Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.. Sehr eigenthümlich erscheint, daß es bei gewissen Thieren wesentlich Sehr oft wird also hier gar keine Symbolik, sondern eine Wetter- oder Grenzboten I. 1862. 15
. Sehr eigenthümlich erscheint, daß es bei gewissen Thieren wesentlich Sehr oft wird also hier gar keine Symbolik, sondern eine Wetter- oder Grenzboten I. 1862. 15
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113363"/> <p xml:id="ID_337" prev="#ID_336"> .<lb/> worden, ist der gehörnte, bärtige, zottige Bock die Lieblingsverkleidung des<lb/> Teufels und der Teufel wird also dem Wanderer sein Werk verderben. Ganz<lb/> besonders charakteristisch aber ist. daß Schwäne, die eines Wegs mit dem<lb/> germanischen Kriegsheer fliegen oder schwimmen, Glück und Sieg, daß aber<lb/> dieselben Schwäne, wenn sie ihm entgegenkommen, Unglück und Niederlage<lb/> bedeuten; denn die Schwäne sind nichts Andres als die Schwanjungfrauen,<lb/> die Walküren in Schwanenhemden, welche die Loose der Schlachten lenken:<lb/> ziehen sie mit uns, dann wehe den Feinden, ziehen sie wider uns heran, so<lb/> werden sie gegen uns entscheiden.</p><lb/> <p xml:id="ID_338"> Sehr eigenthümlich erscheint, daß es bei gewissen Thieren wesentlich<lb/> darauf ankommt, in welcher Beschäftigung, in welchem Verhalten, an wel¬<lb/> chem Ort wir sie antreffen: ob wachend oder schlafend (Hund. Katze), im<lb/> Wald oder auf dem Felde (Fuchs, Hase), fliegend oder sitzend (Reiher, Möve),<lb/> im Wasser oder auf dem Land (Ente. Frosch). In manchen dieser Fälle fin¬<lb/> det die oben besprochne Jdentisicnung statt, z. B. wenn der gefangne Fisch<lb/> Unglück, der Fisch im Wasser und besonders der Raubfisch (Lachs, Hecht, Fo¬<lb/> relle) Glück bedeutet. In viel zahlreicheren anderen Fällen aber ist eine Deu¬<lb/> tung gar acht oder doch wenigstens unsrer dem Naturleben entfremdeten<lb/> Stubenweisheit nicht mehr möglich. Ich glaube nämlich, daß sehr viele die¬<lb/> ser Omma auf Wetter- und Naturbeobachtungen des Jäger-, Fischer- und<lb/> Bauernlebens beruhen, welche, wie die sogenannten Bauernregeln im Ka¬<lb/> lender, uns nicht mehr zugänglich, in ihren Entstehungsgründen unfaßlich sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_339" next="#ID_340"> Sehr oft wird also hier gar keine Symbolik, sondern eine Wetter- oder<lb/> Naturbeobachtung zu Grunde liegen; daher denn auch die unendliche locale<lb/> Verschiedenheit gerade dieser Omma. Ein Beispiel für viele: wenn die Fl-<lb/> ieder am Südende des schilfigen Ammersees bei Tagesgrauen ausfahren und sie<lb/> finden die Reiher- und Mövenschwärme, welche sehr zahlreich die Ufer des<lb/> versumpfenden Sees bevölkern, schon im Wasser, so bedeutet das Unglück<lb/> wenn noch arn Lande, ist es ein gutes Zeichen für den Fischfang. Auf meine<lb/> Frage warum, zuckten die meisten die Achseln und meinten, die Vögel seien<lb/> halt manchmal r echt, manchmal „schiech" (mali vains, ii'g,ti, ille'ausel, inimiei);<lb/> aber ein alter Fischer lachte und sagte: die Vögel seien nie schiech, aber wenn<lb/> sie schon früh im Wasser seien, gäbe es, das habe er jetzt seit vierzig Jahren<lb/> beobachtet, immer bald Südwind und fehlendes Wetter. Hier sieht man. wie<lb/> ein und derselbe Glaube bei verschiedenen Leuten derselben Gegend bald als<lb/> Aberglaube, bald als bloße Wetterregel lebt. Und wie in diesem einen kla¬<lb/> ren Fall, wird es in zahllosen unklaren Fällen sein. Unsere heidnischen Vor-<lb/> fahren, in ihren unmittelbaren Zuständen fortwährend im innigsten Zusammen¬<lb/> hang mit dem ganzen Leben der Natur, hatten offenbar eine Feinheit und<lb/> Sicherheit der Naturbeobachtung, welche wir mit unsern abgestumpften Sin-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1862. 15</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0121]
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worden, ist der gehörnte, bärtige, zottige Bock die Lieblingsverkleidung des
Teufels und der Teufel wird also dem Wanderer sein Werk verderben. Ganz
besonders charakteristisch aber ist. daß Schwäne, die eines Wegs mit dem
germanischen Kriegsheer fliegen oder schwimmen, Glück und Sieg, daß aber
dieselben Schwäne, wenn sie ihm entgegenkommen, Unglück und Niederlage
bedeuten; denn die Schwäne sind nichts Andres als die Schwanjungfrauen,
die Walküren in Schwanenhemden, welche die Loose der Schlachten lenken:
ziehen sie mit uns, dann wehe den Feinden, ziehen sie wider uns heran, so
werden sie gegen uns entscheiden.
