Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vorgeschriebener Form. Dann fragte jener werter, mit wie viel Freischöffen
er das Geliebt bekleiden solle? Der Freifrohnc antwortete: wenigstens mit
sich'in'Freischöffen. Nun wählte der Freig'las siedet Freischöffen nnwentlich
aus -- so viele waren zur Hegung erforderlich. Dalin wurde in ahnliche'i
Weise erklärt, welche Strafe denjenigen treffe, der den Frieden des Gerichtes
Me'. so'Me'den unwissenden Mann, der in der heimlichen Acht bliebe, end¬
lich auch, welche Sachen vor dem Gerichte entschieden werdeii könnten.

Waren diese Formalitäten abgclüachi, so heischte der FreWäf den'Kläret
ins Gericht, seine Klage vorzubringen. Es scheM in den allerseltensten Fällen
vorgekommen zu sein. daß ein Angeklagter, der sich schuldig'WußK, M Ge¬
richte erschien. Wer sich voi Gericht überhaupt verantworten'wollte, stellte sich
vor den ordentlichen Gerichten und wartete nicht, bis'ihn'die Feh/me'vörlud.
Daher sind belin unsere Nächrichten für einen solchen Fall höchst'wangeliiaft.
Folgendes ist wol als sicher anzunehmen: Keiner >MM MP-M<> Gericht
sprechen, er wußte unter den Freischöffen sich eine>i "Vorsprechcr" wählen^
Durch diesen brachte der Kläger seine Klage vor, durch biisen veram'lwMete
sind) der Angeklagte; Hauptbeweismittel wär der Eid. Jener Mißte wie -2
Eideshelfern (d. h. Fre>Schöffen. die eidlich erklärten, daß sie feinen Eid für rein
und wahr hielten), also mit 3 Eiden seine Klage beschwören; dieser konnte
dagegen mit e E>deshclfern, also 7 Eiden auftreten, dann jener wiederum
mit 14 Eiden seine Klage aufrecht halten, endlich dieser mit 21 Eiden sich
losschwören -- das Wüir das höchste Zeugniß, und nun war er frei. Fand
er keine Elbe'shelfer oder nicht genug, so fragte der Frelgriff-i-Weit"FieischöffeM
was seine "Wette" (Buße, Strafe) sei. Dieser ging dann aus dem Gericht,
tierieth sich mit d'^ir "Umstände", kam wieder ins Gericht üM irklüM daß
^r'Angeklagte die "höchste Wette" schuldig sei. die Wyd. d.- h. den StrttNg:
Dann sprach det Fieigraf das Urtheil, warf den Strick übet sich weg-'aus
dem Gericht, und sofort wurde der Veruitheilte zum nächsten Baum geführt
und gehängt. Dieses scheint det norrNale Gang gewesen zu sein, bei dem
nach Umständen Mödificationeii eintreten mochten. Indeß scheint das seht
selten vorgekommen zu sein, wie wii bewerkteri. Die Fehmrechtsbücher sowie
die sonstigen Urkunden' berühren fast nur den Fall, daß der Angeklagte aus-
M.^"' /-U"^^.V..V^b<^ chMs

In diesem Falle, wenn der Angeklagte selbst auf die dritte ordentliche La¬
dung nicht erschien, also ein offenbarer Verächter des höchsten kaiserlichen
Gerichts war, trat die Berfehmung d. h. Achtserklärüng ein. und gerade
diese war es. die der Fehme ihre Kraft verlieh und sie so gefürchtet machte.
Der Kläger bewies dcM. daß eine drei- öder wehrmalige Vorladung richtig
erfolgt sei; dann kniete er mit seinen 6 Eideshelfern vor dem Freigrafen nie¬
der und beschwor seine Klage, lusca er seine rechte Hand auf das blanke


vorgeschriebener Form. Dann fragte jener werter, mit wie viel Freischöffen
er das Geliebt bekleiden solle? Der Freifrohnc antwortete: wenigstens mit
sich'in'Freischöffen. Nun wählte der Freig'las siedet Freischöffen nnwentlich
aus — so viele waren zur Hegung erforderlich. Dalin wurde in ahnliche'i
Weise erklärt, welche Strafe denjenigen treffe, der den Frieden des Gerichtes
Me'. so'Me'den unwissenden Mann, der in der heimlichen Acht bliebe, end¬
lich auch, welche Sachen vor dem Gerichte entschieden werdeii könnten.

