Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Politik ein ungerechtfertigter wäre. Die populären Sympathien für Aegypten
sind eins das Cabinet gewiß von geringem Einflüsse und nur in sofern von
Bedeutung gewesen, als sie es demselben, in Rücksicht auf die Stimmung des
Landes, erschwerten, rechtzeitig den Rückzug aus seiner isolirten Stellung an¬
zutreten. DaS Cabinet hatte keine andere Absicht, als die. in Mehemed Ali
sich einen kräftigen Verbündeten zu erhalten, mit dessen Hülfe man den alten
Plan, das mittelländische Meer zu einem französischen Binnensee zu machen,
verwirklichen könne. Daß trotz aller Verhüllungen, die sich unter der seltsamen
Theorie versteckten, man müsse zwar die Integrität der Türkei erhalten, aber
dabei doch ihre Zerstückelung begünstigen, soweit die sich ablösenden Glieder
die Aussicht böten, sich zu selbständigen, von fremdem Einflüsse unabhängigen
Staaten zu gestalten, Palmerston die wahren 'Absichten Frankreichs sofort durch¬
schaute, ist natürlich unzweifelhaft; und die französische Politik hatte sich sehr
verrechnet, wenn sie glaubte, der englische Staatsmann werde aus Furcht vor
dem russischen Uebergewichte den für England nicht minder gefährlichen fran¬
zösischen Plänen freien Raum zur Entwicklung lassen.

Der zweideutigen Unklarheit des Planes war die völlige Unsicherheit der
Ausführung entsprechend. Die französische Vertretung im Oriente war schlecht
disciplinirt und, wie es scheint, auch ungenügend instruirt. Während der
französische Gesandtschaftssecretär de Varennes, der "ach General Guilleminots
Abberufung M Geschäftsträger bei der Pforte fungirte, den Sultan zur Be¬
willigung der Forderungen Mehemed Ali's drängte, trat der 1833 zum Ge¬
sandten in Constantiiuopel ernannte Admiral Roussin entschieden auf Seite der
Pforte und suchte Mehemed Ali in ziemlich schroffer Weise zur Nachgiebigkeit
zu bewegen. Beide Richtungen waren gewissermaßen in Bois-le-Comte ver¬
einigt, der als Beobachter der Ereignisse und Rathgeber. ohne eine officielle
Stellung zu bekleiden, an Mehemed Ali gesandt war. Die kategorischen Rath¬
schläge Noussins machten auf Mehemed keinen andern Eindruck, als ihn heftig
zu erbittern. Er antwortete dem Admiral gar nicht, da derselbe nur beim Sul¬
tan beglaubigt sei und also ihm keine Rathschläge zu ertheilen habe. Auch
könne er, erklärte er an Bois-le-Comie, ihn, ohne zu lügen, nicht mon "Kor AM
anreden. Auch die schiefe Ansicht, -die er sich von den europäischen Verhält¬
nissen gebildet hatte, bestärkte ihn in seinem Widerstände; er war überzeugt,
daß binnen Jahresfrist ein europäischer Krieg ausbrechen und ihm völlig freie
Hand lassen würde. So war er allM M'Mttchrden Vorschlägen un.zuggngl-ich.
Verschwenderisch bot er alle seine Mittel auf. u,n auf die Räthe des Sultans
twe-t zu -wirken. Und su, -der Tabak hatte er sehne Mittel so gut gewählt und
Mit- solch" G.cscMe angMMdech, daß ihm die Pforte im Pertrage von Kuta-
ichM, MM), idchen ^qschqr Abschluß uns übrigens noch nicht genügend ayf,


Politik ein ungerechtfertigter wäre. Die populären Sympathien für Aegypten
sind eins das Cabinet gewiß von geringem Einflüsse und nur in sofern von
Bedeutung gewesen, als sie es demselben, in Rücksicht auf die Stimmung des
Landes, erschwerten, rechtzeitig den Rückzug aus seiner isolirten Stellung an¬
zutreten. DaS Cabinet hatte keine andere Absicht, als die. in Mehemed Ali
sich einen kräftigen Verbündeten zu erhalten, mit dessen Hülfe man den alten
Plan, das mittelländische Meer zu einem französischen Binnensee zu machen,
verwirklichen könne. Daß trotz aller Verhüllungen, die sich unter der seltsamen
Theorie versteckten, man müsse zwar die Integrität der Türkei erhalten, aber
dabei doch ihre Zerstückelung begünstigen, soweit die sich ablösenden Glieder
die Aussicht böten, sich zu selbständigen, von fremdem Einflüsse unabhängigen
Staaten zu gestalten, Palmerston die wahren 'Absichten Frankreichs sofort durch¬
schaute, ist natürlich unzweifelhaft; und die französische Politik hatte sich sehr
verrechnet, wenn sie glaubte, der englische Staatsmann werde aus Furcht vor
dem russischen Uebergewichte den für England nicht minder gefährlichen fran¬
zösischen Plänen freien Raum zur Entwicklung lassen.

