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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Virginien, welche nur wenig Baumwolle bauen, würde- man Mais und
Schweinefleisch haben können,, aber in keinem der Baumwollenstaaten, Die
Neger würden bei dem Vorrücken der nördlichen Armeen fortgeschafft, alle
Vorräthe entweder ebenfalls weggebracht oder zerstört werden. Man winde
Verbindungen offen halten müssen über fünfzig, sechzig, hundert deutsche Mei¬
len feindlichen Landes, und man hätte alle Zufuhren für ein großes Heer
von den freien Staaten zu beziehen. Es ist möglich, daß alle diese Schwierig¬
keiten überwunden werden, aber es ist wahrscheinlicher, daß von einer Expe¬
dition in das Herz der Baumwollenstaaten Wenige zurückkehren würden, es
sei denn als Kriegsgefangne.

Der Norden kann gegen diesen mißlichen Stand der Dinge nicht völlig
verblendet sein. So lange er auf Grund der Annahme handelte, daß die
Revolution schwach und unpopulär im Süden sei und sich leicht erdrücken
lassen werde, schien es nickt undenkbar, daß man. aufgeweckt aus diesem
Traum, plötzlich zu entgegengesetzten Vorstellungen umspringen, die Aufgabe
für unausführbar ansehen und sich zur Einwilligung in die Trennung bereit
zeigen werde. Aber jetzt herrscht nach allen Berichten eine völlig andere Mei¬
nung in Betreff der Schwierigkeiten, denen man zu begegnen hat. Man hat
vier Treffen verloren. Der alte Winsield Scott hat den Erwartungen, die
man auf Grund seiner Siege in Mexiko von ihm hegte, nicht entsprochen.
Der beliebte Feldherr im Westen, Lyon, ist geschlagen worden und gefallen.
Der Oberbefehlshaber im westlichen Departement, Fremont, auf dem nament¬
lich die Hoffnung des jüngern Geschlechts ruhte, hat mehre große Mißgriffe
gemacht und ist abberufen worden. Man hat von dem Festland der auf¬
ständischen Staaten bis jetzt höchstens ein paar Quadrntmeilen in die Gewalt
der Centralregierung zurückgebracht. In der That, es ist jedenfalls einem
großen Theil, wo nicht der Mehrheit aller Urtheilsfähigen im Norden zum
Bewußtsein gekommen, daß der Krieg jahrelang währen wird.

Und doch was finden wir? Schrecken sie entsetzt zurück vor dieser Aus¬
sicht? Wir müssen nach Allem, was wir wissen, mit Nein antworten. Aller¬
dings sind die Meinungen in den untern Schichten der Gesellschaft getheilt.
Von den Handwerkern und kleinen Kaufleuten, den Krämern. Kellnern. Schenk¬
wirthen. Tagelöhnern und Bummlern, welche die große Mehrheit der städti¬
schen Bevölkerung ausmachen, sind natürlich viele von der kriegerischen Be¬
geisterung des Tages ergriffen und halten es für Pflicht, sich für die Ehre
der "Sterne und Streifen", für die "glorreiche Union" und ähnliche Stich¬
wörter bis aufs Messer zu schlagen, ohne eine klare Idee von dem zu besitzen,
was sich hinter diesen Stichwörtern birgt, und wofür sie eigentlich kämpfen.
Aus diesen Leuten wie aus der Klasse der Arbeitslosen ist die Armee zu¬
sammengesetzt. Aber ein anderer nicht kleinerer, ja vielleicht größerer Theil


Virginien, welche nur wenig Baumwolle bauen, würde- man Mais und
Schweinefleisch haben können,, aber in keinem der Baumwollenstaaten, Die
Neger würden bei dem Vorrücken der nördlichen Armeen fortgeschafft, alle
Vorräthe entweder ebenfalls weggebracht oder zerstört werden. Man winde
Verbindungen offen halten müssen über fünfzig, sechzig, hundert deutsche Mei¬
len feindlichen Landes, und man hätte alle Zufuhren für ein großes Heer
von den freien Staaten zu beziehen. Es ist möglich, daß alle diese Schwierig¬
keiten überwunden werden, aber es ist wahrscheinlicher, daß von einer Expe¬
dition in das Herz der Baumwollenstaaten Wenige zurückkehren würden, es
sei denn als Kriegsgefangne.

Der Norden kann gegen diesen mißlichen Stand der Dinge nicht völlig
verblendet sein. So lange er auf Grund der Annahme handelte, daß die
Revolution schwach und unpopulär im Süden sei und sich leicht erdrücken
lassen werde, schien es nickt undenkbar, daß man. aufgeweckt aus diesem
Traum, plötzlich zu entgegengesetzten Vorstellungen umspringen, die Aufgabe
für unausführbar ansehen und sich zur Einwilligung in die Trennung bereit
zeigen werde. Aber jetzt herrscht nach allen Berichten eine völlig andere Mei¬
nung in Betreff der Schwierigkeiten, denen man zu begegnen hat. Man hat
vier Treffen verloren. Der alte Winsield Scott hat den Erwartungen, die
man auf Grund seiner Siege in Mexiko von ihm hegte, nicht entsprochen.
Der beliebte Feldherr im Westen, Lyon, ist geschlagen worden und gefallen.
Der Oberbefehlshaber im westlichen Departement, Fremont, auf dem nament¬
lich die Hoffnung des jüngern Geschlechts ruhte, hat mehre große Mißgriffe
gemacht und ist abberufen worden. Man hat von dem Festland der auf¬
ständischen Staaten bis jetzt höchstens ein paar Quadrntmeilen in die Gewalt
der Centralregierung zurückgebracht. In der That, es ist jedenfalls einem
großen Theil, wo nicht der Mehrheit aller Urtheilsfähigen im Norden zum
Bewußtsein gekommen, daß der Krieg jahrelang währen wird.