Waren diese Formalitäten abgclüachi, so heischte der FreWäf den'Kläret
ins Gericht, seine Klage vorzubringen. Es scheM in den allerseltensten Fällen
vorgekommen zu sein. daß ein Angeklagter, der sich schuldig'WußK, M Ge¬
richte erschien. Wer sich voi Gericht überhaupt verantworten'wollte, stellte sich
vor den ordentlichen Gerichten und wartete nicht, bis'ihn'die Feh/me'vörlud.
Daher sind belin unsere Nächrichten für einen solchen Fall höchst'wangeliiaft.
Folgendes ist wol als sicher anzunehmen: Keiner >MM MP-M<> Gericht
sprechen, er wußte unter den Freischöffen sich eine>i „Vorsprechcr" wählen^
Durch diesen brachte der Kläger seine Klage vor, durch biisen veram'lwMete
sind) der Angeklagte; Hauptbeweismittel wär der Eid. Jener Mißte wie -2
Eideshelfern (d. h. Fre>Schöffen. die eidlich erklärten, daß sie feinen Eid für rein
und wahr hielten), also mit 3 Eiden seine Klage beschwören; dieser konnte
dagegen mit e E>deshclfern, also 7 Eiden auftreten, dann jener wiederum
mit 14 Eiden seine Klage aufrecht halten, endlich dieser mit 21 Eiden sich
losschwören — das Wüir das höchste Zeugniß, und nun war er frei. Fand
er keine Elbe'shelfer oder nicht genug, so fragte der Frelgriff-i-Weit"FieischöffeM
was seine „Wette" (Buße, Strafe) sei. Dieser ging dann aus dem Gericht,
tierieth sich mit d'^ir „Umstände", kam wieder ins Gericht üM irklüM daß
^r'Angeklagte die „höchste Wette" schuldig sei. die Wyd. d.- h. den StrttNg:
Dann sprach det Fieigraf das Urtheil, warf den Strick übet sich weg-'aus
dem Gericht, und sofort wurde der Veruitheilte zum nächsten Baum geführt
und gehängt. Dieses scheint det norrNale Gang gewesen zu sein, bei dem
nach Umständen Mödificationeii eintreten mochten. Indeß scheint das seht
selten vorgekommen zu sein, wie wii bewerkteri. Die Fehmrechtsbücher sowie
die sonstigen Urkunden' berühren fast nur den Fall, daß der Angeklagte aus-
M.^"' /-U„^^.V..V^b<^ chMs

In diesem Falle, wenn der Angeklagte selbst auf die dritte ordentliche La¬
dung nicht erschien, also ein offenbarer Verächter des höchsten kaiserlichen
Gerichts war, trat die Berfehmung d. h. Achtserklärüng ein. und gerade
diese war es. die der Fehme ihre Kraft verlieh und sie so gefürchtet machte.
Der Kläger bewies dcM. daß eine drei- öder wehrmalige Vorladung richtig
erfolgt sei; dann kniete er mit seinen 6 Eideshelfern vor dem Freigrafen nie¬
der und beschwor seine Klage, lusca er seine rechte Hand auf das blanke