Sehr eigenthümlich erscheint, daß es bei gewissen Thieren wesentlich
darauf ankommt, in welcher Beschäftigung, in welchem Verhalten, an wel¬
chem Ort wir sie antreffen: ob wachend oder schlafend (Hund. Katze), im
Wald oder auf dem Felde (Fuchs, Hase), fliegend oder sitzend (Reiher, Möve),
im Wasser oder auf dem Land (Ente. Frosch). In manchen dieser Fälle fin¬
det die oben besprochne Jdentisicnung statt, z. B. wenn der gefangne Fisch
Unglück, der Fisch im Wasser und besonders der Raubfisch (Lachs, Hecht, Fo¬
relle) Glück bedeutet. In viel zahlreicheren anderen Fällen aber ist eine Deu¬
tung gar acht oder doch wenigstens unsrer dem Naturleben entfremdeten
Stubenweisheit nicht mehr möglich. Ich glaube nämlich, daß sehr viele die¬
ser Omma auf Wetter- und Naturbeobachtungen des Jäger-, Fischer- und
Bauernlebens beruhen, welche, wie die sogenannten Bauernregeln im Ka¬
lender, uns nicht mehr zugänglich, in ihren Entstehungsgründen unfaßlich sind.
Sehr oft wird also hier gar keine Symbolik, sondern eine Wetter- oder
Naturbeobachtung zu Grunde liegen; daher denn auch die unendliche locale
Verschiedenheit gerade dieser Omma. Ein Beispiel für viele: wenn die Fl-
ieder am Südende des schilfigen Ammersees bei Tagesgrauen ausfahren und sie
finden die Reiher- und Mövenschwärme, welche sehr zahlreich die Ufer des
versumpfenden Sees bevölkern, schon im Wasser, so bedeutet das Unglück
wenn noch arn Lande, ist es ein gutes Zeichen für den Fischfang. Auf meine
Frage warum, zuckten die meisten die Achseln und meinten, die Vögel seien
halt manchmal r echt, manchmal „schiech" (mali vains, ii'g,ti, ille'ausel, inimiei);
aber ein alter Fischer lachte und sagte: die Vögel seien nie schiech, aber wenn
sie schon früh im Wasser seien, gäbe es, das habe er jetzt seit vierzig Jahren
beobachtet, immer bald Südwind und fehlendes Wetter. Hier sieht man. wie
ein und derselbe Glaube bei verschiedenen Leuten derselben Gegend bald als
Aberglaube, bald als bloße Wetterregel lebt. Und wie in diesem einen kla¬
ren Fall, wird es in zahllosen unklaren Fällen sein. Unsere heidnischen Vor-
fahren, in ihren unmittelbaren Zuständen fortwährend im innigsten Zusammen¬
hang mit dem ganzen Leben der Natur, hatten offenbar eine Feinheit und
Sicherheit der Naturbeobachtung, welche wir mit unsern abgestumpften Sin-
Grenzboten I. 1862. 15
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