Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

verherrlick)en. die eigene Macht als die angestammte des Hauses anschaulich
zu machen und zugleich der Malerei in der Vergangenheit ein ergiebiges Feld
zu öffnen, wie es die Gegenwart nicht bieten konnte. Die Nation und die
Kunst kamen dieser neuen Anregung auf halbem Wege entgegen. Das Land
war aus dem Taumel der Weltherrschaft, den es doch theuer hatte bezahlen
müssen, wieder erwacht und sträubte sich nicht, mit den Segnungen des Friedens
auch das alte wieder eingesetzte Königthum zu schützen, sich in die Geschichte
früherer Zeiten wieder einzuleben. In der Malerei war schon Anfang des
Jahrhunderts innerhalb der David'schen Schule selber eine Art von Umkehr
zu den nationalen und malerischen Stoffen der französischen und zu der neueren
Geschichte überhaupt erfolgt. Unter der Revolution hatte man die historischen
Alterthümer Frankreichs, die man in den aufgehobenen Kirchen und Klöstern
gefunden, gesammelt und allmülig in einem besonderen Museum <Nus6<z
ach inoiruiuerits ti-an^is in der Kirche und dem Kloster Ä"zö ^edles-^usustins)
vereinigt. Das Interesse für diese bisher ziemlich unbekannten Dinge erwachte,
und schon fanden sich Einzelne, welche mit ihrer Zeichenmappe aus dem An-
tikencabinet zu den nationalen Denkmälern wanderten. Und ähnlich wie die
romantische Schule in Deutschland die gothische Baukunst wieder zu Ehren
brachte und überhaupt in Ruinen und alte Klosterhöfe mit schwärmerischer
Vorliebe sich verlor, so suchte in Frankreich die Kunst zuerst wieder den Schimmer
des Malerischen in dem Helldunkel alter ehrwürdiger Gebäude auf.

Franyois MariusGranet und Philippe Auguste Comte de Forbin.
Beide Schüler Davids, waren es. denen der ästhetische Reiz des Mittelalters und
der Renaissance in der Architektur aufging. Es ist bezeichnend , daß sich die Ma¬
lerei am Beginn ihrer neuen Laufbahn an die Ueberreste der kirchlichen Bauten
hielt; aus den alten Krcuzgüngen, Chören und Hallen wehte den Beschauer
eine ahnungsvolle Stimmung an, während zugleich die feste gesetzmäßige ar¬
chitektonische Form zwischen der alten und neuen Schule eine Art von Ver¬
mittlung bildete. Und wenn auch in den Bildern der beiden Meister die Ar¬
chitektur im Grunde die Hauptsache war, so fand man die Aufgabe der Kunst
doch immer auch in der Darstellung eines bedeutsamen menschlichen Vorganges.
Bei Gräuel und Forbin sind die Figuren keine bloße Staffage, die lediglich
den Zweck hätte, den todten Raum durch die Gegenwart des Menschen über¬
haupt zu beleben; sie zeigen fast immer ein geschichtliches oder novellistisches
Ereigniß, das dem Gebäude gleichsam die künstlerische Weihe gibt, oder stehen
doch mit demselben in einem wesentlichen Zusammenhang (z. B. Gräuels be¬
kanntestes Bild "die Kapuziner in ihrer Kirche des Platzes Barbarini zu Rom".
Forbin "die todte Ines da Castro, gekrönt in einem spanischen Kloster", "Ver¬
hör einer Nonne im Gefängniß" u. f. f.). Beide Maler gehen immer darauf
aus, die Stimmung des Vorganges mit der architektonischen Umgebung in


verherrlick)en. die eigene Macht als die angestammte des Hauses anschaulich
zu machen und zugleich der Malerei in der Vergangenheit ein ergiebiges Feld
zu öffnen, wie es die Gegenwart nicht bieten konnte. Die Nation und die
Kunst kamen dieser neuen Anregung auf halbem Wege entgegen. Das Land
war aus dem Taumel der Weltherrschaft, den es doch theuer hatte bezahlen
müssen, wieder erwacht und sträubte sich nicht, mit den Segnungen des Friedens
auch das alte wieder eingesetzte Königthum zu schützen, sich in die Geschichte
früherer Zeiten wieder einzuleben. In der Malerei war schon Anfang des
Jahrhunderts innerhalb der David'schen Schule selber eine Art von Umkehr
zu den nationalen und malerischen Stoffen der französischen und zu der neueren
Geschichte überhaupt erfolgt. Unter der Revolution hatte man die historischen
Alterthümer Frankreichs, die man in den aufgehobenen Kirchen und Klöstern
gefunden, gesammelt und allmülig in einem besonderen Museum <Nus6<z
ach inoiruiuerits ti-an^is in der Kirche und dem Kloster Ä«zö ^edles-^usustins)
vereinigt. Das Interesse für diese bisher ziemlich unbekannten Dinge erwachte,
und schon fanden sich Einzelne, welche mit ihrer Zeichenmappe aus dem An-
tikencabinet zu den nationalen Denkmälern wanderten. Und ähnlich wie die
romantische Schule in Deutschland die gothische Baukunst wieder zu Ehren
brachte und überhaupt in Ruinen und alte Klosterhöfe mit schwärmerischer
Vorliebe sich verlor, so suchte in Frankreich die Kunst zuerst wieder den Schimmer
des Malerischen in dem Helldunkel alter ehrwürdiger Gebäude auf.

