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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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verlangen, über alle Welt zu herrschen, und wollen doch nicht zu Felde ziehen;
wir nehmen den Krieg beinahe gegen Jedermann auf, und üben uns doch
nicht zu demselben, sondern Menschen, die theils Heimathlose, theils Ueber¬
läufer, theils Verbrecher sind, die, wenn ihnen Jemand mehr Sold bietet, so¬
fort demselben folgen. Ja so weit in unserer Thorheit sind wir gekommen,
daß. während wir selbst kaum genug zum täglichen Leben haben, wir Sold¬
truppen zu unterhalten wagen und unsere Bundesgenossen schädigen und be¬
steuern, um nur jenen gemeinschaftlichen Feinden Aller den Lohn zu verschaffen.
Unsere Vorfahren setzten ihre Leiber bei der Kriegsgefahr ein, während in der
Burg Schätze von Gold und Silber lagen; wir,.dagegen. die wir so arm sind
und doch so viele, halten uns, wie der Grohkönig von Persien, gemiethete Heere!"

Auch Demosthenes drang später bei den Athenern darauf, daß unter
den 2000 Jnfanteristen, die er zum Schutze der chalcidischen Städte aus¬
zusenden vorschlug, 500 Bürger wären, gleichsam als Aufseher der Söld¬
ner, die sonst nur diejenigen Kriege liebten, die ihnen Gewinn brächten und
am liebsten mit reichen Bundesgenossen anbauten. Deshalb glauben wir
gern, was Plutarch erzählt, daß nämlich beim Heransegeln ätherischer Flotten
in jener Zeit die Bundesgenossen Mauern und Häfen bewehrt und Heerden,
Sklaven, Weiber und Kinder vom Lande in die Städte geschafft hätten. War
es anders bei uns noch während des dreißigjährigen Kriegs? Wie schnell
übrigens noch die Zahl der Lanzknechte in den sechzig Jahren zwischen dem
Ende des peloponnesischen Krieges und der Regierungszeit Philipps von Mace-
donien zugenommen haben muß. erhellt aus des Jsokrates Behauptung, daß
noch zur Zeit des jüngern Cyrus diejenigen, welche in den Städten werben
ließen, mehr Geld auf die Geschenke zu verwenden gehabt hätten, die sie den
Werbern geben mußten, als auf den Sold für die Soldaten, während zu
seiner Zeit sogleich ganze Schaaren von Söldnern angeworben wurden.

Später sahen sich die kriegführenden Parteien sogar genöthigt, Soldaten
anzuwerben, da die verbündeten Städte ganz gewöhnlich Geld anstatt der Truppen
sendeten. So beschlossen nach dem Antalkidischen Fneden die peloponnesischen Ver¬
bündeten, daß jede Stadt anstatt der Soldaten Geld geben könnte und zwar
5 Sgr. täglich für den Schwerbewaffneten und das Vierfache für den Reiter.
Auch der spartanische Admiral Mnasippus, der im Jahre 374 mit 60 Schiffen
einen Zug nach Korfu unternahm, hatte 1500 Söldner bei sich, weil sich die
Bundesgenossen fast alle mit Geld abgefunden hatten, was auch Agesilaos
den kleinasiatischen Griechen gestattete. Da die Sucht nach Beute und Gold
jede andere Rücksicht vergessen ließ, so verdingten sich diese griechischen Sold-
nerhaufen am häufigsten mit Verleugnung alles Nationalstolzes den sonst tief
verachteten Barbaren. Stellte ja noch der letzte persische König Darius Kodo-
mannus 30000 ausgesuchte griechische Söldner dem gleichfalls zu einem gro-


verlangen, über alle Welt zu herrschen, und wollen doch nicht zu Felde ziehen;
wir nehmen den Krieg beinahe gegen Jedermann auf, und üben uns doch
nicht zu demselben, sondern Menschen, die theils Heimathlose, theils Ueber¬
läufer, theils Verbrecher sind, die, wenn ihnen Jemand mehr Sold bietet, so¬
fort demselben folgen. Ja so weit in unserer Thorheit sind wir gekommen,
daß. während wir selbst kaum genug zum täglichen Leben haben, wir Sold¬
truppen zu unterhalten wagen und unsere Bundesgenossen schädigen und be¬
steuern, um nur jenen gemeinschaftlichen Feinden Aller den Lohn zu verschaffen.
Unsere Vorfahren setzten ihre Leiber bei der Kriegsgefahr ein, während in der
Burg Schätze von Gold und Silber lagen; wir,.dagegen. die wir so arm sind
und doch so viele, halten uns, wie der Grohkönig von Persien, gemiethete Heere!"

Auch Demosthenes drang später bei den Athenern darauf, daß unter
den 2000 Jnfanteristen, die er zum Schutze der chalcidischen Städte aus¬
zusenden vorschlug, 500 Bürger wären, gleichsam als Aufseher der Söld¬
ner, die sonst nur diejenigen Kriege liebten, die ihnen Gewinn brächten und
am liebsten mit reichen Bundesgenossen anbauten. Deshalb glauben wir
gern, was Plutarch erzählt, daß nämlich beim Heransegeln ätherischer Flotten
in jener Zeit die Bundesgenossen Mauern und Häfen bewehrt und Heerden,
Sklaven, Weiber und Kinder vom Lande in die Städte geschafft hätten. War
es anders bei uns noch während des dreißigjährigen Kriegs? Wie schnell
übrigens noch die Zahl der Lanzknechte in den sechzig Jahren zwischen dem
Ende des peloponnesischen Krieges und der Regierungszeit Philipps von Mace-
donien zugenommen haben muß. erhellt aus des Jsokrates Behauptung, daß
noch zur Zeit des jüngern Cyrus diejenigen, welche in den Städten werben
ließen, mehr Geld auf die Geschenke zu verwenden gehabt hätten, die sie den
Werbern geben mußten, als auf den Sold für die Soldaten, während zu
seiner Zeit sogleich ganze Schaaren von Söldnern angeworben wurden.

Später sahen sich die kriegführenden Parteien sogar genöthigt, Soldaten
anzuwerben, da die verbündeten Städte ganz gewöhnlich Geld anstatt der Truppen
sendeten. So beschlossen nach dem Antalkidischen Fneden die peloponnesischen Ver¬
bündeten, daß jede Stadt anstatt der Soldaten Geld geben könnte und zwar
5 Sgr. täglich für den Schwerbewaffneten und das Vierfache für den Reiter.
Auch der spartanische Admiral Mnasippus, der im Jahre 374 mit 60 Schiffen
einen Zug nach Korfu unternahm, hatte 1500 Söldner bei sich, weil sich die
Bundesgenossen fast alle mit Geld abgefunden hatten, was auch Agesilaos
den kleinasiatischen Griechen gestattete. Da die Sucht nach Beute und Gold
jede andere Rücksicht vergessen ließ, so verdingten sich diese griechischen Sold-
nerhaufen am häufigsten mit Verleugnung alles Nationalstolzes den sonst tief
verachteten Barbaren. Stellte ja noch der letzte persische König Darius Kodo-
mannus 30000 ausgesuchte griechische Söldner dem gleichfalls zu einem gro-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/108>, abgerufen am 23.07.2024.