Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.fest aufschrieen, gaben im "Tiroler Boten" zu verstehen, die angezündeten Offenbar war das ächte Gold des Glaubenseifers noch nicht in den e* -
fest aufschrieen, gaben im „Tiroler Boten" zu verstehen, die angezündeten Offenbar war das ächte Gold des Glaubenseifers noch nicht in den e* -
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112561"/> <p xml:id="ID_140" prev="#ID_139"> fest aufschrieen, gaben im „Tiroler Boten" zu verstehen, die angezündeten<lb/> Scheiterhaufen seien „als bedeutsame Wahrzeichen gegen die Versuche fremder<lb/> Einmengerei in'S religiöse Leben des Volkes" zu betrachten. Einen guten Theil<lb/> dieser ernsten Wirkung hatte jedoch bereits die Laune des Zufalls verwischt.<lb/> Nicht weit vom Markte Kältern mußten Soldaten des Regiments „König der<lb/> Niederlande", die theils dem nicht unirten griechischen, theils dem reformirten<lb/> Bekenntnisse angehörten, die Glaubensflammen, die schon zwei nahe Gehölze<lb/> ergriffen hatten, löschen, und Baron Dipauli, einer der Garanten dieser Boiks-<lb/> begeisterung, zahlte willig den angerichteten Schaden, damit das Unglück nicht<lb/> ruchbar werde. Einem andern Festordner, dem Landeshauptmannstellvertreter<lb/> Carl v. Zallinger, zündeten die Leiferser, die Ehre und Kosten ihm allein<lb/> überlassen wollten, seine eigenen Streuhaufen an.</p><lb/> <p xml:id="ID_141" next="#ID_142"> Offenbar war das ächte Gold des Glaubenseifers noch nicht in den<lb/> rechten Fluß gekommen. Ein innthaler Geistlicher meinte-. „Wenn die Luthe¬<lb/> rischen kommen, muß Blut fließen", damit aber dieser ächtkatholische Kampf¬<lb/> muth sich allwürts verbreite, und der Zorn gegen die dräuenden Kctzcr-<lb/> schaaren alle Gemüther ergreife übernahm es die Centralleitung des katho¬<lb/> lischen Vereins in Innsbruck, die Parole an alle Filialen und Affilirte aus¬<lb/> zugeben. Vor Allem sollte ein tausendstimmiges Hoch dem tirolischen Drachen-<lb/> tödter, dem Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwandter ertönen und den Sieges-<lb/> jubel bestätigen, womit das ganze Land seine „mannhafte That" feierte. Die<lb/> Gemeindevorsteher, die Anstand nahmen, sie durch ein Ehrenbürgerdiplom an¬<lb/> zuerkennen, wußte man einzuschüchtern, abzufangen oder schlechtweg zu über¬<lb/> rumpeln. Auch der gesinnungstüchtige Landesgerichtspräsident v. Scheu-<lb/> chenstuel beugte sich vor seiner Größe durch ein Lobgedicht in Knittelreimcn.<lb/> Die „Tiroler Stimmen" brachten einen Weckruf von den Minarets ihrer<lb/> Kaaba nach dem andern; Leute von höherer Bildung und blauem Blute,<lb/> wie die Barone Moy und Ignaz v. Giovanelli, übernahmen den Dienst im<lb/> „Vaterland". Selbstverständlich konnte man auf den unmündigen und unselb¬<lb/> ständigen Pöbel nur durch drastische Mittel wirken. Predigten, große Andach¬<lb/> ten bei ausgesetzten hochwürdigen Gute, Processionen. Wallfahrten hatten sich<lb/> in dieser Beziehung seit den dunklen Tagen des Mittelalters als probat er¬<lb/> wiesen. Je berühmter oder ruhmgieriger ein Kanzelredner, desto lauter stieß<lb/> er in die Posaune. Der Hilfspriester Andersag in Schlanders schmähte auf<lb/> öffentlicher Kanzel die Mitglieder des Ministeriums als Freimaurer, das Pa¬<lb/> tent vom 8. April sei eine Ungerechtigkeit, und nur aus „Bosheit" habe es<lb/> selbes eben zur Zeit des Landtags erlassen; der Benedictiner Leodogar in<lb/> Marling rühmte gelegenheitlich einer Wallfahrt zur Erbietung der Glaubens¬<lb/> einheit den herbeigeströmten Tausenden das Beispiel eines Bürgermeisters von<lb/> Meran, der daselbst zur Zeit der Religionskriege sechs- ketzerische Eindringlinge</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> e* -</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
fest aufschrieen, gaben im „Tiroler Boten" zu verstehen, die angezündeten
Scheiterhaufen seien „als bedeutsame Wahrzeichen gegen die Versuche fremder
Einmengerei in'S religiöse Leben des Volkes" zu betrachten. Einen guten Theil
dieser ernsten Wirkung hatte jedoch bereits die Laune des Zufalls verwischt.
