Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der segensreiche Einfluß umsichtiger, gewissenhafter Leitung eines Künstlers
deutlich. Der Dichter wird ihm dankbar sein für liebevolles und höchst sorg,
faltiges Einstudiren, der Schauspieler für den warmen Antheil, welchen er
jeder Rolle desselben schenkt. Die besseren Vorstellungen dort haben eine
Abrundung und ein Zusammenspiel erreicht, wie dasselbe jetzt kaum bei einem
andern deutschen Theater möglich wird. Auch das mäßige Talent arbeitet im
Zusammenhange mit seinen Genossen gute Wirkungen heraus, die stärkere
Kraft wird durch das Ensemble gehoben ohne sich aus dem Rahmen heraus¬
zudrängen; vortrefflich ist die Vertheilung von Licht und Schatten, sehr sorg¬
sam auch das Herausheben der Hauptmomente. und dem einzelnen Darsteller die
gebührende Gelegenheit, zu wirken, durchaus nicht beschränkt. Dazu kommt
ein kunstverständiges technisches Arrangement und eine gewissenhafte Verwal¬
tung. So bietet sein Institut in einer zerfahrenen Zeit gewissenloser Routine
das erfreuliche Bild einer gedeihenden Kunstanstalt. Besondere Virtuosität sei¬
ner Bühne sind die Ensemble-Scenen, zumal im feinern Lustspiel und Schau¬
spiel, gerade der Theil dramatischer Production, welcher auf andern Theatern
am meisten vernachlässigt wird, allerdings auch der, bei welchem unablässige
Einwirkung des Dirigenten am meisten fördern mag. Es ist dem Duector
dabei die Freude geworden, durch einige sehr tüchtige Talente, z. B. Herrn
und Frau Lange, unterstützt zu werden.

Sehr viel ist über den Verfall der deutschen Schauspielkunst geklagt wor-
den, Keiner hat mit so kundiger Hand ihren geschichtlichen Lauf und ihre
Leiden geschildert, als Devrient selbst. Nicht wenige ehrenwerthe Schauspieler
sind so weit gekommen, daß sie mit Resignation den unkünstlerischen
Schlendrian der Bühnen erdulden und den Untergang ihrer schönen Kunst
erwartend

Deshalb erfreut nicht weniger, als die Leistungen der Bühne, die dauer¬
hafte Wärme, mit welcher Devrient für die Interessen seiner Kunst kämpft, um
die Hebung des Schauspielerstandes sorgt. Nach vielen vereitelten Hoffnungen und
einem langjährigen Kampf gegen die Uebelstände unseres Bühnenlebens hat
er sich die volle Frische eines schaffenden Künstlers bewahrt. Auch das ist wohl
etwas Großes und soll in einer Zeit, welche dem Ringen gegen das bequeme
Schlechte in der Kunst keine freudige Anerkennung entgegenträgt, besonders gerühmt
werden.

Der Zweck des Kampfes, welchen Devrient in seinen Schriften führt, die
Ideen, wonach er in der Praxis seines Theaters arbeitet, ist: Würde und Eman¬
cipation der Schauspielkunst und der Künstler zu vertreten gegenüber Hofein¬
flüssen. Intendanten und leitenden Comites, gegenüber den Dichtern, gegen¬
über den Tageskritikern, endlich gegenüber dem Verderb unter den Künstlern
selbst, dem speculirenden Virtuosenthum. Es sind viele Gegner und wenige


der segensreiche Einfluß umsichtiger, gewissenhafter Leitung eines Künstlers
deutlich. Der Dichter wird ihm dankbar sein für liebevolles und höchst sorg,
faltiges Einstudiren, der Schauspieler für den warmen Antheil, welchen er
jeder Rolle desselben schenkt. Die besseren Vorstellungen dort haben eine
Abrundung und ein Zusammenspiel erreicht, wie dasselbe jetzt kaum bei einem
andern deutschen Theater möglich wird. Auch das mäßige Talent arbeitet im
Zusammenhange mit seinen Genossen gute Wirkungen heraus, die stärkere
Kraft wird durch das Ensemble gehoben ohne sich aus dem Rahmen heraus¬
zudrängen; vortrefflich ist die Vertheilung von Licht und Schatten, sehr sorg¬
sam auch das Herausheben der Hauptmomente. und dem einzelnen Darsteller die
gebührende Gelegenheit, zu wirken, durchaus nicht beschränkt. Dazu kommt
ein kunstverständiges technisches Arrangement und eine gewissenhafte Verwal¬
tung. So bietet sein Institut in einer zerfahrenen Zeit gewissenloser Routine
das erfreuliche Bild einer gedeihenden Kunstanstalt. Besondere Virtuosität sei¬
ner Bühne sind die Ensemble-Scenen, zumal im feinern Lustspiel und Schau¬
spiel, gerade der Theil dramatischer Production, welcher auf andern Theatern
am meisten vernachlässigt wird, allerdings auch der, bei welchem unablässige
Einwirkung des Dirigenten am meisten fördern mag. Es ist dem Duector
dabei die Freude geworden, durch einige sehr tüchtige Talente, z. B. Herrn
und Frau Lange, unterstützt zu werden.

