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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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jede Meinung in der Presse hinreichend vertreten, es sei daher unnöthig die
Gründung neuer Zeitungen zu gestatten, weil man befürchten müsse, daß sie die
öffentliche Ordnung und Sittlichkeit gefährden würden. Der gesetzgebende
Körper hat dem Minister Recht gegeben, es ist also der Wunsch der gegen¬
wärtigen Vertreter Frankreichs, daß dieser Zustand fordcmre.

Die Franzosen sind der Offenherzigkeit des Herrn Billault auch noch in
andrer Beziehung Dank schuldig. I. Favre forderte in der Sitzung vom 18.
Juni in glänzender Rede die Aufhebung des Sicherheitsgesetzes von 1858, in¬
dem er zahlreiche Mißbräuche der Verwaltung aufdeckte. Darauf erklärte der
Minister: "Man hat gesagt, dem Decret v. 24. Nov. d. I. werden andre
Zugeständnisse folgen, welche die Staatsverfassung modificiren. Meine Ant¬
wort ist, jenes Decret ist in sich vollständig und wird jene Folgen nicht haben.
Die Sicherheitsgesetze, welche die Regierung so selten angewendet, werden
aufrecht gehalten werden, die Lage der Presse wird bleiben wie sie ist. Die
Regierung wird ihre Rechte nicht aufgeben, die sie vom Volke empfangen hat;
nicht das: die Wahlversammlungen zu verbieten, wenn sie ihr gefährlich schei¬
nen, nicht das: gewisse Wahlen zu begünstigen, gegenüber denen, für welche
die Parteien arbeiten, sie wird auch nicht diese Kammer auflösen, welche dem
Lande gut gedient hat, und nicht die Stellung aufgeben, die ihr das Plebis¬
cit v. 1852 gegeben hat."

Auf diese bestimmte Erklärung, die derselbe Mann gab, der unter Lud¬
wig Philipps Regierung aus der Linken saß und fand, daß die Julimonarchie
Frankreich nicht genug Freiheit gebe, wurde ungestüm Schluß der Debatte ge¬
fordert und der Favresche Antrag fast einstimmig verworfen; was sollten die
Herren auch thun als den Minister beklatschen, welcher ihnen sagte, daß die
Kammer noch niemals so groß dagestanden habe als grade jetzt! Merkwürdi¬
ger aber als diese Beistimmung der bonapartistischen Masse ist es, zu sehen, wie
wenig selbst ein Mann der vorgeschrittenen Linken, wie es Jules Favre ist,
in das Wesen dessen eingedrungen ist. das den germanischen Nationen als
Freiheit gilt. Als Gegengewicht der Mißbräuche in der Verwaltung fordert
er nur die Preßfreiheit, sicher eine große und würdige Garantie, aber keine
Ahnung scheint er von dem Gedanken zu haben, den Dahlmann einmal schön
ausdrückte, die Presse gedeihe nur in einem Garten blühender politischer Frei¬
heiten. Wenn die Zeitungen Großes dazu beitragen konnten, die Bourbonen
und die Orleans zu stürzen, wie Billault anführte, so war der Grund, daß
dem constitutionellen Gebäude die sichere Basis der Gemeinde- und Provin-
cialsreiheiten fehlte, weil sich jede Unzufriedenheit so gegen den Mittelpunkt
richtete, war derselbe beständig bedroht und konnte sich gegen einen entschei¬
denden Stoß des Aufstandes nicht halten. Favre sieht nicht, daß ohne
Preßfreiheit alle seine Klagen über Willkür der Verwaltung zu heben wären,


jede Meinung in der Presse hinreichend vertreten, es sei daher unnöthig die
Gründung neuer Zeitungen zu gestatten, weil man befürchten müsse, daß sie die
öffentliche Ordnung und Sittlichkeit gefährden würden. Der gesetzgebende
Körper hat dem Minister Recht gegeben, es ist also der Wunsch der gegen¬
wärtigen Vertreter Frankreichs, daß dieser Zustand fordcmre.

Die Franzosen sind der Offenherzigkeit des Herrn Billault auch noch in
andrer Beziehung Dank schuldig. I. Favre forderte in der Sitzung vom 18.
Juni in glänzender Rede die Aufhebung des Sicherheitsgesetzes von 1858, in¬
dem er zahlreiche Mißbräuche der Verwaltung aufdeckte. Darauf erklärte der
Minister: „Man hat gesagt, dem Decret v. 24. Nov. d. I. werden andre
Zugeständnisse folgen, welche die Staatsverfassung modificiren. Meine Ant¬
wort ist, jenes Decret ist in sich vollständig und wird jene Folgen nicht haben.
Die Sicherheitsgesetze, welche die Regierung so selten angewendet, werden
aufrecht gehalten werden, die Lage der Presse wird bleiben wie sie ist. Die
Regierung wird ihre Rechte nicht aufgeben, die sie vom Volke empfangen hat;
nicht das: die Wahlversammlungen zu verbieten, wenn sie ihr gefährlich schei¬
nen, nicht das: gewisse Wahlen zu begünstigen, gegenüber denen, für welche
die Parteien arbeiten, sie wird auch nicht diese Kammer auflösen, welche dem
Lande gut gedient hat, und nicht die Stellung aufgeben, die ihr das Plebis¬
cit v. 1852 gegeben hat."

Auf diese bestimmte Erklärung, die derselbe Mann gab, der unter Lud¬
wig Philipps Regierung aus der Linken saß und fand, daß die Julimonarchie
Frankreich nicht genug Freiheit gebe, wurde ungestüm Schluß der Debatte ge¬
fordert und der Favresche Antrag fast einstimmig verworfen; was sollten die
Herren auch thun als den Minister beklatschen, welcher ihnen sagte, daß die
Kammer noch niemals so groß dagestanden habe als grade jetzt! Merkwürdi¬
ger aber als diese Beistimmung der bonapartistischen Masse ist es, zu sehen, wie
wenig selbst ein Mann der vorgeschrittenen Linken, wie es Jules Favre ist,
in das Wesen dessen eingedrungen ist. das den germanischen Nationen als
Freiheit gilt. Als Gegengewicht der Mißbräuche in der Verwaltung fordert
er nur die Preßfreiheit, sicher eine große und würdige Garantie, aber keine
Ahnung scheint er von dem Gedanken zu haben, den Dahlmann einmal schön
ausdrückte, die Presse gedeihe nur in einem Garten blühender politischer Frei¬
heiten. Wenn die Zeitungen Großes dazu beitragen konnten, die Bourbonen
und die Orleans zu stürzen, wie Billault anführte, so war der Grund, daß
dem constitutionellen Gebäude die sichere Basis der Gemeinde- und Provin-
cialsreiheiten fehlte, weil sich jede Unzufriedenheit so gegen den Mittelpunkt
richtete, war derselbe beständig bedroht und konnte sich gegen einen entschei¬
denden Stoß des Aufstandes nicht halten. Favre sieht nicht, daß ohne
Preßfreiheit alle seine Klagen über Willkür der Verwaltung zu heben wären,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/94>, abgerufen am 23.12.2024.