Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwedisch-Pommern war in der ersten Hälfte des Märzmonats vom Feinde
geräumt worden, namentlich hatte der Divisions-General Morand. Gouverneur
der Provinz, wie er sich nennen ließ., am 9. März 1813 Stralsund mit seinen
Truppen verlassen. Ob und welchen Antheil Schweden, dessen schlagfertige
Armee vom Kronprinzen Carl Johann (Bernadotte) commandirt wurde, am
bevorstehenden Kriege nehmen würde. darüber schwebte geheimnißvolles
Dunkel. Aber weder der landesherrlichen noch der väterlichen Einwilligung
schien es dem 19jährigen Jünglinge zu bedürfen, wo es galt, für die deutsche
Freiheit einzustehen.

Durch die Vermittlung eines Geschäftsfreundes meines auf einer Reise
abwesenden Vaters wurden die nothdürftigsten Geldmittel beschafft; sie ge¬
nügten kaum zur Ausrüstung eines freiwilligen Jägers beim Fußvolk. Doch
in jener Zeit war Alles Gemeingut, was zum Dienste des Vaterlandes be¬
stimmt war; deshalb wurde mit dem Freunde, den gleiche Gesinnung beseelte,
das beschaffte Geld getheilt. Hahn aus Güstrow. Candidat der Philologie,
und ich wanderten Ende März 1313 zu Fuß nach Berlin, wo wir die Adresse
des Lühow'schen Corps zu finden hofften. Hier sollten Büchse und Waffen¬
rock angeschafft werden. In Beziehung auf mich wurde der Plan durch einen
unvorhergesehenen Umstand verändert.

Des Wanderns ungewohnt kam ich in Berlin mit geschwollenen Füßen
an. Hahn, der in der Ungeduld seines Feuereisers mir vorausgeeilt war,
verließ Berlin ohne mich abzuwarten und trat bei den Fußjügern des Corps
ein. Ich mußte auf dem Schmerzen-Lager bei einem Freunde mich in Ge¬
duld üben.

Inzwischen war mein Vater von seiner Reise nach Schweden zurück¬
gekehrt. Meine willkürliche Entfernung erschien ihm als Eigenmacht und
Ungehorsam, nur in welchem sich die Lust um Soldatenleben offenbarte.
Da er meine Ankunft in Berlin erfahren hatte, so wurden Unterhandlungen
mit mir gepflogen. um mich entweder zur Rückkehr oder zum Eintritt in
den schwedischen Dienst, dem vier Brüder als Offiziere angehörten, zu be¬
wegen. Der schwedische Gesandte Graf Taube wurde zu dem Ende ange¬
gangen. Durch Vermittlung meines väterlichen Freundes Schleiermacher ge¬
lang es jedoch, meinen Vater über die wahren Beweggründe meines Schrittes
aufzuklären, und so wurden mir die Mittel denn gewährt, um mich als Frei¬
williger zu Pferde equipiren zu können. Der in Folge meiner Wanderung
angegriffene Zustand meiner Füße bestimmte den Entschluß, bei der Reiterei
einzutreten.

In der ersten Hülste des Monats April 1813 spiegelte das Berliner
Treiben das Bild eines bewegten Waffenlebens ab. Das Schwanken des
Königs hatte aufgehört, der Krieg gegen Frankreich war erklärt. Von allen


schwedisch-Pommern war in der ersten Hälfte des Märzmonats vom Feinde
geräumt worden, namentlich hatte der Divisions-General Morand. Gouverneur
der Provinz, wie er sich nennen ließ., am 9. März 1813 Stralsund mit seinen
Truppen verlassen. Ob und welchen Antheil Schweden, dessen schlagfertige
Armee vom Kronprinzen Carl Johann (Bernadotte) commandirt wurde, am
bevorstehenden Kriege nehmen würde. darüber schwebte geheimnißvolles
Dunkel. Aber weder der landesherrlichen noch der väterlichen Einwilligung
schien es dem 19jährigen Jünglinge zu bedürfen, wo es galt, für die deutsche
Freiheit einzustehen.

Durch die Vermittlung eines Geschäftsfreundes meines auf einer Reise
abwesenden Vaters wurden die nothdürftigsten Geldmittel beschafft; sie ge¬
nügten kaum zur Ausrüstung eines freiwilligen Jägers beim Fußvolk. Doch
in jener Zeit war Alles Gemeingut, was zum Dienste des Vaterlandes be¬
stimmt war; deshalb wurde mit dem Freunde, den gleiche Gesinnung beseelte,
das beschaffte Geld getheilt. Hahn aus Güstrow. Candidat der Philologie,
und ich wanderten Ende März 1313 zu Fuß nach Berlin, wo wir die Adresse
des Lühow'schen Corps zu finden hofften. Hier sollten Büchse und Waffen¬
rock angeschafft werden. In Beziehung auf mich wurde der Plan durch einen
unvorhergesehenen Umstand verändert.

