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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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jedem wichtigen Unternehmen, Auszug zu Krieg, Jagd, Reise, Gericht, Fisch¬
fang, Ackerbau, Hochzeit von großer Bedeutung ist, unter welchen Modalitäten
der Ausziehende das Haus verläßt und welche Pflanzen. Thiere, Menschen
und in welchen Situationen ihm diese begegnen. Wer mit dem linken Fuß
voran die Schwelle überschreitet, beim Ausgang stolpert oder fällt, dem wird
es im entscheidenden Augenblick seines Unternehmens ebenso ungeschickt und
mißlich gehen.

Der Angang im engsten Sinn bezeichnet die Glück oder Unglück verhei¬
ßenden Begegnungen von Menschen oder Thieren, ein Aberglaube, der sich
bei fast allen bekannten Völkern, bei Indern, Persern, Aegyptern, Juden, Hel¬
lenen, Römern. Kelten, Germanen und Slaven findet. Man hat bisher ge¬
wöhnlich die Unmasse dieser Omma und Vorzeichen als bloße Spiele willkür¬
licher Phantasie für völlig unerklärlich gehalten. Ich glaube, daß die An¬
wendung symbolischer Erklärung auf diesen passiven Aberglauben sehr vieles
scheinbar Unerklärliche zu erklären, von sehr vielem scheinbar Sinnlosen den
Sinn zu enthüllen vermag. Eine Kategorie solcher Symbolik haben wir
schon angedeutet; es wird das begegnende Wesen identificirt mit dem zu dein
Unternehmen ausziehenden, die Eigenschaften, welche das fragliche Thier hat,
Furchtsamkeit oder Muth, Kraft oder Schwäche, wird der Begegnende in sei¬
nem Vorhaben bewähren: es gehen die Eigenschaften des Thiers auf ihn
über. So erklärt es sich denn ganz einfach, daß alle feigen, scheuen, un¬
vollkommenen Menschen und Thiere bei der Begegnung Unglück, alle stol¬
zen, muthigen, hervorragenden Glück bringen. Unglück bedeutet dem zum
Kampf Ausziehende" ein Hase, der über den Weg springt; denn feig wie ein
Hase wird er sich benehmen. Unglück bedeutet dem Bräutigam aus dem Kirch¬
gang der Maulesel, der unvollkommne, zeugungsunfähige Bastard. Unglück
bringt dem Krieger oder Jäger der Blinde, Taube, Lahme, der ihm begeg¬
net: Auge. Ohr, Hand und Fuß werden ihm gegenüber dem Feind oder dem
Wild versagen. Dagegen alle starken muthigen Thiere verheißen Sieg und
Erfolg: Adler, Löwe, Bär, Wolf, Eber, Roß, Stier sind dem Helden er¬
wünschte Omma, stark und tapfer wie sie wird er kämpfen.

Neben dieser Symbolik, welche das Begegnende in>t dem Subject des
Aberglaubens identificirt, gibt es nun aber natürlich bei andern Fällen des
Umgangs andre Formen symbolischer Beziehungen. Sehr oft, wird das be¬
gegnende Thier als Symbol, Begleiter, Zeichen, Verkleidung eines Gottes oder
Dämon angesehen, der sich anschickt, je nach seiner Sinnesart dem Ausziehen¬
den zu nützen oder zu schaden. Daher bringt ein altes Weib dem Jäger,
dem Fuhrmann, dem Soldaten Unheil: sie ist die Hexe, die sein Gewehr ver¬
zaubern, sein Rad zerbrechen, sein Schwert zersplittern wird. Daher ist Bock
und Ziege ein böser Angang; denn seit die alten Götter zu Dämonen.ge-,


jedem wichtigen Unternehmen, Auszug zu Krieg, Jagd, Reise, Gericht, Fisch¬
fang, Ackerbau, Hochzeit von großer Bedeutung ist, unter welchen Modalitäten
der Ausziehende das Haus verläßt und welche Pflanzen. Thiere, Menschen
und in welchen Situationen ihm diese begegnen. Wer mit dem linken Fuß
voran die Schwelle überschreitet, beim Ausgang stolpert oder fällt, dem wird
es im entscheidenden Augenblick seines Unternehmens ebenso ungeschickt und
mißlich gehen.

Der Angang im engsten Sinn bezeichnet die Glück oder Unglück verhei¬
ßenden Begegnungen von Menschen oder Thieren, ein Aberglaube, der sich
bei fast allen bekannten Völkern, bei Indern, Persern, Aegyptern, Juden, Hel¬
lenen, Römern. Kelten, Germanen und Slaven findet. Man hat bisher ge¬
wöhnlich die Unmasse dieser Omma und Vorzeichen als bloße Spiele willkür¬
licher Phantasie für völlig unerklärlich gehalten. Ich glaube, daß die An¬
wendung symbolischer Erklärung auf diesen passiven Aberglauben sehr vieles
scheinbar Unerklärliche zu erklären, von sehr vielem scheinbar Sinnlosen den
Sinn zu enthüllen vermag. Eine Kategorie solcher Symbolik haben wir
schon angedeutet; es wird das begegnende Wesen identificirt mit dem zu dein
Unternehmen ausziehenden, die Eigenschaften, welche das fragliche Thier hat,
Furchtsamkeit oder Muth, Kraft oder Schwäche, wird der Begegnende in sei¬
nem Vorhaben bewähren: es gehen die Eigenschaften des Thiers auf ihn
über. So erklärt es sich denn ganz einfach, daß alle feigen, scheuen, un¬
vollkommenen Menschen und Thiere bei der Begegnung Unglück, alle stol¬
zen, muthigen, hervorragenden Glück bringen. Unglück bedeutet dem zum
Kampf Ausziehende» ein Hase, der über den Weg springt; denn feig wie ein
Hase wird er sich benehmen. Unglück bedeutet dem Bräutigam aus dem Kirch¬
gang der Maulesel, der unvollkommne, zeugungsunfähige Bastard. Unglück
bringt dem Krieger oder Jäger der Blinde, Taube, Lahme, der ihm begeg¬
net: Auge. Ohr, Hand und Fuß werden ihm gegenüber dem Feind oder dem
Wild versagen. Dagegen alle starken muthigen Thiere verheißen Sieg und
Erfolg: Adler, Löwe, Bär, Wolf, Eber, Roß, Stier sind dem Helden er¬
wünschte Omma, stark und tapfer wie sie wird er kämpfen.

