb/> der künstlerischen Mittel. Was die Münchener Maler zu ihrer Blüthezeit, Cor¬<lb/> nelius an der Spitze, auszeichnete, war eine reiche und lebendige Phantasie,<lb/> die wohl fähig war, die Norstellungskreise der alten und neuen Welt zu ver-<lb/> sinnlichen,; aber eine Phantasie''läßt sich nicht überliefern. Daß die sogenannten<lb/> Schüler sich dennoch diese anzueignen suchten, während sie in den Mitteln ebenso<lb/> unzulänglich blieben, hat die Kunst bitter empfinden müssen. In Düsseldorf<lb/> trieben die verwandten Meister ihr Wesen ruhig und gemüthlich nebeneinander;<lb/> gewisse Stimmungen lagen in der Luft und prägten sich in jedem wieder auf<lb/> etwas verschiedene Weise aus, ohne daß auch hier in der Darstellung nach einem<lb/> festen System der Eine vom Andern gelernt hätte. Auch als Lessing zur ge¬<lb/> schichtlichen Malerei sich wandte, wurde die Sache nicht anders; denn in ihm<lb/> wurde ja die Abkehr von der alten Kunst geradezu zum Grundsatz und damit<lb/> erklärte er Allem voran, — daß der Künstler nur auf eigene Faust Künstler<lb/> werden und sein müsse. In Berlin war schon deshalb, weil man allen mög¬<lb/> lichen Einflüssen die Thür öffnete, an eine bestimmte Schule nicht zu denken.</p><lb/> <p xml:id="ID_275"> Und wie an den einzelnen Kunststätten von einem stetigen Fortgang, einer<lb/> geschlossenen Entwickelung der Malerei nicht die Rede sein konnte: so fehlte es<lb/> auch zwischen den verschiedenen Gruppen an einer eingreifenden Wechselwirkung,<lb/> die allenfalls dem Mangel der Schule bis zu einem gewissen Grade hätte ab¬<lb/> helfen können, durch gegenseitiges Ergänzen die Kunst in gerader Linie vor¬<lb/> wärts getrieben hätte. Damit fehlt der feste geschichtliche Fortschritt, und die<lb/> Malerei hat sicherlich durch die nationale Eigenthümlichkeit, die Individualität<lb/> abgetrennt von Ganzen auszubilden, mehr verloren als gewonnen. Ein Blick<lb/> auf die Kunstentfaltung des centralisirten Frankreichs liefert dazu unzweifelhafte<lb/> Belege. In einem von Schöpfungskraft überquellenden Zeitalter mag durch<lb/> eine Entwickelung in abgesonderten Gruppen die Fülle und Mannigfaltigkeit<lb/> des Geistes leichter zum selbständigen Ausdruck gelangen; aber eine Zeit mit<lb/> nur mittelmäßigem productiven Bermögen muß ihre Kräfte zusammenhalten, auf<lb/> einen Punkt werfen und zusammen vorrücken lassen, wenn sie nicht Gefahr<lb/> laufen will, in der Zersplitterung auch dies Wenige zu verlieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_276" next="#ID_277"> Neuerdings hat man neben den größern Kunstschulen kleinere in Dresden,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
liebe gewisse Gemüthsstimmungen und poetische Motive in ein mehr malerisches
Gewand zu kleiden strebte, wie endlich in Berlin Schinkel auf eine freie Nach¬
bildung der Antike, Rauch auf eine künstlerische Durchdringung des wirklichen
Lebens ausging und das jüngere Geschlecht, von beiden Richtungen angeregt,
zwischen beiden schwankend, von allen Seiten fremde Elemente in sich aufnahm
und diese zu verarbeiten suchte, Nirgends aber bildete sich, auch so lange die
Bestrebungen verwandt waren, eine eigentliche Schule. Natürlich, es fehlt ja
an dem, was allein der Meister den Jüngern überliefern kann: die so oder so
bestimmte Anschauung der Erscheinung und die darnach festgesetzte Handhabung
der künstlerischen Mittel. Was die Münchener Maler zu ihrer Blüthezeit, Cor¬
nelius an der Spitze, auszeichnete, war eine reiche und lebendige Phantasie,
die wohl fähig war, die Norstellungskreise der alten und neuen Welt zu ver-
sinnlichen,; aber eine Phantasie''läßt sich nicht überliefern. Daß die sogenannten
Schüler sich dennoch diese anzueignen suchten, während sie in den Mitteln ebenso
unzulänglich blieben, hat die Kunst bitter empfinden müssen. In Düsseldorf
trieben die verwandten Meister ihr Wesen ruhig und gemüthlich nebeneinander;
gewisse Stimmungen lagen in der Luft und prägten sich in jedem wieder auf
etwas verschiedene Weise aus, ohne daß auch hier in der Darstellung nach einem
festen System der Eine vom Andern gelernt hätte. Auch als Lessing zur ge¬
schichtlichen Malerei sich wandte, wurde die Sache nicht anders; denn in ihm
wurde ja die Abkehr von der alten Kunst geradezu zum Grundsatz und damit
erklärte er Allem voran, — daß der Künstler nur auf eigene Faust Künstler
werden und sein müsse. In Berlin war schon deshalb, weil man allen mög¬
lichen Einflüssen die Thür öffnete, an eine bestimmte Schule nicht zu denken.
Und wie an den einzelnen Kunststätten von einem stetigen Fortgang, einer
geschlossenen Entwickelung der Malerei nicht die Rede sein konnte: so fehlte es
auch zwischen den verschiedenen Gruppen an einer eingreifenden Wechselwirkung,
die allenfalls dem Mangel der Schule bis zu einem gewissen Grade hätte ab¬
helfen können, durch gegenseitiges Ergänzen die Kunst in gerader Linie vor¬
wärts getrieben hätte. Damit fehlt der feste geschichtliche Fortschritt, und die
Malerei hat sicherlich durch die nationale Eigenthümlichkeit, die Individualität
abgetrennt von Ganzen auszubilden, mehr verloren als gewonnen. Ein Blick
auf die Kunstentfaltung des centralisirten Frankreichs liefert dazu unzweifelhafte
Belege. In einem von Schöpfungskraft überquellenden Zeitalter mag durch
eine Entwickelung in abgesonderten Gruppen die Fülle und Mannigfaltigkeit
des Geistes leichter zum selbständigen Ausdruck gelangen; aber eine Zeit mit
nur mittelmäßigem productiven Bermögen muß ihre Kräfte zusammenhalten, auf
einen Punkt werfen und zusammen vorrücken lassen, wenn sie nicht Gefahr
laufen will, in der Zersplitterung auch dies Wenige zu verlieren.
Neuerdings hat man neben den größern Kunstschulen kleinere in Dresden,
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