Der zweideutigen Unklarheit des Planes war die völlige Unsicherheit der
Ausführung entsprechend. Die französische Vertretung im Oriente war schlecht
disciplinirt und, wie es scheint, auch ungenügend instruirt. Während der
französische Gesandtschaftssecretär de Varennes, der »ach General Guilleminots
Abberufung M Geschäftsträger bei der Pforte fungirte, den Sultan zur Be¬
willigung der Forderungen Mehemed Ali's drängte, trat der 1833 zum Ge¬
sandten in Constantiiuopel ernannte Admiral Roussin entschieden auf Seite der
Pforte und suchte Mehemed Ali in ziemlich schroffer Weise zur Nachgiebigkeit
zu bewegen. Beide Richtungen waren gewissermaßen in Bois-le-Comte ver¬
einigt, der als Beobachter der Ereignisse und Rathgeber. ohne eine officielle
Stellung zu bekleiden, an Mehemed Ali gesandt war. Die kategorischen Rath¬
schläge Noussins machten auf Mehemed keinen andern Eindruck, als ihn heftig
zu erbittern. Er antwortete dem Admiral gar nicht, da derselbe nur beim Sul¬
tan beglaubigt sei und also ihm keine Rathschläge zu ertheilen habe. Auch
könne er, erklärte er an Bois-le-Comie, ihn, ohne zu lügen, nicht mon «Kor AM
anreden. Auch die schiefe Ansicht, -die er sich von den europäischen Verhält¬
nissen gebildet hatte, bestärkte ihn in seinem Widerstände; er war überzeugt,
daß binnen Jahresfrist ein europäischer Krieg ausbrechen und ihm völlig freie
Hand lassen würde. So war er allM M'Mttchrden Vorschlägen un.zuggngl-ich.
Verschwenderisch bot er alle seine Mittel auf. u,n auf die Räthe des Sultans
twe-t zu -wirken. Und su, -der Tabak hatte er sehne Mittel so gut gewählt und
Mit- solch« G.cscMe angMMdech, daß ihm die Pforte im Pertrage von Kuta-
ichM, MM), idchen ^qschqr Abschluß uns übrigens noch nicht genügend ayf,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113768"/>
          <p xml:id="ID_1668" prev="#ID_1667"> Politik ein ungerechtfertigter wäre. Die populären Sympathien für Aegypten<lb/>
sind eins das Cabinet gewiß von geringem Einflüsse und nur in sofern von<lb/>
Bedeutung gewesen, als sie es demselben, in Rücksicht auf die Stimmung des<lb/>
Landes, erschwerten, rechtzeitig den Rückzug aus seiner isolirten Stellung an¬<lb/>
zutreten. DaS Cabinet hatte keine andere Absicht, als die. in Mehemed Ali<lb/>
sich einen kräftigen Verbündeten zu erhalten, mit dessen Hülfe man den alten<lb/>
Plan, das mittelländische Meer zu einem französischen Binnensee zu machen,<lb/>
verwirklichen könne. Daß trotz aller Verhüllungen, die sich unter der seltsamen<lb/>
Theorie versteckten, man müsse zwar die Integrität der Türkei erhalten, aber<lb/>
dabei doch ihre Zerstückelung begünstigen, soweit die sich ablösenden Glieder<lb/>
die Aussicht böten, sich zu selbständigen, von fremdem Einflüsse unabhängigen<lb/>
Staaten zu gestalten, Palmerston die wahren 'Absichten Frankreichs sofort durch¬<lb/>
schaute, ist natürlich unzweifelhaft; und die französische Politik hatte sich sehr<lb/>
verrechnet, wenn sie glaubte, der englische Staatsmann werde aus Furcht vor<lb/>
dem russischen Uebergewichte den für England nicht minder gefährlichen fran¬<lb/>
zösischen Plänen freien Raum zur Entwicklung lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1669" next="#ID_1670"> Der zweideutigen Unklarheit des Planes war die völlige Unsicherheit der<lb/>
Ausführung entsprechend. Die französische Vertretung im Oriente war schlecht<lb/>
disciplinirt und, wie es scheint, auch ungenügend instruirt. Während der<lb/>
französische Gesandtschaftssecretär de Varennes, der »ach General Guilleminots<lb/>
Abberufung M Geschäftsträger bei der Pforte fungirte, den Sultan zur Be¬<lb/>
willigung der Forderungen Mehemed Ali's drängte, trat der 1833 zum Ge¬<lb/>
sandten in Constantiiuopel ernannte Admiral Roussin entschieden auf Seite der<lb/>
Pforte und suchte Mehemed Ali in ziemlich schroffer Weise zur Nachgiebigkeit<lb/>
zu bewegen. Beide Richtungen waren gewissermaßen in Bois-le-Comte ver¬<lb/>
einigt, der als Beobachter der Ereignisse und Rathgeber. ohne eine officielle<lb/>
Stellung zu bekleiden, an Mehemed Ali gesandt war. Die kategorischen Rath¬<lb/>
