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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Seiten strömten die Vertheidiger des Vaterlandes herbei, um ihre Marsch¬
routen von hier zur Armee nach Schlesien zu erhalten. Allenthalben, wo der
freie Raum es erlaubte, sah man junge Leute sich im Marschiren und Exer-
ciren üben. Um die Zelte herum war es besonders lebhaft; die dort befind¬
lichen Barriören dienten kecken Reitern zu Uebungen im Hinübersetzen. Hieher
brachten Roßkämme ihre Pferde zum Verkauf und Tausch; denn hier konnten
diese in allen Gangarten und Tempo's bequem getummelt werden.

Auch ich erstand hier meinen wilden Ukräner, der von einem Kosaken des
Tschernitchef'schen Corps herstanunte. Ein kräftigeres, braveres Pferd gab es
nicht; unermüdet durch den längsten Tagesmarsch war ihm kein Graben zu
breit, kein Schlagbaum oder Zaun zu hoch; mit Leichtigkeit setzte es darüber
hinweg, und obschon hochbeinig, mager, mit Weichselzopf in Schweif und
Mähne behaftet und darum unansehnlich, war es doch an Ausdauer und
Schnelligkeit das ausgezeichnetste Roß in der Freischaar.

Mit dem Besitz eines tüchtigen Pferdes waren die größten Schwierig¬
keiten der Wehrhaftmachung überwunden. Sattelzeug, Uniform. Pistolen und
Säbel waren bald in bester Qualität angeschafft, und mir brannte der Boden
unter den Sohlen, bevor ich die Lützow'sche Freischaar erreichte. Diese war,
wie ich von einem mit den Angelegenheiten des Corps vertrauten Manne,
dem Rittmeister von Grävenitz, erfuhr, von Nogau in Schlesien aufgebrochen
und auf dem Marsche nach Dresden. Dahin lag für mich also das nächste
Marschziel. Damals führte die große Heerstraße aus dem Halle'schen Thore
über Mittenwalde. Baruth. Dahme. Groß-Hainichen nach Dresden, wenigstens
war es der Weg, den ick auf den Rath kundiger Männer einschlug. Um mein
durch den Vorbesitzer sehr abgetriebenes Pferd zu schonen, machte ich kurze
Tagemarsche.

Aus der Commandantur in Dresden traf ich Ernst Moritz Arndt, der mich
als den ersten Landsmann begrüßte, welcher für die große Sache das Schwert
gezogen; er führte mich sofort in das Körnersche Haus, wo ich Vater und
Schwester eines spätern Kriegsgenossen, Theodor Körner's, kennen lernte. Das
Lützow'sche Freicorps hatte inzwischen Dresden vor mehreren Tagen schon ver¬
lassen, und ich eilte demselben auf Leipzig zu nach, wo ich es denn auch um
die Mitte des Monats April erreichte.

In Leipzig schritt die Organisation der Cavallerie des Lützow'schen
Corps der Vollendung entgegen. Die erste, zweite und Uhlanenescadron wur¬
den hier vollzählig; eine vierte Escadron wurde später vom Rittmeister
v. Bismark dem Corps in der Mark ohnweit der Elbe zugeführt; die fünfte,
unter und durch Rittmeister Fischer in der Gegend von Havelberg gebildet,
befand sich noch in der Organisation/ als der später zu beschreibende Zug von
Stendal angetreten wurde.


Seiten strömten die Vertheidiger des Vaterlandes herbei, um ihre Marsch¬
routen von hier zur Armee nach Schlesien zu erhalten. Allenthalben, wo der
freie Raum es erlaubte, sah man junge Leute sich im Marschiren und Exer-
ciren üben. Um die Zelte herum war es besonders lebhaft; die dort befind¬
lichen Barriören dienten kecken Reitern zu Uebungen im Hinübersetzen. Hieher
brachten Roßkämme ihre Pferde zum Verkauf und Tausch; denn hier konnten
diese in allen Gangarten und Tempo's bequem getummelt werden.

Auch ich erstand hier meinen wilden Ukräner, der von einem Kosaken des
Tschernitchef'schen Corps herstanunte. Ein kräftigeres, braveres Pferd gab es
nicht; unermüdet durch den längsten Tagesmarsch war ihm kein Graben zu
breit, kein Schlagbaum oder Zaun zu hoch; mit Leichtigkeit setzte es darüber
hinweg, und obschon hochbeinig, mager, mit Weichselzopf in Schweif und
Mähne behaftet und darum unansehnlich, war es doch an Ausdauer und
Schnelligkeit das ausgezeichnetste Roß in der Freischaar.

