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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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eine gewagte Sache, die Steuerpflichtigen zu gezwungenen Actionären sämmt¬
licher Eisenbahnen machen zu wollen, und nach den Gründen, welche der Ver¬
fasser dafür anführt, möchten wir ihn auf das Verfahren in Frankreich auf¬
merksam machen, das er nicht näher zu kennen scheint; das dort erprobte
Zusammenwirken des Staates, der Bezirke, der Gemeinden und des Privat¬
capitals für Bau und Betrieb der Eisenbahnen würde ihm, wie wir ver¬
muthen, Wohlgefallen. -- Wenn Münze und Post bestehen müssen, weil sie
ein öffentliches Bedürfniß befriedigen, so haben andere Regalien keine weitere
Berechtigung zur Existenz als ihren Ertrag. War es daher dem Verfasser
möglich, die erstgenannten Einrichtungen unter diejenigen zu verweisen, von
denen Gebühren erhoben werden, so mußte er die anderen unter die Einkom¬
mensquellen aufnehmen, welche er Fiscalvorrechte nennt. Dort findet sich die
ganze Gesellschaft beisammen: Erbschafts-, Occupations-, Jagd- und Fischerei-,
Bergwerks-, Salz-, Tabaks-, Banknoten-, Lotterie-Vorrecht u. s. w., also Re¬
galien, Staatsgewerbe mit und ohne Monopol neben einander. Daß auch
ein Banknotenvorrecht hier aufgenommen ist. führt zu der Folgerung, daß das
Bankwesen nicht gesetzlich geregelt werden darf, sondern daß der Staat sich
vorbehält, es entweder selbst auszubeuten, oder an wenige Gesellschaften Con¬
cessionen zu geben, wofür er ihnen einen Theil des Gewinnes aus der Noten¬
emission abnimmt. Wir sehen nun wirklich nicht, was der Verfasser dabei
gewinnt, daß er die Regalien abschafft und sie als Fiscalvorrechte wieder
einführt. Gut ist, daß er die Zölle nicht ebenfalls Hieher gezogen, sondern
dieselben unter den Steuern gelassen hat. Er hat sich dadurch den Vortheil
gewahrt, welchen der Finanzlehrer bei Betrachtung der Zölle vor dem Natio¬
nalökonomen voraus hat. Der letztere stellt sich die Frage, welchen Einfluß
die Zölle auf die wirthschaftliche Thätigkeit des Volkes, auf Landwirthschaft.
Gewerbe und Handelsverkehr üben, und kommt damit in den Streit über
Schutzzoll und Freihandel, der. wie wir in der letzten Nummer gesehen, zu¬
weilen zu sonderbaren Conflicten führt. Der Staatswirthschastslehrer dagegen
betrachtet die Zölle lediglich als Ertragsquellen und findet daher Einfuhrzölle
nach den Grundsätzen einer rationellen Besteuerung gerechtfertigt. Er wird niemals
Schutzzölle empfehlen, denn wenn diese ihre Bestimmung, die Einfuhr fremder
Waaren zu verhindern, erreichen, so tragen sie nichts ein. Prohibition und
hoher Zollschutz können von einer verkehrten Volkswirthschaftspolitik den Finanz¬
ministerien octroyirt werden, in der Finanzwissenschaft finden sie keine Stelle. --
Die wenigen Ausstellungen, die wir gegen einzelne Ansichten des Verfassers
uns erlaubt haben, thun dem Werthe seines Buches keinen Eintrag; es ist ein
gediegenes, gutes Werk, für jeden Gebildeten verständlich und belehrend.


eine gewagte Sache, die Steuerpflichtigen zu gezwungenen Actionären sämmt¬
licher Eisenbahnen machen zu wollen, und nach den Gründen, welche der Ver¬
fasser dafür anführt, möchten wir ihn auf das Verfahren in Frankreich auf¬
merksam machen, das er nicht näher zu kennen scheint; das dort erprobte
Zusammenwirken des Staates, der Bezirke, der Gemeinden und des Privat¬
capitals für Bau und Betrieb der Eisenbahnen würde ihm, wie wir ver¬
muthen, Wohlgefallen. — Wenn Münze und Post bestehen müssen, weil sie
ein öffentliches Bedürfniß befriedigen, so haben andere Regalien keine weitere
Berechtigung zur Existenz als ihren Ertrag. War es daher dem Verfasser
möglich, die erstgenannten Einrichtungen unter diejenigen zu verweisen, von
denen Gebühren erhoben werden, so mußte er die anderen unter die Einkom¬
mensquellen aufnehmen, welche er Fiscalvorrechte nennt. Dort findet sich die
ganze Gesellschaft beisammen: Erbschafts-, Occupations-, Jagd- und Fischerei-,
Bergwerks-, Salz-, Tabaks-, Banknoten-, Lotterie-Vorrecht u. s. w., also Re¬
galien, Staatsgewerbe mit und ohne Monopol neben einander. Daß auch
ein Banknotenvorrecht hier aufgenommen ist. führt zu der Folgerung, daß das
Bankwesen nicht gesetzlich geregelt werden darf, sondern daß der Staat sich
vorbehält, es entweder selbst auszubeuten, oder an wenige Gesellschaften Con¬
cessionen zu geben, wofür er ihnen einen Theil des Gewinnes aus der Noten¬
emission abnimmt. Wir sehen nun wirklich nicht, was der Verfasser dabei
gewinnt, daß er die Regalien abschafft und sie als Fiscalvorrechte wieder
einführt. Gut ist, daß er die Zölle nicht ebenfalls Hieher gezogen, sondern
dieselben unter den Steuern gelassen hat. Er hat sich dadurch den Vortheil
gewahrt, welchen der Finanzlehrer bei Betrachtung der Zölle vor dem Natio¬
nalökonomen voraus hat. Der letztere stellt sich die Frage, welchen Einfluß
die Zölle auf die wirthschaftliche Thätigkeit des Volkes, auf Landwirthschaft.
Gewerbe und Handelsverkehr üben, und kommt damit in den Streit über
Schutzzoll und Freihandel, der. wie wir in der letzten Nummer gesehen, zu¬
weilen zu sonderbaren Conflicten führt. Der Staatswirthschastslehrer dagegen
betrachtet die Zölle lediglich als Ertragsquellen und findet daher Einfuhrzölle
nach den Grundsätzen einer rationellen Besteuerung gerechtfertigt. Er wird niemals
Schutzzölle empfehlen, denn wenn diese ihre Bestimmung, die Einfuhr fremder
Waaren zu verhindern, erreichen, so tragen sie nichts ein. Prohibition und
hoher Zollschutz können von einer verkehrten Volkswirthschaftspolitik den Finanz¬
ministerien octroyirt werden, in der Finanzwissenschaft finden sie keine Stelle. —
Die wenigen Ausstellungen, die wir gegen einzelne Ansichten des Verfassers
uns erlaubt haben, thun dem Werthe seines Buches keinen Eintrag; es ist ein
gediegenes, gutes Werk, für jeden Gebildeten verständlich und belehrend.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/174>, abgerufen am 23.07.2024.