schläge Noussins machten auf Mehemed keinen andern Eindruck, als ihn heftig<lb/>
zu erbittern. Er antwortete dem Admiral gar nicht, da derselbe nur beim Sul¬<lb/>
tan beglaubigt sei und also ihm keine Rathschläge zu ertheilen habe. Auch<lb/>
könne er, erklärte er an Bois-le-Comie, ihn, ohne zu lügen, nicht mon «Kor AM<lb/>
anreden. Auch die schiefe Ansicht, -die er sich von den europäischen Verhält¬<lb/>
nissen gebildet hatte, bestärkte ihn in seinem Widerstände; er war überzeugt,<lb/>
daß binnen Jahresfrist ein europäischer Krieg ausbrechen und ihm völlig freie<lb/>
Hand lassen würde. So war er allM M'Mttchrden Vorschlägen un.zuggngl-ich.<lb/>
Verschwenderisch bot er alle seine Mittel auf. u,n auf die Räthe des Sultans<lb/>
twe-t zu -wirken. Und su, -der Tabak hatte er sehne Mittel so gut gewählt und<lb/>
Mit- solch« G.cscMe angMMdech, daß ihm die Pforte im Pertrage von Kuta-<lb/>
ichM, MM), idchen ^qschqr Abschluß uns übrigens noch nicht genügend ayf,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0526] Politik ein ungerechtfertigter wäre. Die populären Sympathien für Aegypten sind eins das Cabinet gewiß von geringem Einflüsse und nur in sofern von Bedeutung gewesen, als sie es demselben, in Rücksicht auf die Stimmung des Landes, erschwerten, rechtzeitig den Rückzug aus seiner isolirten Stellung an¬ zutreten. DaS Cabinet hatte keine andere Absicht, als die. in Mehemed Ali sich einen kräftigen Verbündeten zu erhalten, mit dessen Hülfe man den alten Plan, das mittelländische Meer zu einem französischen Binnensee zu machen, verwirklichen könne. Daß trotz aller Verhüllungen, die sich unter der seltsamen Theorie versteckten, man müsse zwar die Integrität der Türkei erhalten, aber dabei doch ihre Zerstückelung begünstigen, soweit die sich ablösenden Glieder die Aussicht böten, sich zu selbständigen, von fremdem Einflüsse unabhängigen Staaten zu gestalten, Palmerston die wahren 'Absichten Frankreichs sofort durch¬ schaute, ist natürlich unzweifelhaft; und die französische Politik hatte sich sehr verrechnet, wenn sie glaubte, der englische Staatsmann werde aus Furcht vor dem russischen Uebergewichte den für England nicht minder gefährlichen fran¬ zösischen Plänen freien Raum zur Entwicklung lassen. Der zweideutigen Unklarheit des Planes war die völlige Unsicherheit der Ausführung entsprechend. Die französische Vertretung im Oriente war schlecht disciplinirt und, wie es scheint, auch ungenügend instruirt. Während der französische Gesandtschaftssecretär de Varennes, der »ach General Guilleminots Abberufung M Geschäftsträger bei der Pforte fungirte, den Sultan zur Be¬ willigung der Forderungen Mehemed Ali's drängte, trat der 1833 zum Ge¬ sandten in Constantiiuopel ernannte Admiral Roussin entschieden auf Seite der Pforte und suchte Mehemed Ali in ziemlich schroffer Weise zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Beide Richtungen waren gewissermaßen in Bois-le-Comte ver¬ einigt, der als Beobachter der Ereignisse und Rathgeber. ohne eine officielle Stellung zu bekleiden, an Mehemed Ali gesandt war. Die kategorischen Rath¬ schläge Noussins machten auf Mehemed keinen andern Eindruck, als ihn heftig zu erbittern. Er antwortete dem Admiral gar nicht, da derselbe nur beim Sul¬ tan beglaubigt sei und also ihm keine Rathschläge zu ertheilen habe. Auch könne er, erklärte er an Bois-le-Comie, ihn, ohne zu lügen, nicht mon «Kor AM anreden. Auch die schiefe Ansicht, -die er sich von den europäischen Verhält¬ nissen gebildet hatte, bestärkte ihn in seinem Widerstände; er war überzeugt, daß binnen Jahresfrist ein europäischer Krieg ausbrechen und ihm völlig freie Hand lassen würde. So war er allM M'Mttchrden Vorschlägen un.zuggngl-ich. Verschwenderisch bot er alle seine Mittel auf. u,n auf die Räthe des Sultans twe-t zu -wirken. Und su, -der Tabak hatte er sehne Mittel so gut gewählt und Mit- solch« G.cscMe angMMdech, daß ihm die Pforte im Pertrage von Kuta- ichM, MM), idchen ^qschqr Abschluß uns übrigens noch nicht genügend ayf,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/526
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/526>, abgerufen am 28.12.2024.