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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Personen, die außerhalb des gemeinen Rechtes stehen undMgen ihrer Abwe¬
senheit nicht bestraft werden können, überhaupt etwas in Frankreich drucken
lassen dürfen, indem sie sich hinter einen Buchdrucker oder Buchhändler stecken.
Verfolgungen seien unbequem, Antworten schwierig, und doch dürfe man nicht
die Regierung, welche Frankreich aus dem Abgrunde gerettet, den Beleidigun¬
gen derer, die es in denselben gestürzt, aussetzen. Diese Leute hofften durch die
Spalten der Gesetze ungestraft bis ins Herz der Institutionen zu dringen, aber
Scandale wie die der Aumaleschen Broschüre dürften sich nicht wiederholen.
Deshalb müßten alle Versuche verbannter Personen, etwas in eignem oder
fremdem Namen drucken zu lassen, sorgfältig überwacht werden und die Pu¬
blication, welcher Art sie auch sei, sofort im Verwaltungswege mit Beschlag
belegt werden. Dies ist der Inhalt des Circulars, nachdem man es von den
hochtönenden Redensarten entkleidet hat, ohne die sein Verfasser niemals etwas
schreibt. Die Folgen zeigten sich bald genug. Der Buchdrucker Wietersheim hatte
kurz zuvor übernommen, einen Bericht über das litoiÄi^ luna äiimer zu drucken,
wobei bekanntlich der Herzog von Aumale eine Rede gehalten. Jetzt schrieb er,
es sei ihm unmöglich sein Versprechen zu erfüllen, nicht einen Kalender wolle
er drucken, wenn er von einem Exilirten herausgegeben sei; das Circular sei
gleichbedeutend mit dem Verbot überhaupt irgend etwas Politisches zu drucken;
" ziehe einen sichern Verlust einem so riskirten Gewinne vor. durch den man
bestenfalls doch in's schwarze Buch komme; Vermögen und Zukunft stehe für
ihn auf dem Spiele, die Verwaltung habe seine Concession in ihrer Hand,
Widerrufe sie dieselbe, so sei er ruinirt; in einer großen Druckerei, möge sie
auch noch so gut ausgezogen und beaufsichtigt sein, würden immer Verstöße
gegen Vorschriften vorkommen, wegen welcher die Polizei einschreiten könne;
so lange sie wohlwollend sei. sehe sie darüber weg, wo nicht, nicht. -- Solche
Thatsachen reden. Aber man bleibt nicht einmal dabei, Werke die für die
Oeffentlichkeit bestimmt sind, zu verfolgen und im Keime zu ersticken. Der Her¬
zog von Broglie, einer der reinsten und geachtetsten Namen Frankreichs, hatte
eine Anzahl Exemplare einer Schrift über die Regierung autographiren lassen,
die er privatim an Freunde vertheilen wollte; sie wurden mit Beschlag belegt
und der Verfasser vor den Jnstructionsrichter citirt. Wo solche Dinge mög¬
lich sind, da lohnt es kaum der Mühe zu fragen. welche Erleichterungen die
Novelle zum Preßgesetz in Einzelheiten eingeführt hat; eine Zeitung kann nicht
mehr von selbst verschwinden, aber die Macht der Regierung sie zu unter¬
drücken bleibt ungeschwächt. Der Minister Billault hat denn auch offen gesagt,
es handle sich nicht um die Freiheit der Presse, dieselbe sei in Frankreich nicht
möglich und habe jedesmal die Regierung gestürzt, welche sie gewährt; kaum
seien die Wunden der Anarchie von 1848 vernarbt, es sei nicht der Wille des
Kaisers sie wieder ausbrechen zu lassen; nach der Ansicht der Negierung sei


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Personen, die außerhalb des gemeinen Rechtes stehen undMgen ihrer Abwe¬
senheit nicht bestraft werden können, überhaupt etwas in Frankreich drucken
lassen dürfen, indem sie sich hinter einen Buchdrucker oder Buchhändler stecken.
Verfolgungen seien unbequem, Antworten schwierig, und doch dürfe man nicht
die Regierung, welche Frankreich aus dem Abgrunde gerettet, den Beleidigun¬
gen derer, die es in denselben gestürzt, aussetzen. Diese Leute hofften durch die
Spalten der Gesetze ungestraft bis ins Herz der Institutionen zu dringen, aber
Scandale wie die der Aumaleschen Broschüre dürften sich nicht wiederholen.