Neben dieser Symbolik, welche das Begegnende in>t dem Subject des
Aberglaubens identificirt, gibt es nun aber natürlich bei andern Fällen des
Umgangs andre Formen symbolischer Beziehungen. Sehr oft, wird das be¬
gegnende Thier als Symbol, Begleiter, Zeichen, Verkleidung eines Gottes oder
Dämon angesehen, der sich anschickt, je nach seiner Sinnesart dem Ausziehen¬
den zu nützen oder zu schaden. Daher bringt ein altes Weib dem Jäger,
dem Fuhrmann, dem Soldaten Unheil: sie ist die Hexe, die sein Gewehr ver¬
zaubern, sein Rad zerbrechen, sein Schwert zersplittern wird. Daher ist Bock
und Ziege ein böser Angang; denn seit die alten Götter zu Dämonen.ge-,


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[0120] jedem wichtigen Unternehmen, Auszug zu Krieg, Jagd, Reise, Gericht, Fisch¬ fang, Ackerbau, Hochzeit von großer Bedeutung ist, unter welchen Modalitäten der Ausziehende das Haus verläßt und welche Pflanzen. Thiere, Menschen und in welchen Situationen ihm diese begegnen. Wer mit dem linken Fuß voran die Schwelle überschreitet, beim Ausgang stolpert oder fällt, dem wird es im entscheidenden Augenblick seines Unternehmens ebenso ungeschickt und mißlich gehen. Der Angang im engsten Sinn bezeichnet die Glück oder Unglück verhei¬ ßenden Begegnungen von Menschen oder Thieren, ein Aberglaube, der sich bei fast allen bekannten Völkern, bei Indern, Persern, Aegyptern, Juden, Hel¬ lenen, Römern. Kelten, Germanen und Slaven findet. Man hat bisher ge¬ wöhnlich die Unmasse dieser Omma und Vorzeichen als bloße Spiele willkür¬ licher Phantasie für völlig unerklärlich gehalten. Ich glaube, daß die An¬ wendung symbolischer Erklärung auf diesen passiven Aberglauben sehr vieles scheinbar Unerklärliche zu erklären, von sehr vielem scheinbar Sinnlosen den Sinn zu enthüllen vermag. Eine Kategorie solcher Symbolik haben wir schon angedeutet; es wird das begegnende Wesen identificirt mit dem zu dein Unternehmen ausziehenden, die Eigenschaften, welche das fragliche Thier hat, Furchtsamkeit oder Muth, Kraft oder Schwäche, wird der Begegnende in sei¬ nem Vorhaben bewähren: es gehen die Eigenschaften des Thiers auf ihn über. So erklärt es sich denn ganz einfach, daß alle feigen, scheuen, un¬ vollkommenen Menschen und Thiere bei der Begegnung Unglück, alle stol¬ zen, muthigen, hervorragenden Glück bringen. Unglück bedeutet dem zum Kampf Ausziehende» ein Hase, der über den Weg springt; denn feig wie ein Hase wird er sich benehmen. Unglück bedeutet dem Bräutigam aus dem Kirch¬ gang der Maulesel, der unvollkommne, zeugungsunfähige Bastard. Unglück bringt dem Krieger oder Jäger der Blinde, Taube, Lahme, der ihm begeg¬ net: Auge. Ohr, Hand und Fuß werden ihm gegenüber dem Feind oder dem Wild versagen. Dagegen alle starken muthigen Thiere verheißen Sieg und Erfolg: Adler, Löwe, Bär, Wolf, Eber, Roß, Stier sind dem Helden er¬ wünschte Omma, stark und tapfer wie sie wird er kämpfen. Neben dieser Symbolik, welche das Begegnende in>t dem Subject des Aberglaubens identificirt, gibt es nun aber natürlich bei andern Fällen des Umgangs andre Formen symbolischer Beziehungen. Sehr oft, wird das be¬ gegnende Thier als Symbol, Begleiter, Zeichen, Verkleidung eines Gottes oder Dämon angesehen, der sich anschickt, je nach seiner Sinnesart dem Ausziehen¬ den zu nützen oder zu schaden. Daher bringt ein altes Weib dem Jäger, dem Fuhrmann, dem Soldaten Unheil: sie ist die Hexe, die sein Gewehr ver¬ zaubern, sein Rad zerbrechen, sein Schwert zersplittern wird. Daher ist Bock und Ziege ein böser Angang; denn seit die alten Götter zu Dämonen.ge-,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/120>, abgerufen am 28.12.2024.