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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Der ältere Dionys sandte im thebanischen Kriege seinen Freunden, den Lace-
dämoniern, mehrmals Hilssheere, deren celtiberische Reiterei den Feinden
großen Respect einflößte. In Griechenland selbst kam bereits zu Anfang des
peloponnesischen Kriege das Söldnerwesen auf. Zur Belagerung von Potidäa
schickten die Korinthier eine Abtheilung Freiwilliger und gemiethete Pelopon-
nesier. Sowohl Kleon. der Athener, als sein Gegner Brasidas nahmen Thra¬
ker in Sold, und bei der sicilianischen Expedition der Athener befanden sich
80 Kreter und 700 vhodische Schleudern. Auch spater miethete Athen 1300
thrazische Barbaren, entließ sie aber bald wieder, da ihm die Kosten, täglich
"in Viertelthaler für den Mann, zu groß waren und benutzte sie dann dazu
auf dem Heimwege die Küsten Böotiens grausam verheeren zu lassen. Die
jährlich fühlbarer werdenden Folgen des langjährigen Kriegs wirkten aber
rasch befördernd auf die Entwicklung des Soldnerthums. Eine Masse Men¬
schen wurde durch den Krieg ihres Unterhalts und Vermögens beraubt und
griff gern in der Noth zu jedem Erwerbszweig. Außerdem weckte der Krieg
selbst die Rauflust und die Sucht nach Abentheuern. Am meisten aber Wohl
strömten zu den Fahnen der Condottieri jene Unzahl Heimathloser, die durch
die blinde Parteiwuth der siegenden Oligarchen oder Demokraten vertrieben
worden waren. Man kann sich kaum einen richtigen Begriff davon bilden,
in welchem Umfange dergleichen Verbannungen damals stattgefunden haben.

Schon lange vor dem peloponnesischen Kriege, im Jahre 510 v. Chr.,
hatte der spartanische König Kleomenes der Erste auf einmal 700 Familien aus
Athen vertrieben. Gleich bei Beginn des Kriegs zwangen die Athener die
wehrlosen Einwohner Aegiuas, ihre Heimath zu verlassen. Lysander nöthigte
nach Eroberung Athens die ganze Demokratie der Insel Samos zum Aus¬
wandern, und Jsokrates behauptet von seiner Zeit, daß es mehr Verbannte
und Flüchtlinge aus einer einzelnen Stadt gegeben habe, als in alten Zeiten
aus dem ganzen Peloponnes. Es war ihm leichter, damals aus den Heimaths-
losen und'Vagabunden ein großes Heer zusammenzubringen als aus Bürgern.
"Keiner bedauert es", sagt er, "daß Viele vom Hunger gezwungen für Feinde
gegen Freunde fechtend sterben; aber über das Unglück, welches die Dichter
ersinnen, werden Thränen vergossen." Dem macedomschen Könige Philipp
schlägt er vor, an der kleinasiatischen Küste des Hellesvonts und Pontus Städte
zu erbauen und die wegen Mangels der täglichen Nahrung Herumstreifenden
und Schaden jeder Art Anrichtenden anzusiedeln. "Wenn wir sie nicht hin¬
dern werden, sich zusammenzurollen, dadurch, das wir ihnen Unterhalt ver¬
schaffen, werden sie zu solcher Menge anwachsen, daß sie den Hellenen nicht
weniger furchtbar werden, als den Barbaren." Auch seine Mitbürger warnte
derselbe Redner aus das Ernsteste, und seine in der Rede "vom Frieden" be¬
findlichen Worte sind charakteristisch genug für das ganze Verhältniß: "Wir


13*

Der ältere Dionys sandte im thebanischen Kriege seinen Freunden, den Lace-
dämoniern, mehrmals Hilssheere, deren celtiberische Reiterei den Feinden
großen Respect einflößte. In Griechenland selbst kam bereits zu Anfang des
peloponnesischen Kriege das Söldnerwesen auf. Zur Belagerung von Potidäa
schickten die Korinthier eine Abtheilung Freiwilliger und gemiethete Pelopon-
nesier. Sowohl Kleon. der Athener, als sein Gegner Brasidas nahmen Thra¬
ker in Sold, und bei der sicilianischen Expedition der Athener befanden sich
80 Kreter und 700 vhodische Schleudern. Auch spater miethete Athen 1300
thrazische Barbaren, entließ sie aber bald wieder, da ihm die Kosten, täglich
«in Viertelthaler für den Mann, zu groß waren und benutzte sie dann dazu
auf dem Heimwege die Küsten Böotiens grausam verheeren zu lassen. Die
jährlich fühlbarer werdenden Folgen des langjährigen Kriegs wirkten aber
rasch befördernd auf die Entwicklung des Soldnerthums. Eine Masse Men¬
schen wurde durch den Krieg ihres Unterhalts und Vermögens beraubt und
griff gern in der Noth zu jedem Erwerbszweig. Außerdem weckte der Krieg
selbst die Rauflust und die Sucht nach Abentheuern. Am meisten aber Wohl
strömten zu den Fahnen der Condottieri jene Unzahl Heimathloser, die durch
die blinde Parteiwuth der siegenden Oligarchen oder Demokraten vertrieben
worden waren. Man kann sich kaum einen richtigen Begriff davon bilden,
in welchem Umfange dergleichen Verbannungen damals stattgefunden haben.

