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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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haben nur zweimal gefeuert. Ueber hundert Mann blieben auf dem Platze
der Insurgentenobcrst Ominsky, zwei Offiziere und 93 Mann wurden gefangen
genommen, die Lieutenants v. B. und v. S. nebst ihren Füsilieren und
Husaren befreit, die beiden Kanonen zurückerobert und eine kleine Kriegs-
kasse mit 1000 Thalern erbeutet. Das war eine Freude, ein Jubel und eine
Herzlichkeit gegen die befreiten Kameraden! Ich sah einen jungen hübschen
polnischen Offizier, der 22 Wunden hatte, darunter einen Hieb vorn auf dem
Schädel, durch den ein Stück wie ein Thaler groß aus demselben gehauen
war. Der arme Mensch machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich, und
ich hielt seinen Tod für gewiß. Ich habe nicht aufgehört, mich nach ihm zu
erkundigen, und in Erfahrung gebracht, daß er ganz wieder hergestellt worden
ist. Es war im ganzen Kriege die erste glückliche Expedition, wobei es auch
geblieben ist; eine zweite solche habe ich in dieser Campagne nicht erlebt.

Von nun an trieben wir uns immerfort in der Gegend von Dirschau,
Stargard und Schöneck herum, und zwar so rastlos und bei so üblem Wetter,
daß die Strapazen für mich kleinen Menschen fast unerträglich wurden, mich
ganz nieder zu werfen drohten, und ich oft während des Marschirens
einschlief. Nur meiner zwar schwächlichen, aber zähen und festen Konstitution
hatte ich es neben der Pflege und Sorgfalt meines treuen Rißmann zu dan¬
ken, daß ich nicht erlag.

Der Feind drängte uns näher an die Stadt heran, unter steten kleinen
Gefechten mußten wir uns zurückziehen. Dirschau, der Schlüssel zum Dan-
ziger Werber, ging verloren, wir besetzten Praust, das Gouvernement ließ
800 Schritt von den Festungswerken ab, von Schiedlitz, Stolzenverg und
Alt-Schottland eine Linie durchbrechen, um die Distance zu bezeichnen, wie
weit Alles niedergebrannt werden sollte, wenn der Feind näher heranrücken
und die Festung bercnnen würde. Am 7. März wurden wir angegriffen und
nach der Festung zurückgeworfen. In der Nacht vom 10. zum 11. März
wurden Stolzenverg und die andern Vorstädte mittelst Pechkränzen angesteckt
und niedergebrannt; dies Niederbrennen einer so bedeutenden Häusermasse gab
einen fürchterlich schönen Anblick, den ich so wenig jemals vergessen werde,
wie das Jammergeschrei der Unglücklichen, die ihre Habe nicht einmal voll¬
ständig retten konnten. Da habe ich so recht die Greuel des Krieges kennen
gelernt.

In dieser Nacht war der neue Gouverneur, der General von Kalkreuth,
angekommen, mit welchem neue Hoffnung und frischer Muth alle Herzen er¬
füllten. Das Erste, was er that, betraf die Verpflegung der Truppen; wir
erhielten täglich aus den Magazinen V- Pfd. Rind- oder V° Pfd. Schweine¬
fleisch. Kartoffeln V- Metze. Erbsen V. Metze und so fort verhältnißmäßig
-- Branntwein V" Pr. Quart, Tabak auf 8 Tage V" Pfd., Bier wöchentlich 2


haben nur zweimal gefeuert. Ueber hundert Mann blieben auf dem Platze
der Insurgentenobcrst Ominsky, zwei Offiziere und 93 Mann wurden gefangen
genommen, die Lieutenants v. B. und v. S. nebst ihren Füsilieren und
Husaren befreit, die beiden Kanonen zurückerobert und eine kleine Kriegs-
kasse mit 1000 Thalern erbeutet. Das war eine Freude, ein Jubel und eine
Herzlichkeit gegen die befreiten Kameraden! Ich sah einen jungen hübschen
polnischen Offizier, der 22 Wunden hatte, darunter einen Hieb vorn auf dem
Schädel, durch den ein Stück wie ein Thaler groß aus demselben gehauen
war. Der arme Mensch machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich, und
ich hielt seinen Tod für gewiß. Ich habe nicht aufgehört, mich nach ihm zu
erkundigen, und in Erfahrung gebracht, daß er ganz wieder hergestellt worden
ist. Es war im ganzen Kriege die erste glückliche Expedition, wobei es auch
geblieben ist; eine zweite solche habe ich in dieser Campagne nicht erlebt.

Von nun an trieben wir uns immerfort in der Gegend von Dirschau,
Stargard und Schöneck herum, und zwar so rastlos und bei so üblem Wetter,
daß die Strapazen für mich kleinen Menschen fast unerträglich wurden, mich
ganz nieder zu werfen drohten, und ich oft während des Marschirens
einschlief. Nur meiner zwar schwächlichen, aber zähen und festen Konstitution
hatte ich es neben der Pflege und Sorgfalt meines treuen Rißmann zu dan¬
ken, daß ich nicht erlag.

Der Feind drängte uns näher an die Stadt heran, unter steten kleinen
Gefechten mußten wir uns zurückziehen. Dirschau, der Schlüssel zum Dan-
ziger Werber, ging verloren, wir besetzten Praust, das Gouvernement ließ
800 Schritt von den Festungswerken ab, von Schiedlitz, Stolzenverg und
Alt-Schottland eine Linie durchbrechen, um die Distance zu bezeichnen, wie
weit Alles niedergebrannt werden sollte, wenn der Feind näher heranrücken
und die Festung bercnnen würde. Am 7. März wurden wir angegriffen und
nach der Festung zurückgeworfen. In der Nacht vom 10. zum 11. März
wurden Stolzenverg und die andern Vorstädte mittelst Pechkränzen angesteckt
und niedergebrannt; dies Niederbrennen einer so bedeutenden Häusermasse gab
einen fürchterlich schönen Anblick, den ich so wenig jemals vergessen werde,
wie das Jammergeschrei der Unglücklichen, die ihre Habe nicht einmal voll¬
ständig retten konnten. Da habe ich so recht die Greuel des Krieges kennen
gelernt.

In dieser Nacht war der neue Gouverneur, der General von Kalkreuth,
angekommen, mit welchem neue Hoffnung und frischer Muth alle Herzen er¬
füllten. Das Erste, was er that, betraf die Verpflegung der Truppen; wir
erhielten täglich aus den Magazinen V- Pfd. Rind- oder V° Pfd. Schweine¬
fleisch. Kartoffeln V- Metze. Erbsen V. Metze und so fort verhältnißmäßig
— Branntwein V« Pr. Quart, Tabak auf 8 Tage V« Pfd., Bier wöchentlich 2


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/60>, abgerufen am 28.12.2024.