Des Wanderns ungewohnt kam ich in Berlin mit geschwollenen Füßen
an. Hahn, der in der Ungeduld seines Feuereisers mir vorausgeeilt war,
verließ Berlin ohne mich abzuwarten und trat bei den Fußjügern des Corps
ein. Ich mußte auf dem Schmerzen-Lager bei einem Freunde mich in Ge¬
duld üben.

Inzwischen war mein Vater von seiner Reise nach Schweden zurück¬
gekehrt. Meine willkürliche Entfernung erschien ihm als Eigenmacht und
Ungehorsam, nur in welchem sich die Lust um Soldatenleben offenbarte.
Da er meine Ankunft in Berlin erfahren hatte, so wurden Unterhandlungen
mit mir gepflogen. um mich entweder zur Rückkehr oder zum Eintritt in
den schwedischen Dienst, dem vier Brüder als Offiziere angehörten, zu be¬
wegen. Der schwedische Gesandte Graf Taube wurde zu dem Ende ange¬
gangen. Durch Vermittlung meines väterlichen Freundes Schleiermacher ge¬
lang es jedoch, meinen Vater über die wahren Beweggründe meines Schrittes
aufzuklären, und so wurden mir die Mittel denn gewährt, um mich als Frei¬
williger zu Pferde equipiren zu können. Der in Folge meiner Wanderung
angegriffene Zustand meiner Füße bestimmte den Entschluß, bei der Reiterei
einzutreten.