Franyois MariusGranet und Philippe Auguste Comte de Forbin.
Beide Schüler Davids, waren es. denen der ästhetische Reiz des Mittelalters und
der Renaissance in der Architektur aufging. Es ist bezeichnend , daß sich die Ma¬
lerei am Beginn ihrer neuen Laufbahn an die Ueberreste der kirchlichen Bauten
hielt; aus den alten Krcuzgüngen, Chören und Hallen wehte den Beschauer
eine ahnungsvolle Stimmung an, während zugleich die feste gesetzmäßige ar¬
chitektonische Form zwischen der alten und neuen Schule eine Art von Ver¬
mittlung bildete. Und wenn auch in den Bildern der beiden Meister die Ar¬
chitektur im Grunde die Hauptsache war, so fand man die Aufgabe der Kunst
doch immer auch in der Darstellung eines bedeutsamen menschlichen Vorganges.
Bei Gräuel und Forbin sind die Figuren keine bloße Staffage, die lediglich
den Zweck hätte, den todten Raum durch die Gegenwart des Menschen über¬
haupt zu beleben; sie zeigen fast immer ein geschichtliches oder novellistisches
Ereigniß, das dem Gebäude gleichsam die künstlerische Weihe gibt, oder stehen
doch mit demselben in einem wesentlichen Zusammenhang (z. B. Gräuels be¬
kanntestes Bild „die Kapuziner in ihrer Kirche des Platzes Barbarini zu Rom".
Forbin „die todte Ines da Castro, gekrönt in einem spanischen Kloster", „Ver¬
hör einer Nonne im Gefängniß" u. f. f.). Beide Maler gehen immer darauf
aus, die Stimmung des Vorganges mit der architektonischen Umgebung in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112541"/>
            <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> verherrlick)en. die eigene Macht als die angestammte des Hauses anschaulich<lb/>
zu machen und zugleich der Malerei in der Vergangenheit ein ergiebiges Feld<lb/>
zu öffnen, wie es die Gegenwart nicht bieten konnte. Die Nation und die<lb/>
Kunst kamen dieser neuen Anregung auf halbem Wege entgegen. Das Land<lb/>
war aus dem Taumel der Weltherrschaft, den es doch theuer hatte bezahlen<lb/>
müssen, wieder erwacht und sträubte sich nicht, mit den Segnungen des Friedens<lb/>
auch das alte wieder eingesetzte Königthum zu schützen, sich in die Geschichte<lb/>
früherer Zeiten wieder einzuleben. In der Malerei war schon Anfang des<lb/>
Jahrhunderts innerhalb der David'schen Schule selber eine Art von Umkehr<lb/>
zu den nationalen und malerischen Stoffen der französischen und zu der neueren<lb/>
Geschichte überhaupt erfolgt. Unter der Revolution hatte man die historischen<lb/>
Alterthümer Frankreichs, die man in den aufgehobenen Kirchen und Klöstern<lb/>
gefunden, gesammelt und allmülig in einem besonderen Museum &lt;Nus6&lt;z<lb/>
ach inoiruiuerits ti-an^is in der Kirche und dem Kloster Ä«zö ^edles-^usustins)<lb/>
vereinigt. Das Interesse für diese bisher ziemlich unbekannten Dinge erwachte,<lb/>
und schon fanden sich Einzelne, welche mit ihrer Zeichenmappe aus dem An-<lb/>
tikencabinet zu den nationalen Denkmälern wanderten. Und ähnlich wie die<lb/>
romantische Schule in Deutschland die gothische Baukunst wieder zu Ehren<lb/>
brachte und überhaupt in Ruinen und alte Klosterhöfe mit schwärmerischer<lb/>
Vorliebe sich verlor, so suchte in Frankreich die Kunst zuerst wieder den Schimmer<lb/>
des Malerischen in dem Helldunkel alter ehrwürdiger Gebäude auf.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_85" next="#ID_86"> Franyois MariusGranet und Philippe Auguste Comte de Forbin.<lb/>
Beide Schüler Davids, waren es. denen der ästhetische Reiz des Mittelalters und<lb/>
der Renaissance in der Architektur aufging. Es ist bezeichnend , daß sich die Ma¬<lb/>
lerei am Beginn ihrer neuen Laufbahn an die Ueberreste der kirchlichen Bauten<lb/>
hielt; aus den alten Krcuzgüngen, Chören und Hallen wehte den Beschauer<lb/>
eine ahnungsvolle Stimmung an, während zugleich die feste gesetzmäßige ar¬<lb/>
chitektonische Form zwischen der alten und neuen Schule eine Art von Ver¬<lb/>
mittlung bildete. Und wenn auch in den Bildern der beiden Meister die Ar¬<lb/>
chitektur im Grunde die Hauptsache war, so fand man die Aufgabe der Kunst<lb/>