Mit dem Besitz eines tüchtigen Pferdes waren die größten Schwierig¬
keiten der Wehrhaftmachung überwunden. Sattelzeug, Uniform. Pistolen und
Säbel waren bald in bester Qualität angeschafft, und mir brannte der Boden
unter den Sohlen, bevor ich die Lützow'sche Freischaar erreichte. Diese war,
wie ich von einem mit den Angelegenheiten des Corps vertrauten Manne,
dem Rittmeister von Grävenitz, erfuhr, von Nogau in Schlesien aufgebrochen
und auf dem Marsche nach Dresden. Dahin lag für mich also das nächste
Marschziel. Damals führte die große Heerstraße aus dem Halle'schen Thore
über Mittenwalde. Baruth. Dahme. Groß-Hainichen nach Dresden, wenigstens
war es der Weg, den ick auf den Rath kundiger Männer einschlug. Um mein
durch den Vorbesitzer sehr abgetriebenes Pferd zu schonen, machte ich kurze
Tagemarsche.

Aus der Commandantur in Dresden traf ich Ernst Moritz Arndt, der mich
als den ersten Landsmann begrüßte, welcher für die große Sache das Schwert
gezogen; er führte mich sofort in das Körnersche Haus, wo ich Vater und
Schwester eines spätern Kriegsgenossen, Theodor Körner's, kennen lernte. Das
Lützow'sche Freicorps hatte inzwischen Dresden vor mehreren Tagen schon ver¬
lassen, und ich eilte demselben auf Leipzig zu nach, wo ich es denn auch um
die Mitte des Monats April erreichte.

In Leipzig schritt die Organisation der Cavallerie des Lützow'schen
Corps der Vollendung entgegen. Die erste, zweite und Uhlanenescadron wur¬
den hier vollzählig; eine vierte Escadron wurde später vom Rittmeister
v. Bismark dem Corps in der Mark ohnweit der Elbe zugeführt; die fünfte,
unter und durch Rittmeister Fischer in der Gegend von Havelberg gebildet,
befand sich noch in der Organisation/ als der später zu beschreibende Zug von
Stendal angetreten wurde.


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[0495] Seiten strömten die Vertheidiger des Vaterlandes herbei, um ihre Marsch¬ routen von hier zur Armee nach Schlesien zu erhalten. Allenthalben, wo der freie Raum es erlaubte, sah man junge Leute sich im Marschiren und Exer- ciren üben. Um die Zelte herum war es besonders lebhaft; die dort befind¬ lichen Barriören dienten kecken Reitern zu Uebungen im Hinübersetzen. Hieher brachten Roßkämme ihre Pferde zum Verkauf und Tausch; denn hier konnten diese in allen Gangarten und Tempo's bequem getummelt werden. Auch ich erstand hier meinen wilden Ukräner, der von einem Kosaken des Tschernitchef'schen Corps herstanunte. Ein kräftigeres, braveres Pferd gab es nicht; unermüdet durch den längsten Tagesmarsch war ihm kein Graben zu breit, kein Schlagbaum oder Zaun zu hoch; mit Leichtigkeit setzte es darüber hinweg, und obschon hochbeinig, mager, mit Weichselzopf in Schweif und Mähne behaftet und darum unansehnlich, war es doch an Ausdauer und Schnelligkeit das ausgezeichnetste Roß in der Freischaar. Mit dem Besitz eines tüchtigen Pferdes waren die größten Schwierig¬ keiten der Wehrhaftmachung überwunden. Sattelzeug, Uniform. Pistolen und Säbel waren bald in bester Qualität angeschafft, und mir brannte der Boden unter den Sohlen, bevor ich die Lützow'sche Freischaar erreichte. Diese war, wie ich von einem mit den Angelegenheiten des Corps vertrauten Manne, dem Rittmeister von Grävenitz, erfuhr, von Nogau in Schlesien aufgebrochen und auf dem Marsche nach Dresden. Dahin lag für mich also das nächste Marschziel. Damals führte die große Heerstraße aus dem Halle'schen Thore über Mittenwalde. Baruth. Dahme. Groß-Hainichen nach Dresden, wenigstens war es der Weg, den ick auf den Rath kundiger Männer einschlug. Um mein durch den Vorbesitzer sehr abgetriebenes Pferd zu schonen, machte ich kurze Tagemarsche. Aus der Commandantur in Dresden traf ich Ernst Moritz Arndt, der mich als den ersten Landsmann begrüßte, welcher für die große Sache das Schwert gezogen; er führte mich sofort in das Körnersche Haus, wo ich Vater und Schwester eines spätern Kriegsgenossen, Theodor Körner's, kennen lernte. Das Lützow'sche Freicorps hatte inzwischen Dresden vor mehreren Tagen schon ver¬ lassen, und ich eilte demselben auf Leipzig zu nach, wo ich es denn auch um die Mitte des Monats April erreichte. In Leipzig schritt die Organisation der Cavallerie des Lützow'schen Corps der Vollendung entgegen. Die erste, zweite und Uhlanenescadron wur¬ den hier vollzählig; eine vierte Escadron wurde später vom Rittmeister v. Bismark dem Corps in der Mark ohnweit der Elbe zugeführt; die fünfte, unter und durch Rittmeister Fischer in der Gegend von Havelberg gebildet, befand sich noch in der Organisation/ als der später zu beschreibende Zug von Stendal angetreten wurde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/495>, abgerufen am 23.07.2024.