Nicht weit vom Markte Kältern mußten Soldaten des Regiments „König der
Niederlande", die theils dem nicht unirten griechischen, theils dem reformirten
Bekenntnisse angehörten, die Glaubensflammen, die schon zwei nahe Gehölze
ergriffen hatten, löschen, und Baron Dipauli, einer der Garanten dieser Boiks-
begeisterung, zahlte willig den angerichteten Schaden, damit das Unglück nicht
ruchbar werde. Einem andern Festordner, dem Landeshauptmannstellvertreter
Carl v. Zallinger, zündeten die Leiferser, die Ehre und Kosten ihm allein
überlassen wollten, seine eigenen Streuhaufen an.
Offenbar war das ächte Gold des Glaubenseifers noch nicht in den
rechten Fluß gekommen. Ein innthaler Geistlicher meinte-. „Wenn die Luthe¬
rischen kommen, muß Blut fließen", damit aber dieser ächtkatholische Kampf¬
muth sich allwürts verbreite, und der Zorn gegen die dräuenden Kctzcr-
schaaren alle Gemüther ergreife übernahm es die Centralleitung des katho¬
lischen Vereins in Innsbruck, die Parole an alle Filialen und Affilirte aus¬
zugeben. Vor Allem sollte ein tausendstimmiges Hoch dem tirolischen Drachen-
tödter, dem Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwandter ertönen und den Sieges-
jubel bestätigen, womit das ganze Land seine „mannhafte That" feierte. Die
Gemeindevorsteher, die Anstand nahmen, sie durch ein Ehrenbürgerdiplom an¬
zuerkennen, wußte man einzuschüchtern, abzufangen oder schlechtweg zu über¬
rumpeln. Auch der gesinnungstüchtige Landesgerichtspräsident v. Scheu-
chenstuel beugte sich vor seiner Größe durch ein Lobgedicht in Knittelreimcn.
Die „Tiroler Stimmen" brachten einen Weckruf von den Minarets ihrer
Kaaba nach dem andern; Leute von höherer Bildung und blauem Blute,
wie die Barone Moy und Ignaz v. Giovanelli, übernahmen den Dienst im
„Vaterland". Selbstverständlich konnte man auf den unmündigen und unselb¬
ständigen Pöbel nur durch drastische Mittel wirken. Predigten, große Andach¬
ten bei ausgesetzten hochwürdigen Gute, Processionen. Wallfahrten hatten sich
in dieser Beziehung seit den dunklen Tagen des Mittelalters als probat er¬
wiesen. Je berühmter oder ruhmgieriger ein Kanzelredner, desto lauter stieß
er in die Posaune. Der Hilfspriester Andersag in Schlanders schmähte auf
öffentlicher Kanzel die Mitglieder des Ministeriums als Freimaurer, das Pa¬
tent vom 8. April sei eine Ungerechtigkeit, und nur aus „Bosheit" habe es
selbes eben zur Zeit des Landtags erlassen; der Benedictiner Leodogar in
Marling rühmte gelegenheitlich einer Wallfahrt zur Erbietung der Glaubens¬
einheit den herbeigeströmten Tausenden das Beispiel eines Bürgermeisters von
Meran, der daselbst zur Zeit der Religionskriege sechs- ketzerische Eindringlinge
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