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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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erlaubt, in die Hnlbirnng ihres mächtig gedehnten Gebietes zu willigen, und
welche befürchten, daß, indem an ihren Grenzen eine mächtige, ihnen feind¬
lich gesinnte Nation entsteht, indem als Folge dessen die Nothwendigkeit eines
großen stehenden Heeres sich herausstellt, und der Handel mit dem Süden ge¬
mindert wird, ihre Interessen leiden werden. Es ist durchaus natürlich, daß
sie gegen solche Eventualitäten kämpfen, es liegt in der menschlichen Natur,
daß man für das streitet, was man für sein Interesse ansieht; aber ich pro-
testire gegen die Heuchelei, welche Englands Wohlwollen auf den falschen
Grund hin beansprucht, daß der Krieg im Interesse der Sklaven unternommen
worden. Und diese Meinung würde nicht im Mindesten geändert werden,
wenn das Ergebniß des Krieges die Emancipation der Neger wäre. Findet
sie statt, so ist sie ein Ereigniß, welches vom Süden wie vom Norden von An¬
fang an ebensowenig beabsichtigt worden ist, als die Entwickelung der süd.
lichen Fabrikthätigkeit oder die Verschüttung der Einfahrten zu den südlichen
Häfen."

Wir glauben, daß diese Ansicht im Wesentlichen das Rechte trifft. Es
ist nicht die entfernteste Möglichkeit, daß eine der beiden Parteien nachgeben
wird, bevor der Winterfeldzug vorüber ist. Schwer zu sagen mag sein, unter
welchen Bedingungen der Süden sich unterwerfen würde, leicht zu sagen
ist, unter welchen er sich nicht unterwerfen wird. Er wird sich nicht unter¬
werfen, so lange er noch ebensoviel Leute im Felde hat, als sein Gegner,
so lange er geschicktere Generale, so lange er mehr Siege als Niederlagen
aufzuweisen, so lange er kaum ein paar Fuß breit Landes verloren und in
Virginien die stärksten Positionen inne hat. Alles dies muß sich in sein Gegen¬
theil verwandeln, bevor an Nachgiebigkeit in Richmond gedacht werden kann,
und erlitte der Süden in den nächsten Monaten drei Niederlagen, so hätte er
höchstens das Capital verloren, welches er durch die Siege bei Bull Rum, bei
Springfield und bei Lexington gewonnen, und der Tag bei Balls Bluff bliebe
dem Norden-noch immer wett zu machen.

Und setzen wir den Fall, der in Betreff Kentuckys und Tennessees aller¬
dings wahrscheinlich ist, daß die conföderirten Armeen aus den Grenzstaaten
hinausgedrängt werden, wird man' sich dann verloren geben müssen? Wir
glauben nicht, sondern im Gegentheil, dann würden die größten Schwierig¬
keiten sür die Generale des Nordens erst beginnen.

Wenn die Straßen in Virginien und Missouri schlecht sind, so sind sie
in Nord- und Südcarolina, in Georgia und Arkansas noch viel schlechter, und
die Wälder und Sümpfe dieser Regionen, die Creeks und Bayous, die über¬
schwemmten Strecken an den Meeresküsten und am Mississippi sind weder den
Evolutionen von Artillerie und Reiterei noch der Gesundheit der Truppen
günstig. Und dann die Versorgung mit Lebensmitteln. In Tennessee und


erlaubt, in die Hnlbirnng ihres mächtig gedehnten Gebietes zu willigen, und
welche befürchten, daß, indem an ihren Grenzen eine mächtige, ihnen feind¬
lich gesinnte Nation entsteht, indem als Folge dessen die Nothwendigkeit eines
großen stehenden Heeres sich herausstellt, und der Handel mit dem Süden ge¬
mindert wird, ihre Interessen leiden werden. Es ist durchaus natürlich, daß
sie gegen solche Eventualitäten kämpfen, es liegt in der menschlichen Natur,
daß man für das streitet, was man für sein Interesse ansieht; aber ich pro-
testire gegen die Heuchelei, welche Englands Wohlwollen auf den falschen
Grund hin beansprucht, daß der Krieg im Interesse der Sklaven unternommen
worden. Und diese Meinung würde nicht im Mindesten geändert werden,
wenn das Ergebniß des Krieges die Emancipation der Neger wäre. Findet
sie statt, so ist sie ein Ereigniß, welches vom Süden wie vom Norden von An¬
fang an ebensowenig beabsichtigt worden ist, als die Entwickelung der süd.
lichen Fabrikthätigkeit oder die Verschüttung der Einfahrten zu den südlichen
Häfen."

Wir glauben, daß diese Ansicht im Wesentlichen das Rechte trifft. Es
ist nicht die entfernteste Möglichkeit, daß eine der beiden Parteien nachgeben
wird, bevor der Winterfeldzug vorüber ist. Schwer zu sagen mag sein, unter
welchen Bedingungen der Süden sich unterwerfen würde, leicht zu sagen
ist, unter welchen er sich nicht unterwerfen wird. Er wird sich nicht unter¬
werfen, so lange er noch ebensoviel Leute im Felde hat, als sein Gegner,
so lange er geschicktere Generale, so lange er mehr Siege als Niederlagen
aufzuweisen, so lange er kaum ein paar Fuß breit Landes verloren und in
Virginien die stärksten Positionen inne hat. Alles dies muß sich in sein Gegen¬
theil verwandeln, bevor an Nachgiebigkeit in Richmond gedacht werden kann,
und erlitte der Süden in den nächsten Monaten drei Niederlagen, so hätte er
höchstens das Capital verloren, welches er durch die Siege bei Bull Rum, bei
Springfield und bei Lexington gewonnen, und der Tag bei Balls Bluff bliebe
dem Norden-noch immer wett zu machen.

Und setzen wir den Fall, der in Betreff Kentuckys und Tennessees aller¬
dings wahrscheinlich ist, daß die conföderirten Armeen aus den Grenzstaaten
hinausgedrängt werden, wird man' sich dann verloren geben müssen? Wir
glauben nicht, sondern im Gegentheil, dann würden die größten Schwierig¬
keiten sür die Generale des Nordens erst beginnen.

Wenn die Straßen in Virginien und Missouri schlecht sind, so sind sie
in Nord- und Südcarolina, in Georgia und Arkansas noch viel schlechter, und
die Wälder und Sümpfe dieser Regionen, die Creeks und Bayous, die über¬
schwemmten Strecken an den Meeresküsten und am Mississippi sind weder den
Evolutionen von Artillerie und Reiterei noch der Gesundheit der Truppen
günstig. Und dann die Versorgung mit Lebensmitteln. In Tennessee und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/132>, abgerufen am 23.07.2024.