Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.griffnen und seine Partei wirkten sie wohl nur wie die Pfeilschüsse und Schleu- Das weltliche Papstthum ist krank, ist am Verscheiden. Man wird es "Die Restauration", so ruft Liverani dem Grafen Montalembert, der Grenzboten I. 1662. 43
griffnen und seine Partei wirkten sie wohl nur wie die Pfeilschüsse und Schleu- Das weltliche Papstthum ist krank, ist am Verscheiden. Man wird es „Die Restauration", so ruft Liverani dem Grafen Montalembert, der Grenzboten I. 1662. 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0345" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113587"/> <p xml:id="ID_1046" prev="#ID_1045"> griffnen und seine Partei wirkten sie wohl nur wie die Pfeilschüsse und Schleu-<lb/> verwürfe eines leichten Plänklers. Der römische Monsignore dagegen mit<lb/> seinem langathmigen, etwas alterthümlichen Pathos, seiner tiefinnerlichen Ent¬<lb/> rüstung, seinen oft naiven Bekenntnissen stürmt auf unser Urtheil wie ein<lb/> schwerer Hoplit heran.</p><lb/> <p xml:id="ID_1047"> Das weltliche Papstthum ist krank, ist am Verscheiden. Man wird es<lb/> begraben müssen, wenn seine Gönner und Aerzte nicht bald ein Mittel aus¬<lb/> findig machen, ihm neue Lebenskraft einzuflößen. Der Wiener Trank der<lb/> Restauration wird es nicht thun. Er kann nur der Krankheit das Leben<lb/> fristen. Heilen würde nur die Arznei der Reform, und für diese hat der<lb/> Kranke nur ein Wort, wird und kann er immer nur ein Wort haben: von<lb/> possumus!</p><lb/> <p xml:id="ID_1048" next="#ID_1049"> „Die Restauration", so ruft Liverani dem Grafen Montalembert, der<lb/> Realist dem romantischen Idealisten, der Römer dem Römling zu, „die Restau¬<lb/> ration bei uns heißt eine unversöhnliche Aechtung, welche den Vätern die Fa¬<lb/> milie, den Söhnen den Lebensunterhalt. Allen das Vaterland, das Behagen<lb/> des Hauses und jene Luft und jenen Himmel entreißt, den die Vorsehung<lb/> für uns erschaffen hat. Die Restauration heißt die Croaten. die in der Romagna<lb/> tagtäglich ohne Rücksicht auf Alter, Rang und Geschlecht Ruthenstreiche aus¬<lb/> theilen. Die Restauration heißt Verbannung, Einkerkerung, Gütcreinzichung,<lb/> Hirtenbriefe, unterirdische Verschwörungen (Carbonari). geheime Verbindungen<lb/> (Sanfedisten). die in jede Faser des menschlichen Verkehrs eindringen und<lb/> unsre ohnehin schon verdorbenen und verkommenen gesellschaftlichen Zustände<lb/> noch mehr zerfressen und beschmutzen. Die Restauration, das bedeutet gebrochne<lb/> Zusagen der Fürsten, verletzte Eide der Könige, neue Antonelli. neue Galli<lb/> (s. u.), neue Banken, neue Monopolisten, <M äsvoiÄlit pledem in«zam ut eseam<lb/> p-mis. Die Restauration, das bedeutet sür uns Dolche, Kartätschen, Musketen.<lb/> Bomben und alle Gräuel des Bürgerkriegs, Heimsuchung des platten Lande<lb/> durch Räuber, der Städte durch Meuchelmörder, Verwandlung des ganzen Ge-<lb/> viets in einen Schauplatz grauenvoller Verbrechen. Die Restauration, das<lb/> bedeutet einen unaufhörlichen Wechsel von Aufstand und Aechtung. von Em¬<lb/> pörungen. Monitorien und Excomunicationen. verlachten Bullen, Zeitungswitzc-<lb/> leien über die Responsen der Penitenzeria. Abwendung unserer Jugend von<lb/> den Werken der Gottesfurcht, vielleicht auf Nimmerwiederkehr. Es ist jetzt<lb/> das dritte oder vierte Mal. daß uns das Schauspiel eines vom Papst ver¬<lb/> fluchten Italiens betrübt. Das gegenwärtige Bullarium ist nur noch ein<lb/> Nachschlagebuch von tadelnden Urtheilen, die Zeitgeschichte nur noch eine Ver¬<lb/> spottung und Verhöhnung derselben. Und nun frage ich Sie. als Staatsmann<lb/> von gesundem Menschenverstand, als katholischen Philosophen, ob Sie den er¬<lb/> forderlichen Muth besitzen, um den Feinden Frankreichs so viel Uebles anzu-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1662. 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0345]
griffnen und seine Partei wirkten sie wohl nur wie die Pfeilschüsse und Schleu-
verwürfe eines leichten Plänklers. Der römische Monsignore dagegen mit
seinem langathmigen, etwas alterthümlichen Pathos, seiner tiefinnerlichen Ent¬
rüstung, seinen oft naiven Bekenntnissen stürmt auf unser Urtheil wie ein
schwerer Hoplit heran.
