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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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aus Graubündten aufhängen ließ; bei einer andern Wallfahrt nach secher
klagte der Prediger vor den 4000 Andächtigen: die Väter seien zur Zeit An-
drä Hofers von besserem Geiste durchdrungen gewesen, da hätte mau die
Bayern todtgeschlagen, weil sie meist Protestanten gewesen; in schwatz wußte
ein Franziskaner bei einer zu Dank und Preis für den Landtagsbeschluß ge¬
gen die Ketzer gehaltenen Feier den keuschen Ohren seiner Zuhörer das gegen¬
wärtige Ministerium nicht besser zu empfehlen als durch die Versickerung:
wenn man in Tirol ein Bordell errichten wollte, würde man bei jener hohen
Stelle in Wien die kräftigste Unterstützung finden; in Bozen endlich prägte
der nur nach der himmlischen Märtyrerkrone lüsterne Kapuciner P. Josue
Trois den guten Katholiken zu wiederholten Malen ein, wie verabscheuungs-
würdig die verruchten Ketzer, die nicht einmal an die Heiligkeit der Gottes¬
mutter glauben; er für seinen Theil könne.nicht annehmen, daß es darunter
ehrliche Leute gebe, man dürfe auf keine Weise dulden, daß solche Leute in's
Land kommen. Den des Freisinns verdächtigen Bewohnern Bozens selbst
aber warf er vor, daß sie in einem Monate mehr Todsünden begehen als auf
dem durch die Wunder der Gnadenspenderin ausgezeichneten Weißenstein, nach
diesem reinen Orte müsse man wallen, um Erhörung zu finden im Gebete
für die Glaubenscinheit. Nach dem Zeugniß der "Tiroler Stimmen" schloß
sich dem ungeheuren Zuge, den diese Predigt herbeigerufen, selbst von einer
stundenweiter Gemeinde jenseits der Etsch ein Hilfskorps von 600 Köpfen
an. Alles in diesem Jahr bisher Geleistete übertraf aber an Glanz und
sinnreichen Schmuck das Fest in Schwätz. Schien es doch, als ob die From¬
men sogar ein Wink von oben drängte, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu
stellen. Der liberale Abgeordnete am östreichischen Reicksrath Dr. Norbert
Pfretzschner in Jenbach reiste zu den Pfingstferien auf Besuch in seine Hei¬
mat und befand sich auf demselben Eisenbahnzüge mit dem Bischof von
Brixen. Kaum aus dem Wagen ausgestiegen, begrüßte ihn Musik mit dem
deutschen Liede und Abends ein Fackelzug. Das klang fast wie Hohn auf
den Bischof. Das Ständchen sollte vor dem Feste, das man schon ehedem
den Siegern des 17. Aprils zu bereiten dachte, vollends in Schatten treten.
Die Knaben des Instituts im Kloster Fleche. die Sonntagsschüler von Schwätz.
Knappen und Taglöhner wurden aller Orten aufgeboten, um ein noch nie ge¬
sehenes Feuerwerk anzurichten. , Für das Sammeln und Aufschichten von
Scheiterhaufen wurden Preise ausgesetzt, 5 oder 10 Fi., je nachdem sie im
Gehölze oder auf den Bergkuppen aufgestellt waren. Als es am 26. Mai
Abend wurde, schimmerte außer anderen unzähligen Feuern ringsum über dem
Schneeteppich der höchsten Bergspitze ein großes Kreuz, an der Halde im
Thale nächst dem Markte schwatz las man in Flammenschrift die Anfangs¬
buchstaben der Namen des Brixner Bischofs und Oberstaatsanwalts: Vinzenz


aus Graubündten aufhängen ließ; bei einer andern Wallfahrt nach secher
klagte der Prediger vor den 4000 Andächtigen: die Väter seien zur Zeit An-
drä Hofers von besserem Geiste durchdrungen gewesen, da hätte mau die
Bayern todtgeschlagen, weil sie meist Protestanten gewesen; in schwatz wußte
ein Franziskaner bei einer zu Dank und Preis für den Landtagsbeschluß ge¬
gen die Ketzer gehaltenen Feier den keuschen Ohren seiner Zuhörer das gegen¬
wärtige Ministerium nicht besser zu empfehlen als durch die Versickerung:
wenn man in Tirol ein Bordell errichten wollte, würde man bei jener hohen
Stelle in Wien die kräftigste Unterstützung finden; in Bozen endlich prägte
der nur nach der himmlischen Märtyrerkrone lüsterne Kapuciner P. Josue
Trois den guten Katholiken zu wiederholten Malen ein, wie verabscheuungs-
würdig die verruchten Ketzer, die nicht einmal an die Heiligkeit der Gottes¬
mutter glauben; er für seinen Theil könne.nicht annehmen, daß es darunter
ehrliche Leute gebe, man dürfe auf keine Weise dulden, daß solche Leute in's
Land kommen. Den des Freisinns verdächtigen Bewohnern Bozens selbst
aber warf er vor, daß sie in einem Monate mehr Todsünden begehen als auf
dem durch die Wunder der Gnadenspenderin ausgezeichneten Weißenstein, nach
diesem reinen Orte müsse man wallen, um Erhörung zu finden im Gebete
für die Glaubenscinheit. Nach dem Zeugniß der „Tiroler Stimmen" schloß
sich dem ungeheuren Zuge, den diese Predigt herbeigerufen, selbst von einer
stundenweiter Gemeinde jenseits der Etsch ein Hilfskorps von 600 Köpfen
an. Alles in diesem Jahr bisher Geleistete übertraf aber an Glanz und
sinnreichen Schmuck das Fest in Schwätz. Schien es doch, als ob die From¬
men sogar ein Wink von oben drängte, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu
stellen. Der liberale Abgeordnete am östreichischen Reicksrath Dr. Norbert
Pfretzschner in Jenbach reiste zu den Pfingstferien auf Besuch in seine Hei¬
mat und befand sich auf demselben Eisenbahnzüge mit dem Bischof von
Brixen. Kaum aus dem Wagen ausgestiegen, begrüßte ihn Musik mit dem
deutschen Liede und Abends ein Fackelzug. Das klang fast wie Hohn auf
den Bischof. Das Ständchen sollte vor dem Feste, das man schon ehedem
den Siegern des 17. Aprils zu bereiten dachte, vollends in Schatten treten.
Die Knaben des Instituts im Kloster Fleche. die Sonntagsschüler von Schwätz.
Knappen und Taglöhner wurden aller Orten aufgeboten, um ein noch nie ge¬
sehenes Feuerwerk anzurichten. , Für das Sammeln und Aufschichten von
Scheiterhaufen wurden Preise ausgesetzt, 5 oder 10 Fi., je nachdem sie im
Gehölze oder auf den Bergkuppen aufgestellt waren. Als es am 26. Mai
Abend wurde, schimmerte außer anderen unzähligen Feuern ringsum über dem
Schneeteppich der höchsten Bergspitze ein großes Kreuz, an der Halde im
Thale nächst dem Markte schwatz las man in Flammenschrift die Anfangs¬
buchstaben der Namen des Brixner Bischofs und Oberstaatsanwalts: Vinzenz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/54>, abgerufen am 23.07.2024.