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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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mehr. "Fono troppo vseelrio," antwortete er der Zumuthung. "per -zwo-
cars la eomsÄm un" sseoncla, volo." Dann wurde er krank, wieder gesund
und abermals krank. Im Cardinaiscollegium ist von wenig Anderm mehr die
Rede als von der Wahl eines neuen Papstes.

Italien aber denkt nickt an solche gleickgiltige Dinge. Die ganze Halb¬
insel mit Ausnahme des Vatikans, des Quinnals und einiger Hundert nea-
politanischer Brigantcn betet zum savoyiscken Kreuze, dem alten Symbol der
toskanischen freien Gemeinden. Die päpstliche Regierung ist ultramontcin.
ihre letzten Anhänger wohnen jenseits der Berge. . . .

Soweit Grün. Seitdem haben wir ein abermaliges non possuirms der
Sachwalter des päpstlichen Rechts gegenüber der Gerechtigkeit gehört,
welche der Geist der Weltgeschichte ist.

Mitte Januar hatte der französische Gesandte v. Lavalette eine Unter¬
redung mit Antonelli. um demselben den Wunsch seines Souveräns vorzu¬
tragen, daß Rom sich mit Italien versöhne, d. h. daß für Hingabe des welt¬
lichen Papstthums die Sttberheit und Unabhängigkeit des geistlichen Papst¬
thums vom König Italiens eingetauscht werde. Bei früheren Besprechungen
mit dem Papst selbst hatte der heilige Vater dieselben Vorschläge "mit rüh¬
render Bereitwilligkeit" und "mehr betrübt, als überrascht" angehört und in
gewohnter, durch sein ganzes Leben bethätigter Weise nur erwidert: "War-
ten wir die Ereignisse ab." Anders jetzt, wie immer Antonelli, das eigent¬
liche Mundstück des weltlichen Papstthums. Seine Antwort lautete kurz und
bündig: Jede Transaction zwischen dem heiligen Stuhl und denen, die ihn
beraubt haben, ist unmöglich. Weder dem Papst noch dem heiligen Kolle¬
gium steht es zu, auch nur den kleinsten Theil des Gebiets der Kirche ab¬
zutreten."

Der Beauftragte Napoleon's machte bemerklich, daß er die Rechtsfrage
außer Spiel lasse, daß er der päpstlichen Regierung lediglich Gelegenheit bie¬
ten wolle, aus der Lage zu kommen. die für ihre Interessen so traurig und
für den Frieden der Chrisienwelt so bedrohlich sei. Der Cardincü-Staats-
secretär dankte ironisch für das gezeigte Interesse, indem er hinzufügte, es sei
ungenau, daß zwischen dem Papst und Italien Uneinigkeit herrsche. Wenn
der heilige Vater mit dem Turiner Cabinet gebrochen habe, so seien die Be¬
ziehungen zu Italien vortrefflich. Er selbst sei Italiener, und der Erste der
Italiener dulde unter diesen Leiden, stehe mir Schmerz bei den grausamen
Prüfungen, welche die italienische Kirche betroffen.

Dann schloß der Sprecher des heiligen Collegiums: "Auf Unterhandlungen
mit den Räubern werden wir uns nicht einlassen. Jeder Vergleich auf diesem
Gebiet ist undenkbar. Der Papst wie die Cardinäle verpflichten sich vor ihrer
Ernennung eidlich, nichts von dem Territorium der Kirche abzutreten. Der


mehr. „Fono troppo vseelrio," antwortete er der Zumuthung. „per -zwo-
cars la eomsÄm un» sseoncla, volo." Dann wurde er krank, wieder gesund
und abermals krank. Im Cardinaiscollegium ist von wenig Anderm mehr die
Rede als von der Wahl eines neuen Papstes.

Italien aber denkt nickt an solche gleickgiltige Dinge. Die ganze Halb¬
insel mit Ausnahme des Vatikans, des Quinnals und einiger Hundert nea-
politanischer Brigantcn betet zum savoyiscken Kreuze, dem alten Symbol der
toskanischen freien Gemeinden. Die päpstliche Regierung ist ultramontcin.
ihre letzten Anhänger wohnen jenseits der Berge. . . .

Soweit Grün. Seitdem haben wir ein abermaliges non possuirms der
Sachwalter des päpstlichen Rechts gegenüber der Gerechtigkeit gehört,
welche der Geist der Weltgeschichte ist.

Mitte Januar hatte der französische Gesandte v. Lavalette eine Unter¬
redung mit Antonelli. um demselben den Wunsch seines Souveräns vorzu¬
tragen, daß Rom sich mit Italien versöhne, d. h. daß für Hingabe des welt¬
lichen Papstthums die Sttberheit und Unabhängigkeit des geistlichen Papst¬
thums vom König Italiens eingetauscht werde. Bei früheren Besprechungen
mit dem Papst selbst hatte der heilige Vater dieselben Vorschläge „mit rüh¬
render Bereitwilligkeit" und „mehr betrübt, als überrascht" angehört und in
gewohnter, durch sein ganzes Leben bethätigter Weise nur erwidert: „War-
ten wir die Ereignisse ab." Anders jetzt, wie immer Antonelli, das eigent¬
liche Mundstück des weltlichen Papstthums. Seine Antwort lautete kurz und
bündig: Jede Transaction zwischen dem heiligen Stuhl und denen, die ihn
beraubt haben, ist unmöglich. Weder dem Papst noch dem heiligen Kolle¬
gium steht es zu, auch nur den kleinsten Theil des Gebiets der Kirche ab¬
zutreten."

Der Beauftragte Napoleon's machte bemerklich, daß er die Rechtsfrage
außer Spiel lasse, daß er der päpstlichen Regierung lediglich Gelegenheit bie¬
ten wolle, aus der Lage zu kommen. die für ihre Interessen so traurig und
für den Frieden der Chrisienwelt so bedrohlich sei. Der Cardincü-Staats-
secretär dankte ironisch für das gezeigte Interesse, indem er hinzufügte, es sei
ungenau, daß zwischen dem Papst und Italien Uneinigkeit herrsche. Wenn
der heilige Vater mit dem Turiner Cabinet gebrochen habe, so seien die Be¬
ziehungen zu Italien vortrefflich. Er selbst sei Italiener, und der Erste der
Italiener dulde unter diesen Leiden, stehe mir Schmerz bei den grausamen
Prüfungen, welche die italienische Kirche betroffen.

Dann schloß der Sprecher des heiligen Collegiums: „Auf Unterhandlungen
mit den Räubern werden wir uns nicht einlassen. Jeder Vergleich auf diesem
Gebiet ist undenkbar. Der Papst wie die Cardinäle verpflichten sich vor ihrer
Ernennung eidlich, nichts von dem Territorium der Kirche abzutreten. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/357>, abgerufen am 23.07.2024.