Deshalb müßten alle Versuche verbannter Personen, etwas in eignem oder
fremdem Namen drucken zu lassen, sorgfältig überwacht werden und die Pu¬
blication, welcher Art sie auch sei, sofort im Verwaltungswege mit Beschlag
belegt werden. Dies ist der Inhalt des Circulars, nachdem man es von den
hochtönenden Redensarten entkleidet hat, ohne die sein Verfasser niemals etwas
schreibt. Die Folgen zeigten sich bald genug. Der Buchdrucker Wietersheim hatte
kurz zuvor übernommen, einen Bericht über das litoiÄi^ luna äiimer zu drucken,
wobei bekanntlich der Herzog von Aumale eine Rede gehalten. Jetzt schrieb er,
es sei ihm unmöglich sein Versprechen zu erfüllen, nicht einen Kalender wolle
er drucken, wenn er von einem Exilirten herausgegeben sei; das Circular sei
gleichbedeutend mit dem Verbot überhaupt irgend etwas Politisches zu drucken;
« ziehe einen sichern Verlust einem so riskirten Gewinne vor. durch den man
bestenfalls doch in's schwarze Buch komme; Vermögen und Zukunft stehe für
ihn auf dem Spiele, die Verwaltung habe seine Concession in ihrer Hand,
Widerrufe sie dieselbe, so sei er ruinirt; in einer großen Druckerei, möge sie
auch noch so gut ausgezogen und beaufsichtigt sein, würden immer Verstöße
gegen Vorschriften vorkommen, wegen welcher die Polizei einschreiten könne;
so lange sie wohlwollend sei. sehe sie darüber weg, wo nicht, nicht. — Solche
Thatsachen reden. Aber man bleibt nicht einmal dabei, Werke die für die
Oeffentlichkeit bestimmt sind, zu verfolgen und im Keime zu ersticken. Der Her¬
zog von Broglie, einer der reinsten und geachtetsten Namen Frankreichs, hatte
eine Anzahl Exemplare einer Schrift über die Regierung autographiren lassen,
die er privatim an Freunde vertheilen wollte; sie wurden mit Beschlag belegt
und der Verfasser vor den Jnstructionsrichter citirt. Wo solche Dinge mög¬
lich sind, da lohnt es kaum der Mühe zu fragen. welche Erleichterungen die
Novelle zum Preßgesetz in Einzelheiten eingeführt hat; eine Zeitung kann nicht
mehr von selbst verschwinden, aber die Macht der Regierung sie zu unter¬
drücken bleibt ungeschwächt. Der Minister Billault hat denn auch offen gesagt,
es handle sich nicht um die Freiheit der Presse, dieselbe sei in Frankreich nicht
möglich und habe jedesmal die Regierung gestürzt, welche sie gewährt; kaum
seien die Wunden der Anarchie von 1848 vernarbt, es sei nicht der Wille des
Kaisers sie wieder ausbrechen zu lassen; nach der Ansicht der Negierung sei


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[0093] Personen, die außerhalb des gemeinen Rechtes stehen undMgen ihrer Abwe¬ senheit nicht bestraft werden können, überhaupt etwas in Frankreich drucken lassen dürfen, indem sie sich hinter einen Buchdrucker oder Buchhändler stecken. Verfolgungen seien unbequem, Antworten schwierig, und doch dürfe man nicht die Regierung, welche Frankreich aus dem Abgrunde gerettet, den Beleidigun¬ gen derer, die es in denselben gestürzt, aussetzen. Diese Leute hofften durch die Spalten der Gesetze ungestraft bis ins Herz der Institutionen zu dringen, aber Scandale wie die der Aumaleschen Broschüre dürften sich nicht wiederholen. Deshalb müßten alle Versuche verbannter Personen, etwas in eignem oder fremdem Namen drucken zu lassen, sorgfältig überwacht werden und die Pu¬ blication, welcher Art sie auch sei, sofort im Verwaltungswege mit Beschlag belegt werden. Dies ist der Inhalt des Circulars, nachdem man es von den hochtönenden Redensarten entkleidet hat, ohne die sein Verfasser niemals etwas schreibt. Die Folgen zeigten sich bald genug. Der Buchdrucker Wietersheim hatte kurz zuvor übernommen, einen Bericht über das litoiÄi^ luna äiimer zu drucken, wobei bekanntlich der Herzog von Aumale eine Rede gehalten. Jetzt schrieb er, es sei ihm unmöglich sein Versprechen zu erfüllen, nicht einen Kalender wolle er drucken, wenn er von einem Exilirten herausgegeben sei; das Circular sei gleichbedeutend mit dem Verbot überhaupt irgend etwas Politisches zu drucken; « ziehe einen sichern Verlust einem so riskirten Gewinne vor. durch den man bestenfalls doch in's schwarze Buch komme; Vermögen und Zukunft stehe für ihn auf dem Spiele, die Verwaltung habe seine Concession in ihrer Hand, Widerrufe sie dieselbe, so sei er ruinirt; in einer großen Druckerei, möge sie auch noch so gut ausgezogen und beaufsichtigt sein, würden immer Verstöße gegen Vorschriften vorkommen, wegen welcher die Polizei einschreiten könne; so lange sie wohlwollend sei. sehe sie darüber weg, wo nicht, nicht. — Solche Thatsachen reden. Aber man bleibt nicht einmal dabei, Werke die für die Oeffentlichkeit bestimmt sind, zu verfolgen und im Keime zu ersticken. Der Her¬ zog von Broglie, einer der reinsten und geachtetsten Namen Frankreichs, hatte eine Anzahl Exemplare einer Schrift über die Regierung autographiren lassen, die er privatim an Freunde vertheilen wollte; sie wurden mit Beschlag belegt und der Verfasser vor den Jnstructionsrichter citirt. Wo solche Dinge mög¬ lich sind, da lohnt es kaum der Mühe zu fragen. welche Erleichterungen die Novelle zum Preßgesetz in Einzelheiten eingeführt hat; eine Zeitung kann nicht mehr von selbst verschwinden, aber die Macht der Regierung sie zu unter¬ drücken bleibt ungeschwächt. Der Minister Billault hat denn auch offen gesagt, es handle sich nicht um die Freiheit der Presse, dieselbe sei in Frankreich nicht möglich und habe jedesmal die Regierung gestürzt, welche sie gewährt; kaum seien die Wunden der Anarchie von 1848 vernarbt, es sei nicht der Wille des Kaisers sie wieder ausbrechen zu lassen; nach der Ansicht der Negierung sei 11*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/93>, abgerufen am 28.09.2024.