Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sind allen höhern Beamten des heiligen Stuhles aus der gesammten katho-
lischen Christenheit zu wählen, und wir wissen, daß diese Vorschrift früher
wirklich in gewissem Maß befolgt wurde. Später beachtete man das Gesetz
weniger. Jetzt -- man vergliche die Listen Liverani's -- sind fast alle Stel-
len und Würden im Patrimonium Petri mit Männern aus Rom selbst und
dessen nächster Umgegend und die wichtigsten und einträglichsten davon (das
Waffenministerium ausgenommen) mit Gliedern der Clique von Sonnino,
d. h. mit Angehörigen der Familie Antonelli besetzt.

Wir sehen uns das Collegium der Cardinäle an und bemerken, daß die
weitüberwiegende Mehrzahl der Eminenzen aus den Abruzzen, aus Campanien,
der Comarca und Rom selbst stammt, daß die edelsten Provinzen und Städte
Mittelitaliens. Bologna, Ferrara, Ravenna, Forli, Urbino. Pesaro und Perugia
Niemand in der Prälatur haben, daß der in der Ferne lebende Cardinal
Wiseman der einzige wirkliche Gelehrte unter den hochwürdigsten Röth-
mänteln ist. Die besten von den in Rom wohnenden Cardinälen sind
der Benctianer nardi und der Corse Peraldi, obgleich sie schroffe Reactio-
näre sind. Unter den übrigen gibt es weder eiuen hervorragenden Theo¬
logen noch einen bedeutenden Juristen noch sonst ein Talent der Erwäh¬
nung werth. Pocht man bei ihnen an, so trifft man höchstens etwas
Advocatenpfiffigkeit und Kanzleigewandtheit. Ja von Antonelli erzählt Li-
verani sogar eine Anekdote, aus der man schließen möchte, der Premierminister
Pio Nouv's könne nicht einmal richtig Latein lesen.

Wir schlagen das Verzeichniß der höhern Staatsbeamten auf und lesen:
Giacomo Antonelli. Staatssecretär und Präfect der heiligen apostolischen
Paläste, aus Sonnino, Graf Filippo Antonelli. Finanzrath und Gouverneur
der römischen Bank, Bruder des Borigen, aus Sonnino. Graf Luigi Anto¬
nelli, Conservator. d. h. Verwalter der Stadtkasse von Rom. Brütet des
Vorigen, aus Sonnino. Ein anderer Bruder ist Großhändler mit Lebens¬
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Magazine leer oder
gefüllt sind, die auffallendsten Ausfuhrverbote erlassen, die unbegreiflichster!
Zollerleichtcrungen verkündigt. In der That, man darf sich beinahe wundern,
daß der Premierminister nicht auch seinen Herrn Oheim, den vielgenannten
Räuberhauptmann Gasparrone mit einer Stelle bedacht hat, der wegen Mor¬
des zu Civita Castellana im Thurm sitzt. Die Verwaltung des Kirchenstaats
und die Familie Antonelli wären dann völlig ein und dasselbe.

Indeß ist schon die jetzige Zusammensetzung der Firma Antonelli gut
genug für diese und schlimm genug für das römische Volk. Die Bank ist
das sagt nicht blos Livcrani -- vollkommen zum Monopol der Gebrüder von
Sonnino geworden, und sie nutzen mit ihr den Rest des Kirchenstaats nach
wahrhaft türkischer Methode aus. Das Statut derselben wurde von Giova-


4Z*

sind allen höhern Beamten des heiligen Stuhles aus der gesammten katho-
lischen Christenheit zu wählen, und wir wissen, daß diese Vorschrift früher
wirklich in gewissem Maß befolgt wurde. Später beachtete man das Gesetz
weniger. Jetzt — man vergliche die Listen Liverani's — sind fast alle Stel-
len und Würden im Patrimonium Petri mit Männern aus Rom selbst und
dessen nächster Umgegend und die wichtigsten und einträglichsten davon (das
Waffenministerium ausgenommen) mit Gliedern der Clique von Sonnino,
d. h. mit Angehörigen der Familie Antonelli besetzt.

Wir sehen uns das Collegium der Cardinäle an und bemerken, daß die
weitüberwiegende Mehrzahl der Eminenzen aus den Abruzzen, aus Campanien,
der Comarca und Rom selbst stammt, daß die edelsten Provinzen und Städte
Mittelitaliens. Bologna, Ferrara, Ravenna, Forli, Urbino. Pesaro und Perugia
Niemand in der Prälatur haben, daß der in der Ferne lebende Cardinal
Wiseman der einzige wirkliche Gelehrte unter den hochwürdigsten Röth-
mänteln ist. Die besten von den in Rom wohnenden Cardinälen sind
der Benctianer nardi und der Corse Peraldi, obgleich sie schroffe Reactio-
näre sind. Unter den übrigen gibt es weder eiuen hervorragenden Theo¬
logen noch einen bedeutenden Juristen noch sonst ein Talent der Erwäh¬
nung werth. Pocht man bei ihnen an, so trifft man höchstens etwas
Advocatenpfiffigkeit und Kanzleigewandtheit. Ja von Antonelli erzählt Li-
verani sogar eine Anekdote, aus der man schließen möchte, der Premierminister
Pio Nouv's könne nicht einmal richtig Latein lesen.