doch immer auch in der Darstellung eines bedeutsamen menschlichen Vorganges.<lb/>
Bei Gräuel und Forbin sind die Figuren keine bloße Staffage, die lediglich<lb/>
den Zweck hätte, den todten Raum durch die Gegenwart des Menschen über¬<lb/>
haupt zu beleben; sie zeigen fast immer ein geschichtliches oder novellistisches<lb/>
Ereigniß, das dem Gebäude gleichsam die künstlerische Weihe gibt, oder stehen<lb/>
doch mit demselben in einem wesentlichen Zusammenhang (z. B. Gräuels be¬<lb/>
kanntestes Bild &#x201E;die Kapuziner in ihrer Kirche des Platzes Barbarini zu Rom".<lb/>
Forbin &#x201E;die todte Ines da Castro, gekrönt in einem spanischen Kloster", &#x201E;Ver¬<lb/>
hör einer Nonne im Gefängniß" u. f. f.). Beide Maler gehen immer darauf<lb/>
aus, die Stimmung des Vorganges mit der architektonischen Umgebung in</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] verherrlick)en. die eigene Macht als die angestammte des Hauses anschaulich zu machen und zugleich der Malerei in der Vergangenheit ein ergiebiges Feld zu öffnen, wie es die Gegenwart nicht bieten konnte. Die Nation und die Kunst kamen dieser neuen Anregung auf halbem Wege entgegen. Das Land war aus dem Taumel der Weltherrschaft, den es doch theuer hatte bezahlen müssen, wieder erwacht und sträubte sich nicht, mit den Segnungen des Friedens auch das alte wieder eingesetzte Königthum zu schützen, sich in die Geschichte früherer Zeiten wieder einzuleben. In der Malerei war schon Anfang des Jahrhunderts innerhalb der David'schen Schule selber eine Art von Umkehr zu den nationalen und malerischen Stoffen der französischen und zu der neueren Geschichte überhaupt erfolgt. Unter der Revolution hatte man die historischen Alterthümer Frankreichs, die man in den aufgehobenen Kirchen und Klöstern gefunden, gesammelt und allmülig in einem besonderen Museum <Nus6<z ach inoiruiuerits ti-an^is in der Kirche und dem Kloster Ä«zö ^edles-^usustins) vereinigt. Das Interesse für diese bisher ziemlich unbekannten Dinge erwachte, und schon fanden sich Einzelne, welche mit ihrer Zeichenmappe aus dem An- tikencabinet zu den nationalen Denkmälern wanderten. Und ähnlich wie die romantische Schule in Deutschland die gothische Baukunst wieder zu Ehren brachte und überhaupt in Ruinen und alte Klosterhöfe mit schwärmerischer Vorliebe sich verlor, so suchte in Frankreich die Kunst zuerst wieder den Schimmer des Malerischen in dem Helldunkel alter ehrwürdiger Gebäude auf. Franyois MariusGranet und Philippe Auguste Comte de Forbin. Beide Schüler Davids, waren es. denen der ästhetische Reiz des Mittelalters und der Renaissance in der Architektur aufging. Es ist bezeichnend , daß sich die Ma¬ lerei am Beginn ihrer neuen Laufbahn an die Ueberreste der kirchlichen Bauten hielt; aus den alten Krcuzgüngen, Chören und Hallen wehte den Beschauer eine ahnungsvolle Stimmung an, während zugleich die feste gesetzmäßige ar¬ chitektonische Form zwischen der alten und neuen Schule eine Art von Ver¬ mittlung bildete. Und wenn auch in den Bildern der beiden Meister die Ar¬ chitektur im Grunde die Hauptsache war, so fand man die Aufgabe der Kunst doch immer auch in der Darstellung eines bedeutsamen menschlichen Vorganges. Bei Gräuel und Forbin sind die Figuren keine bloße Staffage, die lediglich den Zweck hätte, den todten Raum durch die Gegenwart des Menschen über¬ haupt zu beleben; sie zeigen fast immer ein geschichtliches oder novellistisches Ereigniß, das dem Gebäude gleichsam die künstlerische Weihe gibt, oder stehen doch mit demselben in einem wesentlichen Zusammenhang (z. B. Gräuels be¬ kanntestes Bild „die Kapuziner in ihrer Kirche des Platzes Barbarini zu Rom". Forbin „die todte Ines da Castro, gekrönt in einem spanischen Kloster", „Ver¬ hör einer Nonne im Gefängniß" u. f. f.). Beide Maler gehen immer darauf aus, die Stimmung des Vorganges mit der architektonischen Umgebung in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/33
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/33>, abgerufen am 27.12.2024.