Sehr viel ist über den Verfall der deutschen Schauspielkunst geklagt wor-
den, Keiner hat mit so kundiger Hand ihren geschichtlichen Lauf und ihre
Leiden geschildert, als Devrient selbst. Nicht wenige ehrenwerthe Schauspieler
sind so weit gekommen, daß sie mit Resignation den unkünstlerischen
Schlendrian der Bühnen erdulden und den Untergang ihrer schönen Kunst
erwartend

Deshalb erfreut nicht weniger, als die Leistungen der Bühne, die dauer¬
hafte Wärme, mit welcher Devrient für die Interessen seiner Kunst kämpft, um
die Hebung des Schauspielerstandes sorgt. Nach vielen vereitelten Hoffnungen und
einem langjährigen Kampf gegen die Uebelstände unseres Bühnenlebens hat
er sich die volle Frische eines schaffenden Künstlers bewahrt. Auch das ist wohl
etwas Großes und soll in einer Zeit, welche dem Ringen gegen das bequeme
Schlechte in der Kunst keine freudige Anerkennung entgegenträgt, besonders gerühmt
werden.

Der Zweck des Kampfes, welchen Devrient in seinen Schriften führt, die
Ideen, wonach er in der Praxis seines Theaters arbeitet, ist: Würde und Eman¬
cipation der Schauspielkunst und der Künstler zu vertreten gegenüber Hofein¬
flüssen. Intendanten und leitenden Comites, gegenüber den Dichtern, gegen¬
über den Tageskritikern, endlich gegenüber dem Verderb unter den Künstlern
selbst, dem speculirenden Virtuosenthum. Es sind viele Gegner und wenige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0078" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113320"/>
          <p xml:id="ID_228" prev="#ID_227"> der segensreiche Einfluß umsichtiger, gewissenhafter Leitung eines Künstlers<lb/>
deutlich.  Der Dichter wird ihm dankbar sein für liebevolles und höchst sorg,<lb/>
faltiges Einstudiren, der Schauspieler für den warmen Antheil, welchen er<lb/>
jeder Rolle desselben  schenkt.  Die besseren Vorstellungen dort haben eine<lb/>
Abrundung und ein Zusammenspiel erreicht, wie dasselbe jetzt kaum bei einem<lb/>
andern deutschen Theater möglich wird.  Auch das mäßige Talent arbeitet im<lb/>
Zusammenhange mit seinen Genossen gute Wirkungen heraus, die stärkere<lb/>
Kraft wird durch das Ensemble gehoben ohne sich aus dem Rahmen heraus¬<lb/>
zudrängen; vortrefflich ist die Vertheilung von Licht und Schatten, sehr sorg¬<lb/>
sam auch das Herausheben der Hauptmomente. und dem einzelnen Darsteller die<lb/>
gebührende Gelegenheit, zu wirken, durchaus nicht beschränkt.  Dazu kommt<lb/>
ein kunstverständiges technisches Arrangement und eine gewissenhafte Verwal¬<lb/>
tung.  So bietet sein Institut in einer zerfahrenen Zeit gewissenloser Routine<lb/>
das erfreuliche Bild einer gedeihenden Kunstanstalt.  Besondere Virtuosität sei¬<lb/>
ner Bühne sind die Ensemble-Scenen, zumal im feinern Lustspiel und Schau¬<lb/>
spiel, gerade der Theil dramatischer Production, welcher auf andern Theatern<lb/>
am meisten vernachlässigt wird, allerdings auch der, bei welchem unablässige<lb/>
Einwirkung des Dirigenten am meisten fördern mag.  Es ist dem Duector<lb/>
dabei die Freude geworden, durch einige sehr tüchtige Talente, z. B. Herrn<lb/>
und Frau Lange, unterstützt zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_229"> Sehr viel ist über den Verfall der deutschen Schauspielkunst geklagt wor-<lb/>
den, Keiner hat mit so kundiger Hand ihren geschichtlichen Lauf und ihre<lb/>
Leiden geschildert, als Devrient selbst. Nicht wenige ehrenwerthe Schauspieler<lb/>
sind so weit gekommen, daß sie mit Resignation den unkünstlerischen<lb/>
Schlendrian der Bühnen erdulden und den Untergang ihrer schönen Kunst<lb/>
erwartend</p><lb/>
          <p xml:id="ID_230"> Deshalb erfreut nicht weniger, als die Leistungen der Bühne, die dauer¬<lb/>
hafte Wärme, mit welcher Devrient für die Interessen seiner Kunst kämpft, um<lb/>
die Hebung des Schauspielerstandes sorgt. Nach vielen vereitelten Hoffnungen und<lb/>