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112864"/>
          <p xml:id="ID_1057" prev="#ID_1056"> vorgeschriebener Form. Dann fragte jener werter, mit wie viel Freischöffen<lb/>
er das Geliebt bekleiden solle? Der Freifrohnc antwortete: wenigstens mit<lb/>
sich'in'Freischöffen. Nun wählte der Freig'las siedet Freischöffen nnwentlich<lb/>
aus &#x2014; so viele waren zur Hegung erforderlich. Dalin wurde in ahnliche'i<lb/>
Weise erklärt, welche Strafe denjenigen treffe, der den Frieden des Gerichtes<lb/>
Me'. so'Me'den unwissenden Mann, der in der heimlichen Acht bliebe, end¬<lb/>
lich auch, welche Sachen vor dem Gerichte entschieden werdeii könnten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1058"> Waren diese Formalitäten abgclüachi, so heischte der FreWäf den'Kläret<lb/>
ins Gericht, seine Klage vorzubringen. Es scheM in den allerseltensten Fällen<lb/>
vorgekommen zu sein. daß ein Angeklagter, der sich schuldig'WußK, M Ge¬<lb/>
richte erschien. Wer sich voi Gericht überhaupt verantworten'wollte, stellte sich<lb/>
vor den ordentlichen Gerichten und wartete nicht, bis'ihn'die Feh/me'vörlud.<lb/>
Daher sind belin unsere Nächrichten für einen solchen Fall höchst'wangeliiaft.<lb/>
Folgendes ist wol als sicher anzunehmen: Keiner &gt;MM MP-M&lt;&gt; Gericht<lb/>
sprechen, er wußte unter den Freischöffen sich eine&gt;i &#x201E;Vorsprechcr" wählen^<lb/>
Durch diesen brachte der Kläger seine Klage vor, durch biisen veram'lwMete<lb/>
sind) der Angeklagte; Hauptbeweismittel wär der Eid. Jener Mißte wie -2<lb/>
Eideshelfern (d. h. Fre&gt;Schöffen. die eidlich erklärten, daß sie feinen Eid für rein<lb/>
und wahr hielten), also mit 3 Eiden seine Klage beschwören; dieser konnte<lb/>
dagegen mit e E&gt;deshclfern, also 7 Eiden auftreten, dann jener wiederum<lb/>
mit 14 Eiden seine Klage aufrecht halten, endlich dieser mit 21 Eiden sich<lb/>
losschwören &#x2014; das Wüir das höchste Zeugniß, und nun war er frei. Fand<lb/>
er keine Elbe'shelfer oder nicht genug, so fragte der Frelgriff-i-Weit"FieischöffeM<lb/>
was seine &#x201E;Wette" (Buße, Strafe) sei. Dieser ging dann aus dem Gericht,<lb/>
tierieth sich mit d'^ir &#x201E;Umstände", kam wieder ins Gericht üM irklüM daß<lb/>
^r'Angeklagte die &#x201E;höchste Wette" schuldig sei. die Wyd. d.- h. den StrttNg:<lb/>
Dann sprach det Fieigraf das Urtheil, warf den Strick übet sich weg-'aus<lb/>
dem Gericht, und sofort wurde der Veruitheilte zum nächsten Baum geführt<lb/>
und gehängt. Dieses scheint det norrNale Gang gewesen zu sein, bei dem<lb/>
nach Umständen Mödificationeii eintreten mochten. Indeß scheint das seht<lb/>
selten vorgekommen zu sein, wie wii bewerkteri. Die Fehmrechtsbücher sowie<lb/>
die sonstigen Urkunden' berühren fast nur den Fall, daß der Angeklagte aus-<lb/>
M.^"' /-U&#x201E;^^.V..V^b&lt;^ chMs</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1059" next="#ID_1060"> In diesem Falle, wenn der Angeklagte selbst auf die dritte ordentliche La¬<lb/>
dung nicht erschien, also ein offenbarer Verächter des höchsten kaiserlichen<lb/>
Gerichts war, trat die Berfehmung d. h. Achtserklärüng ein. und gerade<lb/>
diese war es. die der Fehme ihre Kraft verlieh und sie so gefürchtet machte.<lb/>
Der Kläger bewies dcM. daß eine drei- öder wehrmalige Vorladung richtig<lb/>