Und doch was finden wir? Schrecken sie entsetzt zurück vor dieser Aus¬
sicht? Wir müssen nach Allem, was wir wissen, mit Nein antworten. Aller¬
dings sind die Meinungen in den untern Schichten der Gesellschaft getheilt.
Von den Handwerkern und kleinen Kaufleuten, den Krämern. Kellnern. Schenk¬
wirthen. Tagelöhnern und Bummlern, welche die große Mehrheit der städti¬
schen Bevölkerung ausmachen, sind natürlich viele von der kriegerischen Be¬
geisterung des Tages ergriffen und halten es für Pflicht, sich für die Ehre
der „Sterne und Streifen", für die „glorreiche Union" und ähnliche Stich¬
wörter bis aufs Messer zu schlagen, ohne eine klare Idee von dem zu besitzen,
was sich hinter diesen Stichwörtern birgt, und wofür sie eigentlich kämpfen.
Aus diesen Leuten wie aus der Klasse der Arbeitslosen ist die Armee zu¬
sammengesetzt. Aber ein anderer nicht kleinerer, ja vielleicht größerer Theil


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[0133] Virginien, welche nur wenig Baumwolle bauen, würde- man Mais und Schweinefleisch haben können,, aber in keinem der Baumwollenstaaten, Die Neger würden bei dem Vorrücken der nördlichen Armeen fortgeschafft, alle Vorräthe entweder ebenfalls weggebracht oder zerstört werden. Man winde Verbindungen offen halten müssen über fünfzig, sechzig, hundert deutsche Mei¬ len feindlichen Landes, und man hätte alle Zufuhren für ein großes Heer von den freien Staaten zu beziehen. Es ist möglich, daß alle diese Schwierig¬ keiten überwunden werden, aber es ist wahrscheinlicher, daß von einer Expe¬ dition in das Herz der Baumwollenstaaten Wenige zurückkehren würden, es sei denn als Kriegsgefangne. Der Norden kann gegen diesen mißlichen Stand der Dinge nicht völlig verblendet sein. So lange er auf Grund der Annahme handelte, daß die Revolution schwach und unpopulär im Süden sei und sich leicht erdrücken lassen werde, schien es nickt undenkbar, daß man. aufgeweckt aus diesem Traum, plötzlich zu entgegengesetzten Vorstellungen umspringen, die Aufgabe für unausführbar ansehen und sich zur Einwilligung in die Trennung bereit zeigen werde. Aber jetzt herrscht nach allen Berichten eine völlig andere Mei¬ nung in Betreff der Schwierigkeiten, denen man zu begegnen hat. Man hat vier Treffen verloren. Der alte Winsield Scott hat den Erwartungen, die man auf Grund seiner Siege in Mexiko von ihm hegte, nicht entsprochen. Der beliebte Feldherr im Westen, Lyon, ist geschlagen worden und gefallen. Der Oberbefehlshaber im westlichen Departement, Fremont, auf dem nament¬ lich die Hoffnung des jüngern Geschlechts ruhte, hat mehre große Mißgriffe gemacht und ist abberufen worden. Man hat von dem Festland der auf¬ ständischen Staaten bis jetzt höchstens ein paar Quadrntmeilen in die Gewalt der Centralregierung zurückgebracht. In der That, es ist jedenfalls einem großen Theil, wo nicht der Mehrheit aller Urtheilsfähigen im Norden zum Bewußtsein gekommen, daß der Krieg jahrelang währen wird. Und doch was finden wir? Schrecken sie entsetzt zurück vor dieser Aus¬ sicht? Wir müssen nach Allem, was wir wissen, mit Nein antworten. Aller¬ dings sind die Meinungen in den untern Schichten der Gesellschaft getheilt. Von den Handwerkern und kleinen Kaufleuten, den Krämern. Kellnern. Schenk¬ wirthen. Tagelöhnern und Bummlern, welche die große Mehrheit der städti¬ schen Bevölkerung ausmachen, sind natürlich viele von der kriegerischen Be¬ geisterung des Tages ergriffen und halten es für Pflicht, sich für die Ehre der „Sterne und Streifen", für die „glorreiche Union" und ähnliche Stich¬ wörter bis aufs Messer zu schlagen, ohne eine klare Idee von dem zu besitzen, was sich hinter diesen Stichwörtern birgt, und wofür sie eigentlich kämpfen. Aus diesen Leuten wie aus der Klasse der Arbeitslosen ist die Armee zu¬ sammengesetzt. Aber ein anderer nicht kleinerer, ja vielleicht größerer Theil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/133>, abgerufen am 23.07.2024.