Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wünschen, als Sie sich nicht entblöden, den Italienern in Aussicht zu stellen.
Ich frage Sie. ob ein solches System länger dauern sann, ohne die Christen¬
heit in der Tiefe ihres Herzens zu treffen."

Das also wäre die Z u kunst Roms und Italiens, die nach der Meinung
unseres Prälaten, der alle Kenner der italienischen Geschichte im Wesentlichen
beipflichten werden, in der Flasche mit dem Wiener Trank bereit gehalten wird.
Sie würde dem Volke Italiens von Neuem Alles nehmen, was das Leben
werth macht, und dem Papste nichts geben, als eine kurze Frist bis zu neuen
Krisen. Betrachten w>r jetzt mit Livercmi die Gegenwart, so werden wir
bei aller Abneigung vor Uebertreibungen begreifen, daß Palmerston sagen
konnte, Rom sei nie besser regiert worden als unter Mazzini*), und daß Rus¬
sell's Vergleich zwischen der päpstlichen Wirthschaft und der türkische" zu Gun¬
sten der letzteren auffiel. Und so werden wir den Schluß, zu dem unser Be¬
richterstatter gelangt! "Das Haus des Stellvertreters Christi ist ein Sumpfpfuhl
und eine Kloake von Skandal und schändlicher Ruchlosigkeit" nicht recht ästhe¬
tisch, vielleicht etwas unreinlich, aber kaum ungerecht finden.

Es klingt stärker, als wir in der Ferne uns ausdrücken würden, wenn Liverani
das vierte Kapitel seiner Schrift "das weltliche Fürstenthum der heiligen Kirche
die Beute einer Vetternschaft und Rotte unter dem Ministerium Antonelli"
überschreibt und der dort herrschenden Sippschaft wiederholt das Prädicat
"schuftig" ertheilt. Aber wenn wir mit ihm naher an dieses Regiment heran-
treten, werden wir doch kaum umhin können, seinen Eifer zu theilen und den
guten Ton -- wenn auch nur im Stillen -- bei Seite zu setzen vor der Noth¬
wendigkeit, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Im Nachstehenden
thun wir dies mit gewohnter Kaltblütigkeit und möglichster Rücksichtnahme
auf die Empfindung derer, die mit der vollen Wahrheit über das weltliche
Papstthum auch das geistliche verletzt sehen.

Es gab unter Benedict dem Dreizehnter eine Zeit, welche Montesquieu
als "die niederträchtige Tyrannei Bencvcnts" und Muratori als die Zeit der
"beneventinischen Aasgeier" bezeichnete, weil eine Clique von Prälaten aus
Benevent damals Kirche und Staat Roms an sich gerissen hatte, um sie auf
das Rücksichtsloseste für ihre persönlichen Zwecke auszubeuten. Diese greuel-
volle Periode scheint jetzt zurückgekehrt zu sein, nur mit dem Unterschied, daß
die Geier nicht aus Benevent, sondern von dem Felsen stammen, auf welchem
das bekannte Näubernest Sonnino liegt.

Nach den Beschlüssen der Kirchenversammlung von Basel und Kosemitz



') "Die republikanische Regierung hinterließ ansehnliche Summen, sogar in Silber", sagt
Reuchlin, "die Rechnungen waren geordneter als lange unter der Priesterregierung/' Jene
D, Red. ließ niemand wegen politischer Vergehen hinrichten, die römische Reaction Dutzende.

wünschen, als Sie sich nicht entblöden, den Italienern in Aussicht zu stellen.
Ich frage Sie. ob ein solches System länger dauern sann, ohne die Christen¬
heit in der Tiefe ihres Herzens zu treffen."

Das also wäre die Z u kunst Roms und Italiens, die nach der Meinung
unseres Prälaten, der alle Kenner der italienischen Geschichte im Wesentlichen
beipflichten werden, in der Flasche mit dem Wiener Trank bereit gehalten wird.
Sie würde dem Volke Italiens von Neuem Alles nehmen, was das Leben
werth macht, und dem Papste nichts geben, als eine kurze Frist bis zu neuen
Krisen. Betrachten w>r jetzt mit Livercmi die Gegenwart, so werden wir
bei aller Abneigung vor Uebertreibungen begreifen, daß Palmerston sagen
konnte, Rom sei nie besser regiert worden als unter Mazzini*), und daß Rus¬
sell's Vergleich zwischen der päpstlichen Wirthschaft und der türkische» zu Gun¬
sten der letzteren auffiel. Und so werden wir den Schluß, zu dem unser Be¬
richterstatter gelangt! „Das Haus des Stellvertreters Christi ist ein Sumpfpfuhl
und eine Kloake von Skandal und schändlicher Ruchlosigkeit" nicht recht ästhe¬
tisch, vielleicht etwas unreinlich, aber kaum ungerecht finden.

