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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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"Ha!" kreischte Alexis Juriwitsch, "da bist Du! Du. die ihren Jungen so
verdorben hat, daß er sich jetzt einer Metze an den Hals wirft! Und so ver¬
bringst Du hier Deine"Zeit mit Deinen Liebhabern!" Und der Prinz ließ
seiner Wuth vollen Lauf ....

Am nächsten Morgen war von Kondratie Sergejewitsch in Zaboria keine
Spur zu finden, und die gute Fürstin Martha Petrowna war eine Leiche.

Das Leichenbegängniß war superb. Es fungirten dabei drei Archiman-
driten und hundert Priester, und obwohl kaum einer der Theilnehmer an der
Ceremonie die Princessin gekannt hatte, weinte doch Jedermann, mit Aus¬
nahme des Fürsten, der hinter dem Sarge herschritt ohne eine Thräne zu
vergießen. Indeß bemerkte man, baß er viel hagerer geworden war. Seine
Lippen zuckten, und von Zeit zu Zeit ging ein Schauder über seinen ganzen
Keuper. Sechs Wvcken hindurch wurden nach der Beerdigung alle Bettler
die nach Zaboria kamen, auf Kosten des Fürsten gespeist, auch vertheilte man
jeden Sonnabend Geld unter sie. Im Ganzen kostete die Bestattung nebst
Zubehör dreitausend Rubel.

Beim Leichenschmaus sprach Fürst Alexis in der erbaulichsten Weise mit
dem Archimandriten übet die heilige Schrift, über den Weg die Seele zu
retten und die Pflichten eines Christen. "Da war da meine arme Fürstin",
sagte er, "die lebte ein Leben der Demuth und Heiligkeit und bereitete sich
einen Platz im Reiche der Seligen." Dann setzte er hinzu, daß das Dasein
fürder für ihn keinen Reiz habe, daß er ohne sein Weib fortan nicht mehr
in der Weit existiren möge, und bat den Archimandriten, ihn in sein Kloster
aufzunehmen, er werde die Summe von vierzigtausend Rubeln mitbringen.

"Fassen Sie keinen übereilten Entschluß", sagte der Archimandrit. "Haben
Sie nicht für Ihren Sohn zu leben?"

"Was. den Borkal"*) fuhr der demüthige Fürst und Mönch in sxs
auf. "Des wird, wenn ihm sein Leben lieb ist, gut thun, sich hier nicht
sehen zu lassen. Der höllische Schurke! Er hat mich ruinirt und ist die Ur-
sache des Todes seiner Mutter. Er hat ewige Schande auf unsern Namen
gebracht. Ohne auf unsre Erlaubniß und auf den Segen seines Vaters zu
warten, hat er irgend eine Dirne ohne einen Heller Vermögen geheirathet.
eine Person, für die es eine Ehre gewesen wäre, meine Schweine zu hüten.
Dieser Hallunke ists. der die Fürstin ins Grab gebracht hat. Als sie davon
hörte, siel sie in Ohnmacht, die arme Frau, hatte einen Blutsturz und war
in derselben Stunde schon nicht mehr unter den Lebendigen, die liebe Taube."

"Umgeben von Trübsal sollten Sie sich in Demuth beugen. Fürst," re>
monstrirte der Archimandrit.



') Diminutiv von Boris.
Grenzbotett I. 1S62,5.4

„Ha!" kreischte Alexis Juriwitsch, „da bist Du! Du. die ihren Jungen so
verdorben hat, daß er sich jetzt einer Metze an den Hals wirft! Und so ver¬
bringst Du hier Deine«Zeit mit Deinen Liebhabern!" Und der Prinz ließ
seiner Wuth vollen Lauf ....

Am nächsten Morgen war von Kondratie Sergejewitsch in Zaboria keine
Spur zu finden, und die gute Fürstin Martha Petrowna war eine Leiche.

Das Leichenbegängniß war superb. Es fungirten dabei drei Archiman-
driten und hundert Priester, und obwohl kaum einer der Theilnehmer an der
Ceremonie die Princessin gekannt hatte, weinte doch Jedermann, mit Aus¬
nahme des Fürsten, der hinter dem Sarge herschritt ohne eine Thräne zu
vergießen. Indeß bemerkte man, baß er viel hagerer geworden war. Seine
Lippen zuckten, und von Zeit zu Zeit ging ein Schauder über seinen ganzen
Keuper. Sechs Wvcken hindurch wurden nach der Beerdigung alle Bettler
die nach Zaboria kamen, auf Kosten des Fürsten gespeist, auch vertheilte man
jeden Sonnabend Geld unter sie. Im Ganzen kostete die Bestattung nebst
Zubehör dreitausend Rubel.

Beim Leichenschmaus sprach Fürst Alexis in der erbaulichsten Weise mit
dem Archimandriten übet die heilige Schrift, über den Weg die Seele zu
retten und die Pflichten eines Christen. „Da war da meine arme Fürstin",
sagte er, „die lebte ein Leben der Demuth und Heiligkeit und bereitete sich
einen Platz im Reiche der Seligen." Dann setzte er hinzu, daß das Dasein
fürder für ihn keinen Reiz habe, daß er ohne sein Weib fortan nicht mehr
in der Weit existiren möge, und bat den Archimandriten, ihn in sein Kloster
aufzunehmen, er werde die Summe von vierzigtausend Rubeln mitbringen.

„Fassen Sie keinen übereilten Entschluß", sagte der Archimandrit. „Haben
Sie nicht für Ihren Sohn zu leben?"

„Was. den Borkal"*) fuhr der demüthige Fürst und Mönch in sxs
auf. „Des wird, wenn ihm sein Leben lieb ist, gut thun, sich hier nicht
sehen zu lassen. Der höllische Schurke! Er hat mich ruinirt und ist die Ur-
sache des Todes seiner Mutter. Er hat ewige Schande auf unsern Namen
gebracht. Ohne auf unsre Erlaubniß und auf den Segen seines Vaters zu
warten, hat er irgend eine Dirne ohne einen Heller Vermögen geheirathet.
eine Person, für die es eine Ehre gewesen wäre, meine Schweine zu hüten.
Dieser Hallunke ists. der die Fürstin ins Grab gebracht hat. Als sie davon
hörte, siel sie in Ohnmacht, die arme Frau, hatte einen Blutsturz und war
in derselben Stunde schon nicht mehr unter den Lebendigen, die liebe Taube."

„Umgeben von Trübsal sollten Sie sich in Demuth beugen. Fürst," re>
monstrirte der Archimandrit.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/433>, abgerufen am 23.07.2024.