erfolgt sei; dann kniete er mit seinen 6 Eideshelfern vor dem Freigrafen nie¬<lb/>
der und beschwor seine Klage, lusca er seine rechte Hand auf das blanke</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] vorgeschriebener Form. Dann fragte jener werter, mit wie viel Freischöffen er das Geliebt bekleiden solle? Der Freifrohnc antwortete: wenigstens mit sich'in'Freischöffen. Nun wählte der Freig'las siedet Freischöffen nnwentlich aus — so viele waren zur Hegung erforderlich. Dalin wurde in ahnliche'i Weise erklärt, welche Strafe denjenigen treffe, der den Frieden des Gerichtes Me'. so'Me'den unwissenden Mann, der in der heimlichen Acht bliebe, end¬ lich auch, welche Sachen vor dem Gerichte entschieden werdeii könnten. Waren diese Formalitäten abgclüachi, so heischte der FreWäf den'Kläret ins Gericht, seine Klage vorzubringen. Es scheM in den allerseltensten Fällen vorgekommen zu sein. daß ein Angeklagter, der sich schuldig'WußK, M Ge¬ richte erschien. Wer sich voi Gericht überhaupt verantworten'wollte, stellte sich vor den ordentlichen Gerichten und wartete nicht, bis'ihn'die Feh/me'vörlud. Daher sind belin unsere Nächrichten für einen solchen Fall höchst'wangeliiaft. Folgendes ist wol als sicher anzunehmen: Keiner >MM MP-M<> Gericht sprechen, er wußte unter den Freischöffen sich eine>i „Vorsprechcr" wählen^ Durch diesen brachte der Kläger seine Klage vor, durch biisen veram'lwMete sind) der Angeklagte; Hauptbeweismittel wär der Eid. Jener Mißte wie -2 Eideshelfern (d. h. Fre>Schöffen. die eidlich erklärten, daß sie feinen Eid für rein und wahr hielten), also mit 3 Eiden seine Klage beschwören; dieser konnte dagegen mit e E>deshclfern, also 7 Eiden auftreten, dann jener wiederum mit 14 Eiden seine Klage aufrecht halten, endlich dieser mit 21 Eiden sich losschwören — das Wüir das höchste Zeugniß, und nun war er frei. Fand er keine Elbe'shelfer oder nicht genug, so fragte der Frelgriff-i-Weit"FieischöffeM was seine „Wette" (Buße, Strafe) sei. Dieser ging dann aus dem Gericht, tierieth sich mit d'^ir „Umstände", kam wieder ins Gericht üM irklüM daß ^r'Angeklagte die „höchste Wette" schuldig sei. die Wyd. d.- h. den StrttNg: Dann sprach det Fieigraf das Urtheil, warf den Strick übet sich weg-'aus dem Gericht, und sofort wurde der Veruitheilte zum nächsten Baum geführt und gehängt. Dieses scheint det norrNale Gang gewesen zu sein, bei dem nach Umständen Mödificationeii eintreten mochten. Indeß scheint das seht selten vorgekommen zu sein, wie wii bewerkteri. Die Fehmrechtsbücher sowie die sonstigen Urkunden' berühren fast nur den Fall, daß der Angeklagte aus- M.^"' /-U„^^.V..V^b<^ chMs In diesem Falle, wenn der Angeklagte selbst auf die dritte ordentliche La¬ dung nicht erschien, also ein offenbarer Verächter des höchsten kaiserlichen Gerichts war, trat die Berfehmung d. h. Achtserklärüng ein. und gerade diese war es. die der Fehme ihre Kraft verlieh und sie so gefürchtet machte. Der Kläger bewies dcM. daß eine drei- öder wehrmalige Vorladung richtig erfolgt sei; dann kniete er mit seinen 6 Eideshelfern vor dem Freigrafen nie¬ der und beschwor seine Klage, lusca er seine rechte Hand auf das blanke

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/356>, abgerufen am 01.07.2024.