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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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nisch und sicher. Jeder, der Gefechtsverhältnisse und ihren furchtbaren ver-
wirrenden und störenden Ernst kennt, weiß das.

Zuletzt aber vertragen sich mit der zweigliedrigen Stellung allerdings nicht
Bataillone von 1000 Mann. Die Ausdehnung der Gefechtslinie ist für einen
Führer zu groß, die Compagnie zu 250 Mann zu stark. Der alte Grund
für die starken Bataillone, daß sie doch bald auf eine mäßige Stärke zusam¬
menschmelzen und schwache Bataillone bald zu schwach werden, ist heute mit
den Eisenbahnen, die mir meinen Ersatz in 24 Stunden aus den weitesten
Entfernungen heranführen, keiner mehr, und wer möchte nicht gern 9 Bataillone
von 6 -- 700 Mann Stärke gegen 6 von 1000 Mann ins Gefecht führen?

Daß endlich unser Verfasser die neue Organisation der preußischen Armee
eine durchaus gelungene nennt, darüber könnte ich auch noch mit ihm hadern.
Mir scheint nur etwa die Hauptsache gelungen, die Vermehrung der Linien-
Infanterie um das Doppelte. Alles Andere aber, was mit denselben Kosten
zu erreichen war, namentlich und vor Allem die Erhaltung der Landwehr ersten
Aufgebots als Fcldtruppe mit dem Kern unserer Mannschaften, ist vernach¬
lässigt, ob mit Absicht oder nicht, wage ich nicht zu sagen, aber mit schwerer
Verantwortung gewiß für eine einstige große Gefahr, welche doch für
die, welche so sehr auf die mit solchen Opfern verbundene Aenderung drängten,
sehr nahe liegen muß. Liegt die Gefahr aber nicht nah, liegt sie vielleicht
in weitester Ferne, so ist der Nutzen des ganzen ungeheueren Aufwandes über¬
haupt ein fraglicher, ein Standpunkt, auf den wir uns aber bei Besprechung
militärischer Dinge nicht stellen dürfen, so sehr er von anderswoher seine
Berechtigung haben mag. So wie die Dinge liegen, tritt aber eben diese
Frage mit all ihrer Gewalt in der nächsten Diät vor den Landtag. Die
Regierung wird gewiß von Neuem verlangen, den jetzigen zum Theil noch
immer provisorischen Stand der Armee als einen definitiven festgestellt zu sehen,
und wenn sich der Landtag, wie zu erwarten steht, nicht leicht dazu verstehen
wird und kann, die ungeheuer vermehrte Last als ein Oräing.rinn ein
für allemal zu bewilligen, so entsteht die Frage, welchen Weg er dabei einzu¬
schlagen hat, wenn er sich genöthigt glaubt, mit seinen Bewilligungen
hinter den Anforderungen der Regierung zurückzubleiben. Es giebt eine
Ansicht, welche behauptet, der Landtag habe mit der Frage, wie stark die
Armee sein soll, eben so wenig zu thun als mit der, wie sie organisirt sein
soll, beides habe nur die Regierung zu bestimmen, und der Landtag weiter
nichts dabei zu thun als die Mittel und Wege anzugeben, auf denen das
dazu nöthige Geld zu beschaffen sei -- eine Ansicht, welche die Sache freilich
außerordentlich vereinfachen würde, die aber doch mit dem nun einmal be¬
stehenden absoluten Bewilligungsrechte der Steuern nicht in Uebereinstimmung
zu bringen ist und also als völlig unpraktisch zurückgewiesen werden muß.


nisch und sicher. Jeder, der Gefechtsverhältnisse und ihren furchtbaren ver-
wirrenden und störenden Ernst kennt, weiß das.

Zuletzt aber vertragen sich mit der zweigliedrigen Stellung allerdings nicht
Bataillone von 1000 Mann. Die Ausdehnung der Gefechtslinie ist für einen
Führer zu groß, die Compagnie zu 250 Mann zu stark. Der alte Grund
für die starken Bataillone, daß sie doch bald auf eine mäßige Stärke zusam¬
menschmelzen und schwache Bataillone bald zu schwach werden, ist heute mit
den Eisenbahnen, die mir meinen Ersatz in 24 Stunden aus den weitesten
Entfernungen heranführen, keiner mehr, und wer möchte nicht gern 9 Bataillone
von 6 — 700 Mann Stärke gegen 6 von 1000 Mann ins Gefecht führen?

Daß endlich unser Verfasser die neue Organisation der preußischen Armee
eine durchaus gelungene nennt, darüber könnte ich auch noch mit ihm hadern.
Mir scheint nur etwa die Hauptsache gelungen, die Vermehrung der Linien-
Infanterie um das Doppelte. Alles Andere aber, was mit denselben Kosten
zu erreichen war, namentlich und vor Allem die Erhaltung der Landwehr ersten
Aufgebots als Fcldtruppe mit dem Kern unserer Mannschaften, ist vernach¬
lässigt, ob mit Absicht oder nicht, wage ich nicht zu sagen, aber mit schwerer
Verantwortung gewiß für eine einstige große Gefahr, welche doch für
die, welche so sehr auf die mit solchen Opfern verbundene Aenderung drängten,
sehr nahe liegen muß. Liegt die Gefahr aber nicht nah, liegt sie vielleicht
in weitester Ferne, so ist der Nutzen des ganzen ungeheueren Aufwandes über¬
haupt ein fraglicher, ein Standpunkt, auf den wir uns aber bei Besprechung
militärischer Dinge nicht stellen dürfen, so sehr er von anderswoher seine
Berechtigung haben mag. So wie die Dinge liegen, tritt aber eben diese
Frage mit all ihrer Gewalt in der nächsten Diät vor den Landtag. Die
Regierung wird gewiß von Neuem verlangen, den jetzigen zum Theil noch
immer provisorischen Stand der Armee als einen definitiven festgestellt zu sehen,
und wenn sich der Landtag, wie zu erwarten steht, nicht leicht dazu verstehen
wird und kann, die ungeheuer vermehrte Last als ein Oräing.rinn ein
für allemal zu bewilligen, so entsteht die Frage, welchen Weg er dabei einzu¬
schlagen hat, wenn er sich genöthigt glaubt, mit seinen Bewilligungen
hinter den Anforderungen der Regierung zurückzubleiben. Es giebt eine
Ansicht, welche behauptet, der Landtag habe mit der Frage, wie stark die
Armee sein soll, eben so wenig zu thun als mit der, wie sie organisirt sein
soll, beides habe nur die Regierung zu bestimmen, und der Landtag weiter
nichts dabei zu thun als die Mittel und Wege anzugeben, auf denen das
dazu nöthige Geld zu beschaffen sei — eine Ansicht, welche die Sache freilich
außerordentlich vereinfachen würde, die aber doch mit dem nun einmal be¬
stehenden absoluten Bewilligungsrechte der Steuern nicht in Uebereinstimmung
zu bringen ist und also als völlig unpraktisch zurückgewiesen werden muß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/216>, abgerufen am 29.06.2024.