In der ersten Hülste des Monats April 1813 spiegelte das Berliner
Treiben das Bild eines bewegten Waffenlebens ab. Das Schwanken des
Königs hatte aufgehört, der Krieg gegen Frankreich war erklärt. Von allen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/113002"/>
          <p xml:id="ID_1530"> schwedisch-Pommern war in der ersten Hälfte des Märzmonats vom Feinde<lb/>
geräumt worden, namentlich hatte der Divisions-General Morand. Gouverneur<lb/>
der Provinz, wie er sich nennen ließ., am 9. März 1813 Stralsund mit seinen<lb/>
Truppen verlassen. Ob und welchen Antheil Schweden, dessen schlagfertige<lb/>
Armee vom Kronprinzen Carl Johann (Bernadotte) commandirt wurde, am<lb/>
bevorstehenden Kriege nehmen würde. darüber schwebte geheimnißvolles<lb/>
Dunkel. Aber weder der landesherrlichen noch der väterlichen Einwilligung<lb/>
schien es dem 19jährigen Jünglinge zu bedürfen, wo es galt, für die deutsche<lb/>
Freiheit einzustehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1531"> Durch die Vermittlung eines Geschäftsfreundes meines auf einer Reise<lb/>
abwesenden Vaters wurden die nothdürftigsten Geldmittel beschafft; sie ge¬<lb/>
nügten kaum zur Ausrüstung eines freiwilligen Jägers beim Fußvolk. Doch<lb/>
in jener Zeit war Alles Gemeingut, was zum Dienste des Vaterlandes be¬<lb/>
stimmt war; deshalb wurde mit dem Freunde, den gleiche Gesinnung beseelte,<lb/>
das beschaffte Geld getheilt. Hahn aus Güstrow. Candidat der Philologie,<lb/>
und ich wanderten Ende März 1313 zu Fuß nach Berlin, wo wir die Adresse<lb/>
des Lühow'schen Corps zu finden hofften. Hier sollten Büchse und Waffen¬<lb/>
rock angeschafft werden. In Beziehung auf mich wurde der Plan durch einen<lb/>
unvorhergesehenen Umstand verändert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1532"> Des Wanderns ungewohnt kam ich in Berlin mit geschwollenen Füßen<lb/>
an. Hahn, der in der Ungeduld seines Feuereisers mir vorausgeeilt war,<lb/>
verließ Berlin ohne mich abzuwarten und trat bei den Fußjügern des Corps<lb/>
ein. Ich mußte auf dem Schmerzen-Lager bei einem Freunde mich in Ge¬<lb/>
duld üben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1533"> Inzwischen war mein Vater von seiner Reise nach Schweden zurück¬<lb/>
gekehrt. Meine willkürliche Entfernung erschien ihm als Eigenmacht und<lb/>
Ungehorsam, nur in welchem sich die Lust um Soldatenleben offenbarte.<lb/>
Da er meine Ankunft in Berlin erfahren hatte, so wurden Unterhandlungen<lb/>
mit mir gepflogen. um mich entweder zur Rückkehr oder zum Eintritt in<lb/>
den schwedischen Dienst, dem vier Brüder als Offiziere angehörten, zu be¬<lb/>
wegen. Der schwedische Gesandte Graf Taube wurde zu dem Ende ange¬<lb/>
gangen. Durch Vermittlung meines väterlichen Freundes Schleiermacher ge¬<lb/>
lang es jedoch, meinen Vater über die wahren Beweggründe meines Schrittes<lb/>
aufzuklären, und so wurden mir die Mittel denn gewährt, um mich als Frei¬<lb/>
williger zu Pferde equipiren zu können. Der in Folge meiner Wanderung<lb/>
angegriffene Zustand meiner Füße bestimmte den Entschluß, bei der Reiterei<lb/>
einzutreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> In der ersten Hülste des Monats April 1813 spiegelte das Berliner<lb/>
Treiben das Bild eines bewegten Waffenlebens ab. Das Schwanken des<lb/>
Königs hatte aufgehört, der Krieg gegen Frankreich war erklärt.  Von allen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] schwedisch-Pommern war in der ersten Hälfte des Märzmonats vom Feinde geräumt worden, namentlich hatte der Divisions-General Morand. Gouverneur der Provinz, wie er sich nennen ließ., am 9. März 1813 Stralsund mit seinen Truppen verlassen. Ob und welchen Antheil Schweden, dessen schlagfertige Armee vom Kronprinzen Carl Johann (Bernadotte) commandirt wurde, am bevorstehenden Kriege nehmen würde. darüber schwebte geheimnißvolles Dunkel. Aber weder der landesherrlichen noch der väterlichen Einwilligung schien es dem 19jährigen Jünglinge zu bedürfen, wo es galt, für die deutsche Freiheit einzustehen. Durch die Vermittlung eines Geschäftsfreundes meines auf einer Reise abwesenden Vaters wurden die nothdürftigsten Geldmittel beschafft; sie ge¬ nügten kaum zur Ausrüstung eines freiwilligen Jägers beim Fußvolk. Doch in jener Zeit war Alles Gemeingut, was zum Dienste des Vaterlandes be¬ stimmt war; deshalb wurde mit dem Freunde, den gleiche Gesinnung beseelte, das beschaffte Geld getheilt. Hahn aus Güstrow. Candidat der Philologie, und ich wanderten Ende März 1313 zu Fuß nach Berlin, wo wir die Adresse des Lühow'schen Corps zu finden hofften. Hier sollten Büchse und Waffen¬ rock angeschafft werden. In Beziehung auf mich wurde der Plan durch einen unvorhergesehenen Umstand verändert. Des Wanderns ungewohnt kam ich in Berlin mit geschwollenen Füßen an. Hahn, der in der Ungeduld seines Feuereisers mir vorausgeeilt war, verließ Berlin ohne mich abzuwarten und trat bei den Fußjügern des Corps ein. Ich mußte auf dem Schmerzen-Lager bei einem Freunde mich in Ge¬ duld üben. Inzwischen war mein Vater von seiner Reise nach Schweden zurück¬ gekehrt. Meine willkürliche Entfernung erschien ihm als Eigenmacht und Ungehorsam, nur in welchem sich die Lust um Soldatenleben offenbarte. Da er meine Ankunft in Berlin erfahren hatte, so wurden Unterhandlungen mit mir gepflogen. um mich entweder zur Rückkehr oder zum Eintritt in den schwedischen Dienst, dem vier Brüder als Offiziere angehörten, zu be¬ wegen. Der schwedische Gesandte Graf Taube wurde zu dem Ende ange¬ gangen. Durch Vermittlung meines väterlichen Freundes Schleiermacher ge¬ lang es jedoch, meinen Vater über die wahren Beweggründe meines Schrittes aufzuklären, und so wurden mir die Mittel denn gewährt, um mich als Frei¬ williger zu Pferde equipiren zu können. Der in Folge meiner Wanderung angegriffene Zustand meiner Füße bestimmte den Entschluß, bei der Reiterei einzutreten. In der ersten Hülste des Monats April 1813 spiegelte das Berliner Treiben das Bild eines bewegten Waffenlebens ab. Das Schwanken des Königs hatte aufgehört, der Krieg gegen Frankreich war erklärt. Von allen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/494>, abgerufen am 29.12.2024.