Wir schlagen das Verzeichniß der höhern Staatsbeamten auf und lesen:
Giacomo Antonelli. Staatssecretär und Präfect der heiligen apostolischen
Paläste, aus Sonnino, Graf Filippo Antonelli. Finanzrath und Gouverneur
der römischen Bank, Bruder des Borigen, aus Sonnino. Graf Luigi Anto¬
nelli, Conservator. d. h. Verwalter der Stadtkasse von Rom. Brütet des
Vorigen, aus Sonnino. Ein anderer Bruder ist Großhändler mit Lebens¬
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Magazine leer oder
gefüllt sind, die auffallendsten Ausfuhrverbote erlassen, die unbegreiflichster!
Zollerleichtcrungen verkündigt. In der That, man darf sich beinahe wundern,
daß der Premierminister nicht auch seinen Herrn Oheim, den vielgenannten
Räuberhauptmann Gasparrone mit einer Stelle bedacht hat, der wegen Mor¬
des zu Civita Castellana im Thurm sitzt. Die Verwaltung des Kirchenstaats
und die Familie Antonelli wären dann völlig ein und dasselbe.

Indeß ist schon die jetzige Zusammensetzung der Firma Antonelli gut
genug für diese und schlimm genug für das römische Volk. Die Bank ist
das sagt nicht blos Livcrani — vollkommen zum Monopol der Gebrüder von
Sonnino geworden, und sie nutzen mit ihr den Rest des Kirchenstaats nach
wahrhaft türkischer Methode aus. Das Statut derselben wurde von Giova-