Das weltliche Papstthum ist krank, ist am Verscheiden. Man wird es
begraben müssen, wenn seine Gönner und Aerzte nicht bald ein Mittel aus¬
findig machen, ihm neue Lebenskraft einzuflößen. Der Wiener Trank der
Restauration wird es nicht thun. Er kann nur der Krankheit das Leben
fristen. Heilen würde nur die Arznei der Reform, und für diese hat der
Kranke nur ein Wort, wird und kann er immer nur ein Wort haben: von
possumus!
„Die Restauration", so ruft Liverani dem Grafen Montalembert, der
Realist dem romantischen Idealisten, der Römer dem Römling zu, „die Restau¬
ration bei uns heißt eine unversöhnliche Aechtung, welche den Vätern die Fa¬
milie, den Söhnen den Lebensunterhalt. Allen das Vaterland, das Behagen
des Hauses und jene Luft und jenen Himmel entreißt, den die Vorsehung
für uns erschaffen hat. Die Restauration heißt die Croaten. die in der Romagna
tagtäglich ohne Rücksicht auf Alter, Rang und Geschlecht Ruthenstreiche aus¬
theilen. Die Restauration heißt Verbannung, Einkerkerung, Gütcreinzichung,
Hirtenbriefe, unterirdische Verschwörungen (Carbonari). geheime Verbindungen
(Sanfedisten). die in jede Faser des menschlichen Verkehrs eindringen und
unsre ohnehin schon verdorbenen und verkommenen gesellschaftlichen Zustände
noch mehr zerfressen und beschmutzen. Die Restauration, das bedeutet gebrochne
Zusagen der Fürsten, verletzte Eide der Könige, neue Antonelli. neue Galli
(s. u.), neue Banken, neue Monopolisten, <M äsvoiÄlit pledem in«zam ut eseam
p-mis. Die Restauration, das bedeutet sür uns Dolche, Kartätschen, Musketen.
Bomben und alle Gräuel des Bürgerkriegs, Heimsuchung des platten Lande
durch Räuber, der Städte durch Meuchelmörder, Verwandlung des ganzen Ge-
viets in einen Schauplatz grauenvoller Verbrechen. Die Restauration, das
bedeutet einen unaufhörlichen Wechsel von Aufstand und Aechtung. von Em¬
pörungen. Monitorien und Excomunicationen. verlachten Bullen, Zeitungswitzc-
leien über die Responsen der Penitenzeria. Abwendung unserer Jugend von
den Werken der Gottesfurcht, vielleicht auf Nimmerwiederkehr. Es ist jetzt
das dritte oder vierte Mal. daß uns das Schauspiel eines vom Papst ver¬
fluchten Italiens betrübt. Das gegenwärtige Bullarium ist nur noch ein
Nachschlagebuch von tadelnden Urtheilen, die Zeitgeschichte nur noch eine Ver¬
spottung und Verhöhnung derselben. Und nun frage ich Sie. als Staatsmann
von gesundem Menschenverstand, als katholischen Philosophen, ob Sie den er¬
forderlichen Muth besitzen, um den Feinden Frankreichs so viel Uebles anzu-
Grenzboten I. 1662. 43
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