Es klingt stärker, als wir in der Ferne uns ausdrücken würden, wenn Liverani
das vierte Kapitel seiner Schrift „das weltliche Fürstenthum der heiligen Kirche
die Beute einer Vetternschaft und Rotte unter dem Ministerium Antonelli"
überschreibt und der dort herrschenden Sippschaft wiederholt das Prädicat
„schuftig" ertheilt. Aber wenn wir mit ihm naher an dieses Regiment heran-
treten, werden wir doch kaum umhin können, seinen Eifer zu theilen und den
guten Ton — wenn auch nur im Stillen — bei Seite zu setzen vor der Noth¬
wendigkeit, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Im Nachstehenden
thun wir dies mit gewohnter Kaltblütigkeit und möglichster Rücksichtnahme
auf die Empfindung derer, die mit der vollen Wahrheit über das weltliche
Papstthum auch das geistliche verletzt sehen.

Es gab unter Benedict dem Dreizehnter eine Zeit, welche Montesquieu
als „die niederträchtige Tyrannei Bencvcnts" und Muratori als die Zeit der
„beneventinischen Aasgeier" bezeichnete, weil eine Clique von Prälaten aus
Benevent damals Kirche und Staat Roms an sich gerissen hatte, um sie auf
das Rücksichtsloseste für ihre persönlichen Zwecke auszubeuten. Diese greuel-
volle Periode scheint jetzt zurückgekehrt zu sein, nur mit dem Unterschied, daß
die Geier nicht aus Benevent, sondern von dem Felsen stammen, auf welchem
das bekannte Näubernest Sonnino liegt.

