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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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einen ergreifenden Einklang zu bringen und durch das Spiel der Luftferne und
des Helldunkels ihren Bildern den Reiz des Echtmalerischen zu geben. Aber
durch die Staffage wird das Interesse von der Architektur zu sehr abgezogen
und so das Auge durch zweierlei Motive beunruhigt.

Es bildete sich bald eine kleine Schule (später Schule von Lyon genannt),
welche die Umgebung zur Nebensache herabsetzte, dagegen die Personen und
Vorgänge, welche sie meistens dem Mittelalter und der neuesten Zeit entnahm,
als ihren eigentlichen Vorwms behandelte. Ursprünglich von einem bloß ma¬
lerischen Bedürfnisse ausgehend, traf sie mit den Wünschen der Regierung zu-
sammen. Ihr Ziel war nicht mehr die ideale Composition, die reine Schön¬
heit der Linien und das hohe Pathos der classischen Richtung, sondern der
Ausdruck einer interessanten Begebenheit aus der früheren Geschichte in der
reichen, farbigen Mannigfaltigkeit der äußeren Erscheinung und in der täglichen
Gewöhnung des damaligen Treibens. Indem sich das Interesse der neueren
Geschichte wieder zuwandte, und man ihre Ueberreste sammelte, wurde man
aus die alten Geräthe und Trachten, dann auch auf hie Sitten und Gebräuche
aufmerksam; und bald wurde es zum Grundsatz, daß der Maler, dem ja das
nähere Detail des geschichtlichen Vorgangs meistens nicht überliefert war,
wenigstens in der Außenseite desselben die historische Treue suchte. Gerade im
Gegensatze zu der Alles gleich machenden Einförmigkeit der neu eingetretenen
Friedensperiode ging man auf die Zeiten zurück, da die Einzelnen noch mit
dem vollen Recht der Persönlichkeit im Kampf gegen einander und mit dem
Ganzen hervortraten. Man holte mit Vorliebe die ritterlichen Scenen hervor,
das Chevalereske, man stellte Franz den Ersten. Bayard. Heinrich den Vierten
in den verschiedensten Situationen dar. Insofern diese Malerei mit Bewußt¬
sein zu den Stoffen der romanischen Welt als zu den vorzüglich ästhetischen
griff, bildete sie den Anfang der romantischen Kunst: hier ging die bildende
der dichtenden voraus.

Die bekanntesten Meister sind: Pierre Paul Revo it (der Ring Karls des
Fünften von 1810. Genesung Bayards von 1817, Johanna von Orleans als
Gefangene 1819 u. s. f.) und Franko is Fleury Richard (Aufbruch Karls des
Siebenten zum Kampfe, Maria Stuart, Mademoiselle de la Valliöre in ver¬
schiedenen Scenen u. s. f.); dann noch Vermay, Bergeret. Destouches.
Sie hielten sich fast durchgehends an das geschichtliche Genre, an friedliche
oder festliche Episoden aus dem Leben der französischen Könige und berühmter
Männer, an gemüthliche Familienscenen und an Vorfälle, die den großen
Mann in der Stille des Privathauses zeigen. Auch darin standen sie der
classischen Richtung gegenüber. Die politisch träge Zeit war nicht dazu an¬
gethan, zum eigentlichen Nerv der Geschichte durchzuringen und die Form für
große geschichtliche Ereignisse zu finden; auch war dieser Kunst die malerische


einen ergreifenden Einklang zu bringen und durch das Spiel der Luftferne und
des Helldunkels ihren Bildern den Reiz des Echtmalerischen zu geben. Aber
durch die Staffage wird das Interesse von der Architektur zu sehr abgezogen
und so das Auge durch zweierlei Motive beunruhigt.

Es bildete sich bald eine kleine Schule (später Schule von Lyon genannt),
welche die Umgebung zur Nebensache herabsetzte, dagegen die Personen und
Vorgänge, welche sie meistens dem Mittelalter und der neuesten Zeit entnahm,
als ihren eigentlichen Vorwms behandelte. Ursprünglich von einem bloß ma¬
lerischen Bedürfnisse ausgehend, traf sie mit den Wünschen der Regierung zu-
sammen. Ihr Ziel war nicht mehr die ideale Composition, die reine Schön¬
heit der Linien und das hohe Pathos der classischen Richtung, sondern der
Ausdruck einer interessanten Begebenheit aus der früheren Geschichte in der
reichen, farbigen Mannigfaltigkeit der äußeren Erscheinung und in der täglichen
Gewöhnung des damaligen Treibens. Indem sich das Interesse der neueren
Geschichte wieder zuwandte, und man ihre Ueberreste sammelte, wurde man
aus die alten Geräthe und Trachten, dann auch auf hie Sitten und Gebräuche
aufmerksam; und bald wurde es zum Grundsatz, daß der Maler, dem ja das
nähere Detail des geschichtlichen Vorgangs meistens nicht überliefert war,
wenigstens in der Außenseite desselben die historische Treue suchte. Gerade im
Gegensatze zu der Alles gleich machenden Einförmigkeit der neu eingetretenen
Friedensperiode ging man auf die Zeiten zurück, da die Einzelnen noch mit
dem vollen Recht der Persönlichkeit im Kampf gegen einander und mit dem
Ganzen hervortraten. Man holte mit Vorliebe die ritterlichen Scenen hervor,
das Chevalereske, man stellte Franz den Ersten. Bayard. Heinrich den Vierten
in den verschiedensten Situationen dar. Insofern diese Malerei mit Bewußt¬
sein zu den Stoffen der romanischen Welt als zu den vorzüglich ästhetischen
griff, bildete sie den Anfang der romantischen Kunst: hier ging die bildende
der dichtenden voraus.

Die bekanntesten Meister sind: Pierre Paul Revo it (der Ring Karls des
Fünften von 1810. Genesung Bayards von 1817, Johanna von Orleans als
Gefangene 1819 u. s. f.) und Franko is Fleury Richard (Aufbruch Karls des
Siebenten zum Kampfe, Maria Stuart, Mademoiselle de la Valliöre in ver¬
schiedenen Scenen u. s. f.); dann noch Vermay, Bergeret. Destouches.
Sie hielten sich fast durchgehends an das geschichtliche Genre, an friedliche
oder festliche Episoden aus dem Leben der französischen Könige und berühmter
Männer, an gemüthliche Familienscenen und an Vorfälle, die den großen
Mann in der Stille des Privathauses zeigen. Auch darin standen sie der
classischen Richtung gegenüber. Die politisch träge Zeit war nicht dazu an¬
gethan, zum eigentlichen Nerv der Geschichte durchzuringen und die Form für
große geschichtliche Ereignisse zu finden; auch war dieser Kunst die malerische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/34>, abgerufen am 23.07.2024.