einem langjährigen Kampf gegen die Uebelstände unseres Bühnenlebens hat<lb/>
er sich die volle Frische eines schaffenden Künstlers bewahrt. Auch das ist wohl<lb/>
etwas Großes und soll in einer Zeit, welche dem Ringen gegen das bequeme<lb/>
Schlechte in der Kunst keine freudige Anerkennung entgegenträgt, besonders gerühmt<lb/>
werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_231" next="#ID_232"> Der Zweck des Kampfes, welchen Devrient in seinen Schriften führt, die<lb/>
Ideen, wonach er in der Praxis seines Theaters arbeitet, ist: Würde und Eman¬<lb/>
cipation der Schauspielkunst und der Künstler zu vertreten gegenüber Hofein¬<lb/>
flüssen. Intendanten und leitenden Comites, gegenüber den Dichtern, gegen¬<lb/>
über den Tageskritikern, endlich gegenüber dem Verderb unter den Künstlern<lb/>
selbst, dem speculirenden Virtuosenthum.  Es sind viele Gegner und wenige</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] der segensreiche Einfluß umsichtiger, gewissenhafter Leitung eines Künstlers deutlich. Der Dichter wird ihm dankbar sein für liebevolles und höchst sorg, faltiges Einstudiren, der Schauspieler für den warmen Antheil, welchen er jeder Rolle desselben schenkt. Die besseren Vorstellungen dort haben eine Abrundung und ein Zusammenspiel erreicht, wie dasselbe jetzt kaum bei einem andern deutschen Theater möglich wird. Auch das mäßige Talent arbeitet im Zusammenhange mit seinen Genossen gute Wirkungen heraus, die stärkere Kraft wird durch das Ensemble gehoben ohne sich aus dem Rahmen heraus¬ zudrängen; vortrefflich ist die Vertheilung von Licht und Schatten, sehr sorg¬ sam auch das Herausheben der Hauptmomente. und dem einzelnen Darsteller die gebührende Gelegenheit, zu wirken, durchaus nicht beschränkt. Dazu kommt ein kunstverständiges technisches Arrangement und eine gewissenhafte Verwal¬ tung. So bietet sein Institut in einer zerfahrenen Zeit gewissenloser Routine das erfreuliche Bild einer gedeihenden Kunstanstalt. Besondere Virtuosität sei¬ ner Bühne sind die Ensemble-Scenen, zumal im feinern Lustspiel und Schau¬ spiel, gerade der Theil dramatischer Production, welcher auf andern Theatern am meisten vernachlässigt wird, allerdings auch der, bei welchem unablässige Einwirkung des Dirigenten am meisten fördern mag. Es ist dem Duector dabei die Freude geworden, durch einige sehr tüchtige Talente, z. B. Herrn und Frau Lange, unterstützt zu werden. Sehr viel ist über den Verfall der deutschen Schauspielkunst geklagt wor- den, Keiner hat mit so kundiger Hand ihren geschichtlichen Lauf und ihre Leiden geschildert, als Devrient selbst. Nicht wenige ehrenwerthe Schauspieler sind so weit gekommen, daß sie mit Resignation den unkünstlerischen Schlendrian der Bühnen erdulden und den Untergang ihrer schönen Kunst erwartend Deshalb erfreut nicht weniger, als die Leistungen der Bühne, die dauer¬ hafte Wärme, mit welcher Devrient für die Interessen seiner Kunst kämpft, um die Hebung des Schauspielerstandes sorgt. Nach vielen vereitelten Hoffnungen und einem langjährigen Kampf gegen die Uebelstände unseres Bühnenlebens hat er sich die volle Frische eines schaffenden Künstlers bewahrt. Auch das ist wohl etwas Großes und soll in einer Zeit, welche dem Ringen gegen das bequeme Schlechte in der Kunst keine freudige Anerkennung entgegenträgt, besonders gerühmt werden. Der Zweck des Kampfes, welchen Devrient in seinen Schriften führt, die Ideen, wonach er in der Praxis seines Theaters arbeitet, ist: Würde und Eman¬ cipation der Schauspielkunst und der Künstler zu vertreten gegenüber Hofein¬ flüssen. Intendanten und leitenden Comites, gegenüber den Dichtern, gegen¬ über den Tageskritikern, endlich gegenüber dem Verderb unter den Künstlern selbst, dem speculirenden Virtuosenthum. Es sind viele Gegner und wenige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/78
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/78>, abgerufen am 28.12.2024.