Nach den Beschlüssen der Kirchenversammlung von Basel und Kosemitz



') „Die republikanische Regierung hinterließ ansehnliche Summen, sogar in Silber", sagt
Reuchlin, „die Rechnungen waren geordneter als lange unter der Priesterregierung/' Jene
D, Red. ließ niemand wegen politischer Vergehen hinrichten, die römische Reaction Dutzende.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113588"/>
          <p xml:id="ID_1049" prev="#ID_1048"> wünschen, als Sie sich nicht entblöden, den Italienern in Aussicht zu stellen.<lb/>
Ich frage Sie. ob ein solches System länger dauern sann, ohne die Christen¬<lb/>
heit in der Tiefe ihres Herzens zu treffen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1050"> Das also wäre die Z u kunst Roms und Italiens, die nach der Meinung<lb/>
unseres Prälaten, der alle Kenner der italienischen Geschichte im Wesentlichen<lb/>
beipflichten werden, in der Flasche mit dem Wiener Trank bereit gehalten wird.<lb/>
Sie würde dem Volke Italiens von Neuem Alles nehmen, was das Leben<lb/>
werth macht, und dem Papste nichts geben, als eine kurze Frist bis zu neuen<lb/>
Krisen. Betrachten w&gt;r jetzt mit Livercmi die Gegenwart, so werden wir<lb/>
bei aller Abneigung vor Uebertreibungen begreifen, daß Palmerston sagen<lb/>
konnte, Rom sei nie besser regiert worden als unter Mazzini*), und daß Rus¬<lb/>
sell's Vergleich zwischen der päpstlichen Wirthschaft und der türkische» zu Gun¬<lb/>
sten der letzteren auffiel. Und so werden wir den Schluß, zu dem unser Be¬<lb/>
richterstatter gelangt! &#x201E;Das Haus des Stellvertreters Christi ist ein Sumpfpfuhl<lb/>
und eine Kloake von Skandal und schändlicher Ruchlosigkeit" nicht recht ästhe¬<lb/>
tisch, vielleicht etwas unreinlich, aber kaum ungerecht finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1051"> Es klingt stärker, als wir in der Ferne uns ausdrücken würden, wenn Liverani<lb/>
das vierte Kapitel seiner Schrift &#x201E;das weltliche Fürstenthum der heiligen Kirche<lb/>
die Beute einer Vetternschaft und Rotte unter dem Ministerium Antonelli"<lb/>
überschreibt und der dort herrschenden Sippschaft wiederholt das Prädicat<lb/>
&#x201E;schuftig" ertheilt. Aber wenn wir mit ihm naher an dieses Regiment heran-<lb/>
treten, werden wir doch kaum umhin können, seinen Eifer zu theilen und den<lb/>
guten Ton &#x2014; wenn auch nur im Stillen &#x2014; bei Seite zu setzen vor der Noth¬<lb/>
wendigkeit, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Im Nachstehenden<lb/>
thun wir dies mit gewohnter Kaltblütigkeit und möglichster Rücksichtnahme<lb/>
auf die Empfindung derer, die mit der vollen Wahrheit über das weltliche<lb/>
Papstthum auch das geistliche verletzt sehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Es gab unter Benedict dem Dreizehnter eine Zeit, welche Montesquieu<lb/>
als &#x201E;die niederträchtige Tyrannei Bencvcnts" und Muratori als die Zeit der<lb/>
&#x201E;beneventinischen Aasgeier" bezeichnete, weil eine Clique von Prälaten aus<lb/>
Benevent damals Kirche und Staat Roms an sich gerissen hatte, um sie auf<lb/>
das Rücksichtsloseste für ihre persönlichen Zwecke auszubeuten. Diese greuel-<lb/>
volle Periode scheint jetzt zurückgekehrt zu sein, nur mit dem Unterschied, daß<lb/>
die Geier nicht aus Benevent, sondern von dem Felsen stammen, auf welchem<lb/>
das bekannte Näubernest Sonnino liegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Nach den Beschlüssen der Kirchenversammlung von Basel und Kosemitz</p><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> ') &#x201E;Die republikanische Regierung hinterließ ansehnliche Summen, sogar in Silber", sagt<lb/>
Reuchlin, &#x201E;die Rechnungen waren geordneter als lange unter der Priesterregierung/' Jene<lb/><note type="byline"> D, Red.</note> ließ niemand wegen politischer Vergehen hinrichten, die römische Reaction Dutzende. </note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0346] wünschen, als Sie sich nicht entblöden, den Italienern in Aussicht zu stellen. Ich frage Sie. ob ein solches System länger dauern sann, ohne die Christen¬ heit in der Tiefe ihres Herzens zu treffen." Das also wäre die Z u kunst Roms und Italiens, die nach der Meinung unseres Prälaten, der alle Kenner der italienischen Geschichte im Wesentlichen beipflichten werden, in der Flasche mit dem Wiener Trank bereit gehalten wird. Sie würde dem Volke Italiens von Neuem Alles nehmen, was das Leben werth macht, und dem Papste nichts geben, als eine kurze Frist bis zu neuen Krisen. Betrachten w>r jetzt mit Livercmi die Gegenwart, so werden wir bei aller Abneigung vor Uebertreibungen begreifen, daß Palmerston sagen konnte, Rom sei nie besser regiert worden als unter Mazzini*), und daß Rus¬ sell's Vergleich zwischen der päpstlichen Wirthschaft und der türkische» zu Gun¬ sten der letzteren auffiel. Und so werden wir den Schluß, zu dem unser Be¬ richterstatter gelangt! „Das Haus des Stellvertreters Christi ist ein Sumpfpfuhl und eine Kloake von Skandal und schändlicher Ruchlosigkeit" nicht recht ästhe¬ tisch, vielleicht etwas unreinlich, aber kaum ungerecht finden. Es klingt stärker, als wir in der Ferne uns ausdrücken würden, wenn Liverani das vierte Kapitel seiner Schrift „das weltliche Fürstenthum der heiligen Kirche die Beute einer Vetternschaft und Rotte unter dem Ministerium Antonelli" überschreibt und der dort herrschenden Sippschaft wiederholt das Prädicat „schuftig" ertheilt. Aber wenn wir mit ihm naher an dieses Regiment heran- treten, werden wir doch kaum umhin können, seinen Eifer zu theilen und den guten Ton — wenn auch nur im Stillen — bei Seite zu setzen vor der Noth¬ wendigkeit, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Im Nachstehenden thun wir dies mit gewohnter Kaltblütigkeit und möglichster Rücksichtnahme auf die Empfindung derer, die mit der vollen Wahrheit über das weltliche Papstthum auch das geistliche verletzt sehen. Es gab unter Benedict dem Dreizehnter eine Zeit, welche Montesquieu als „die niederträchtige Tyrannei Bencvcnts" und Muratori als die Zeit der „beneventinischen Aasgeier" bezeichnete, weil eine Clique von Prälaten aus Benevent damals Kirche und Staat Roms an sich gerissen hatte, um sie auf das Rücksichtsloseste für ihre persönlichen Zwecke auszubeuten. Diese greuel- volle Periode scheint jetzt zurückgekehrt zu sein, nur mit dem Unterschied, daß die Geier nicht aus Benevent, sondern von dem Felsen stammen, auf welchem das bekannte Näubernest Sonnino liegt. Nach den Beschlüssen der Kirchenversammlung von Basel und Kosemitz ') „Die republikanische Regierung hinterließ ansehnliche Summen, sogar in Silber", sagt Reuchlin, „die Rechnungen waren geordneter als lange unter der Priesterregierung/' Jene D, Red. ließ niemand wegen politischer Vergehen hinrichten, die römische Reaction Dutzende.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/346
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/346>, abgerufen am 23.07.2024.