4Z*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113589"/>
          <p xml:id="ID_1054" prev="#ID_1053"> sind allen höhern Beamten des heiligen Stuhles aus der gesammten katho-<lb/>
lischen Christenheit zu wählen, und wir wissen, daß diese Vorschrift früher<lb/>
wirklich in gewissem Maß befolgt wurde. Später beachtete man das Gesetz<lb/>
weniger. Jetzt &#x2014; man vergliche die Listen Liverani's &#x2014; sind fast alle Stel-<lb/>
len und Würden im Patrimonium Petri mit Männern aus Rom selbst und<lb/>
dessen nächster Umgegend und die wichtigsten und einträglichsten davon (das<lb/>
Waffenministerium ausgenommen) mit Gliedern der Clique von Sonnino,<lb/>
d. h. mit Angehörigen der Familie Antonelli besetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1055"> Wir sehen uns das Collegium der Cardinäle an und bemerken, daß die<lb/>
weitüberwiegende Mehrzahl der Eminenzen aus den Abruzzen, aus Campanien,<lb/>
der Comarca und Rom selbst stammt, daß die edelsten Provinzen und Städte<lb/>
Mittelitaliens. Bologna, Ferrara, Ravenna, Forli, Urbino. Pesaro und Perugia<lb/>
Niemand in der Prälatur haben, daß der in der Ferne lebende Cardinal<lb/>
Wiseman der einzige wirkliche Gelehrte unter den hochwürdigsten Röth-<lb/>
mänteln ist. Die besten von den in Rom wohnenden Cardinälen sind<lb/>
der Benctianer nardi und der Corse Peraldi, obgleich sie schroffe Reactio-<lb/>
näre sind. Unter den übrigen gibt es weder eiuen hervorragenden Theo¬<lb/>
logen noch einen bedeutenden Juristen noch sonst ein Talent der Erwäh¬<lb/>
nung werth. Pocht man bei ihnen an, so trifft man höchstens etwas<lb/>
Advocatenpfiffigkeit und Kanzleigewandtheit. Ja von Antonelli erzählt Li-<lb/>
verani sogar eine Anekdote, aus der man schließen möchte, der Premierminister<lb/>
Pio Nouv's könne nicht einmal richtig Latein lesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1056"> Wir schlagen das Verzeichniß der höhern Staatsbeamten auf und lesen:<lb/>
Giacomo Antonelli. Staatssecretär und Präfect der heiligen apostolischen<lb/>
Paläste, aus Sonnino, Graf Filippo Antonelli. Finanzrath und Gouverneur<lb/>
der römischen Bank, Bruder des Borigen, aus Sonnino. Graf Luigi Anto¬<lb/>
nelli, Conservator. d. h. Verwalter der Stadtkasse von Rom. Brütet des<lb/>
Vorigen, aus Sonnino. Ein anderer Bruder ist Großhändler mit Lebens¬<lb/>
mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Magazine leer oder<lb/>
gefüllt sind, die auffallendsten Ausfuhrverbote erlassen, die unbegreiflichster!<lb/>
Zollerleichtcrungen verkündigt. In der That, man darf sich beinahe wundern,<lb/>
daß der Premierminister nicht auch seinen Herrn Oheim, den vielgenannten<lb/>
Räuberhauptmann Gasparrone mit einer Stelle bedacht hat, der wegen Mor¬<lb/>
des zu Civita Castellana im Thurm sitzt. Die Verwaltung des Kirchenstaats<lb/>
und die Familie Antonelli wären dann völlig ein und dasselbe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1057" next="#ID_1058"> Indeß ist schon die jetzige Zusammensetzung der Firma Antonelli gut<lb/>
genug für diese und schlimm genug für das römische Volk.  Die Bank ist<lb/>
das sagt nicht blos Livcrani &#x2014; vollkommen zum Monopol der Gebrüder von<lb/>
Sonnino geworden, und sie nutzen mit ihr den Rest des Kirchenstaats nach<lb/>
wahrhaft türkischer Methode aus. Das Statut derselben wurde von Giova-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 4Z*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] sind allen höhern Beamten des heiligen Stuhles aus der gesammten katho- lischen Christenheit zu wählen, und wir wissen, daß diese Vorschrift früher wirklich in gewissem Maß befolgt wurde. Später beachtete man das Gesetz weniger. Jetzt — man vergliche die Listen Liverani's — sind fast alle Stel- len und Würden im Patrimonium Petri mit Männern aus Rom selbst und dessen nächster Umgegend und die wichtigsten und einträglichsten davon (das Waffenministerium ausgenommen) mit Gliedern der Clique von Sonnino, d. h. mit Angehörigen der Familie Antonelli besetzt. Wir sehen uns das Collegium der Cardinäle an und bemerken, daß die weitüberwiegende Mehrzahl der Eminenzen aus den Abruzzen, aus Campanien, der Comarca und Rom selbst stammt, daß die edelsten Provinzen und Städte Mittelitaliens. Bologna, Ferrara, Ravenna, Forli, Urbino. Pesaro und Perugia Niemand in der Prälatur haben, daß der in der Ferne lebende Cardinal Wiseman der einzige wirkliche Gelehrte unter den hochwürdigsten Röth- mänteln ist. Die besten von den in Rom wohnenden Cardinälen sind der Benctianer nardi und der Corse Peraldi, obgleich sie schroffe Reactio- näre sind. Unter den übrigen gibt es weder eiuen hervorragenden Theo¬ logen noch einen bedeutenden Juristen noch sonst ein Talent der Erwäh¬ nung werth. Pocht man bei ihnen an, so trifft man höchstens etwas Advocatenpfiffigkeit und Kanzleigewandtheit. Ja von Antonelli erzählt Li- verani sogar eine Anekdote, aus der man schließen möchte, der Premierminister Pio Nouv's könne nicht einmal richtig Latein lesen. Wir schlagen das Verzeichniß der höhern Staatsbeamten auf und lesen: Giacomo Antonelli. Staatssecretär und Präfect der heiligen apostolischen Paläste, aus Sonnino, Graf Filippo Antonelli. Finanzrath und Gouverneur der römischen Bank, Bruder des Borigen, aus Sonnino. Graf Luigi Anto¬ nelli, Conservator. d. h. Verwalter der Stadtkasse von Rom. Brütet des Vorigen, aus Sonnino. Ein anderer Bruder ist Großhändler mit Lebens¬ mitteln, und zu seinen Gunsten werden, je nachdem seine Magazine leer oder gefüllt sind, die auffallendsten Ausfuhrverbote erlassen, die unbegreiflichster! Zollerleichtcrungen verkündigt. In der That, man darf sich beinahe wundern, daß der Premierminister nicht auch seinen Herrn Oheim, den vielgenannten Räuberhauptmann Gasparrone mit einer Stelle bedacht hat, der wegen Mor¬ des zu Civita Castellana im Thurm sitzt. Die Verwaltung des Kirchenstaats und die Familie Antonelli wären dann völlig ein und dasselbe. Indeß ist schon die jetzige Zusammensetzung der Firma Antonelli gut genug für diese und schlimm genug für das römische Volk. Die Bank ist das sagt nicht blos Livcrani — vollkommen zum Monopol der Gebrüder von Sonnino geworden, und sie nutzen mit ihr den Rest des Kirchenstaats nach wahrhaft türkischer Methode aus. Das Statut derselben wurde von Giova- 4Z*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/347>, abgerufen am 28.12.2024.