Schon lange vor dem peloponnesischen Kriege, im Jahre 510 v. Chr.,
hatte der spartanische König Kleomenes der Erste auf einmal 700 Familien aus
Athen vertrieben. Gleich bei Beginn des Kriegs zwangen die Athener die
wehrlosen Einwohner Aegiuas, ihre Heimath zu verlassen. Lysander nöthigte
nach Eroberung Athens die ganze Demokratie der Insel Samos zum Aus¬
wandern, und Jsokrates behauptet von seiner Zeit, daß es mehr Verbannte
und Flüchtlinge aus einer einzelnen Stadt gegeben habe, als in alten Zeiten
aus dem ganzen Peloponnes. Es war ihm leichter, damals aus den Heimaths-
losen und'Vagabunden ein großes Heer zusammenzubringen als aus Bürgern.
„Keiner bedauert es", sagt er, „daß Viele vom Hunger gezwungen für Feinde
gegen Freunde fechtend sterben; aber über das Unglück, welches die Dichter
ersinnen, werden Thränen vergossen." Dem macedomschen Könige Philipp
schlägt er vor, an der kleinasiatischen Küste des Hellesvonts und Pontus Städte
zu erbauen und die wegen Mangels der täglichen Nahrung Herumstreifenden
und Schaden jeder Art Anrichtenden anzusiedeln. „Wenn wir sie nicht hin¬
dern werden, sich zusammenzurollen, dadurch, das wir ihnen Unterhalt ver¬
schaffen, werden sie zu solcher Menge anwachsen, daß sie den Hellenen nicht
weniger furchtbar werden, als den Barbaren." Auch seine Mitbürger warnte
derselbe Redner aus das Ernsteste, und seine in der Rede „vom Frieden" be¬
findlichen Worte sind charakteristisch genug für das ganze Verhältniß: „Wir


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[0107] Der ältere Dionys sandte im thebanischen Kriege seinen Freunden, den Lace- dämoniern, mehrmals Hilssheere, deren celtiberische Reiterei den Feinden großen Respect einflößte. In Griechenland selbst kam bereits zu Anfang des peloponnesischen Kriege das Söldnerwesen auf. Zur Belagerung von Potidäa schickten die Korinthier eine Abtheilung Freiwilliger und gemiethete Pelopon- nesier. Sowohl Kleon. der Athener, als sein Gegner Brasidas nahmen Thra¬ ker in Sold, und bei der sicilianischen Expedition der Athener befanden sich 80 Kreter und 700 vhodische Schleudern. Auch spater miethete Athen 1300 thrazische Barbaren, entließ sie aber bald wieder, da ihm die Kosten, täglich «in Viertelthaler für den Mann, zu groß waren und benutzte sie dann dazu auf dem Heimwege die Küsten Böotiens grausam verheeren zu lassen. Die jährlich fühlbarer werdenden Folgen des langjährigen Kriegs wirkten aber rasch befördernd auf die Entwicklung des Soldnerthums. Eine Masse Men¬ schen wurde durch den Krieg ihres Unterhalts und Vermögens beraubt und griff gern in der Noth zu jedem Erwerbszweig. Außerdem weckte der Krieg selbst die Rauflust und die Sucht nach Abentheuern. Am meisten aber Wohl strömten zu den Fahnen der Condottieri jene Unzahl Heimathloser, die durch die blinde Parteiwuth der siegenden Oligarchen oder Demokraten vertrieben worden waren. Man kann sich kaum einen richtigen Begriff davon bilden, in welchem Umfange dergleichen Verbannungen damals stattgefunden haben. Schon lange vor dem peloponnesischen Kriege, im Jahre 510 v. Chr., hatte der spartanische König Kleomenes der Erste auf einmal 700 Familien aus Athen vertrieben. Gleich bei Beginn des Kriegs zwangen die Athener die wehrlosen Einwohner Aegiuas, ihre Heimath zu verlassen. Lysander nöthigte nach Eroberung Athens die ganze Demokratie der Insel Samos zum Aus¬ wandern, und Jsokrates behauptet von seiner Zeit, daß es mehr Verbannte und Flüchtlinge aus einer einzelnen Stadt gegeben habe, als in alten Zeiten aus dem ganzen Peloponnes. Es war ihm leichter, damals aus den Heimaths- losen und'Vagabunden ein großes Heer zusammenzubringen als aus Bürgern. „Keiner bedauert es", sagt er, „daß Viele vom Hunger gezwungen für Feinde gegen Freunde fechtend sterben; aber über das Unglück, welches die Dichter ersinnen, werden Thränen vergossen." Dem macedomschen Könige Philipp schlägt er vor, an der kleinasiatischen Küste des Hellesvonts und Pontus Städte zu erbauen und die wegen Mangels der täglichen Nahrung Herumstreifenden und Schaden jeder Art Anrichtenden anzusiedeln. „Wenn wir sie nicht hin¬ dern werden, sich zusammenzurollen, dadurch, das wir ihnen Unterhalt ver¬ schaffen, werden sie zu solcher Menge anwachsen, daß sie den Hellenen nicht weniger furchtbar werden, als den Barbaren." Auch seine Mitbürger warnte derselbe Redner aus das Ernsteste, und seine in der Rede „vom Frieden" be¬ findlichen Worte sind charakteristisch genug für das ganze Verhältniß: „Wir 13*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/107>, abgerufen am 28.12.2024.