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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Aber allerdings hat der Landtag kein anderes Recht in Bezug auf die Armee
als die Lasten zu bewilligen, welche für sie vom Lande getragen werden sollen,
die persönlichen, also über die Dienstzeit und Verpflichtung zum Dienst über¬
haupt, und die finanziellen. Das Organisatorische dagegen, die Art der Ver¬
wendung und Benutzung der bewilligten Mittel gehört nicht vor sein Forum,
ist allein Sache der Regierung. Soll aber das Steuerbewilligungsrecht auch
für den militärischen Bedarf des Staats nicht geradezu auf einer Willkür
ruhen, so muß ihm auch eine Beurtheilung über die Nothwendigkeit dieser
oder jener Starke der Armee wenigstens zu Grunde gelegt werden. Das Land
muß sagen können, die Armee soll so und jso stark sein, das halten wir für
Bedürfniß genügend, und um solches Altheit haben zu können, dazu muß die
Versammlung, welche ihrer Natur nach die ganze politische Intelligenz des
Staates nach allen Richtungen hin in sich schließen soll, wol befähigt sein.
Durch den Stand der Gesetzgebung in Preußen steht die Sache aber eigentlich
so, daß über diese Frage schon entschieden ist. Das Gesetz sagt: Jeder der
fähig dazu ist, soll dienen, und die Regierung hat vor 2 Jahren, als sie zu¬
erst mit ihrem neuen Organisationsplan vor den Landtag trat, gerade das
als einen Hauptgrund geltend gemacht, daß dieser Theil des Gesetzes bisher
nie hat zur Ausführung gebracht werden können. Der Landtag erklärte sich
sofort mit der Absicht einverstanden und war bereit, die Mittel zu bewilligen.
Bei näherer Betrachtung aber ergab sich, daß, wenn die Absicht durchgeführt
werden sollte und zugleich die Leute 3 Jahre bei der Fahne gehalten werden
sollten, dies einen so ungeheueren Aufwand nöthig machte, daß der Landtag
nicht glaubte die Mittel dazu bewilligen zu können. Es fand sich nämlich,
daß etwa 60000 junge Leute jährlich zur Einstellung kämen, und wenn diese
nun 3 Jahre bei der Fahne gehalten werden sollten, so müßte die Armee
einen Friedensstand von 180,000 Mann halten, was die Kräfte des Landes
entschieden übersteigt; wenn dagegen die Leute, mit Ausnahme der Cavallerie,
nur 2 Jahre bei der Fahne gehalten werden, so würden nur 125,000 zu
unterhalten sein, und dazu wären die Kosten gewiß ohne Anstand gleich be¬
willigt worden. Weil aber die Regierung an der Anforderung" der dreijäh¬
rigen Dienstzeit festhielt, so sing der Streit bald an sich um die Frage zu>
drehen: ob zwei- oder dreijährige Dienstzeit, und wir haben gesehen, wie
heftig er geführt worden ist. Wir glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir
behaupten, daß er außerhalb des Regierungskreises mit der entschiedensten
Majorität zu Gunsten der zweijährigen Dienstzeit entschieden worden ist. Die
Meinung der activen Armee stellt sich natürlich nur in der Meinung des Ober¬
befehls dar und kann und darf keine unabhängige sein, und vom bloßen
militärischen Standpunkt aus hat auch sicher die Forderung einer dreijährigen,
ja einer noch längeren Dienstzeit ihr Recht, aber sie ist eben von daher gar nicht


Aber allerdings hat der Landtag kein anderes Recht in Bezug auf die Armee
als die Lasten zu bewilligen, welche für sie vom Lande getragen werden sollen,
die persönlichen, also über die Dienstzeit und Verpflichtung zum Dienst über¬
haupt, und die finanziellen. Das Organisatorische dagegen, die Art der Ver¬
wendung und Benutzung der bewilligten Mittel gehört nicht vor sein Forum,
ist allein Sache der Regierung. Soll aber das Steuerbewilligungsrecht auch
für den militärischen Bedarf des Staats nicht geradezu auf einer Willkür
ruhen, so muß ihm auch eine Beurtheilung über die Nothwendigkeit dieser
oder jener Starke der Armee wenigstens zu Grunde gelegt werden. Das Land
muß sagen können, die Armee soll so und jso stark sein, das halten wir für
Bedürfniß genügend, und um solches Altheit haben zu können, dazu muß die
Versammlung, welche ihrer Natur nach die ganze politische Intelligenz des
Staates nach allen Richtungen hin in sich schließen soll, wol befähigt sein.
Durch den Stand der Gesetzgebung in Preußen steht die Sache aber eigentlich
so, daß über diese Frage schon entschieden ist. Das Gesetz sagt: Jeder der
fähig dazu ist, soll dienen, und die Regierung hat vor 2 Jahren, als sie zu¬
erst mit ihrem neuen Organisationsplan vor den Landtag trat, gerade das
als einen Hauptgrund geltend gemacht, daß dieser Theil des Gesetzes bisher
nie hat zur Ausführung gebracht werden können. Der Landtag erklärte sich
sofort mit der Absicht einverstanden und war bereit, die Mittel zu bewilligen.
Bei näherer Betrachtung aber ergab sich, daß, wenn die Absicht durchgeführt
werden sollte und zugleich die Leute 3 Jahre bei der Fahne gehalten werden
sollten, dies einen so ungeheueren Aufwand nöthig machte, daß der Landtag
nicht glaubte die Mittel dazu bewilligen zu können. Es fand sich nämlich,
daß etwa 60000 junge Leute jährlich zur Einstellung kämen, und wenn diese
nun 3 Jahre bei der Fahne gehalten werden sollten, so müßte die Armee
einen Friedensstand von 180,000 Mann halten, was die Kräfte des Landes
entschieden übersteigt; wenn dagegen die Leute, mit Ausnahme der Cavallerie,
nur 2 Jahre bei der Fahne gehalten werden, so würden nur 125,000 zu
unterhalten sein, und dazu wären die Kosten gewiß ohne Anstand gleich be¬
willigt worden. Weil aber die Regierung an der Anforderung» der dreijäh¬
rigen Dienstzeit festhielt, so sing der Streit bald an sich um die Frage zu>
drehen: ob zwei- oder dreijährige Dienstzeit, und wir haben gesehen, wie
heftig er geführt worden ist. Wir glauben nicht zu viel zu sagen, wenn wir
behaupten, daß er außerhalb des Regierungskreises mit der entschiedensten
Majorität zu Gunsten der zweijährigen Dienstzeit entschieden worden ist. Die
Meinung der activen Armee stellt sich natürlich nur in der Meinung des Ober¬
befehls dar und kann und darf keine unabhängige sein, und vom bloßen
militärischen Standpunkt aus hat auch sicher die Forderung einer dreijährigen,
ja einer noch längeren Dienstzeit ihr Recht, aber sie ist eben von daher gar nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/217>, abgerufen am 01.07.2024.