Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Welt, daß der Zauber der Tribune noch seine Macht in Frankreich übt.
aber zu bald sollte der hinkende Bote nachkommen und beweisen, daß mit
dem Bonapartismus keine wirkliche freie Bewegung vereinbar ist. Wie ein
Blitz aus heiterm Himmel traf die Broschüre des Herzogs von Aumale nicht
nur den feigen Prinzen, der seine Unverletzlichkeit dazu gemißbraucht. Personen
anzugreifen, welche ihm nicht antworten konnten, sondern auch die napoleo¬
nische Regierung selbst. Unter dem unscheinbaren Titel eines Briefes über die
Geschichte Frankreichs, der in vielen tausend Exemplaren verbreitet war, ehe
das Argusauge der Polizei sie entdeckte, riß sie schonungslos den Schleier
von der Verdorbenheit der innern Regierung. Die Leidenschaft verblendet oft,
aber sie schärft auch oft den Blick, und in jeder Zeile dieses Briefes fühlt man
die Intensität des Hasses des geborenen Prinzen von Geblüt, welcher die Feh¬
ler des Parvenuregimentes aufspürt. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob
der Herzog beabsichtigte, durch seine Schrift die Blicke Frankreichs speciell auf
sich zu richten, man darf mit Sicherheit annehmen, daß hauptsächlich patrio¬
tischer Zorn über den sittlichen Verfall seines Landes ihn bewog, auf die dreiste
Herausforderung zu antworten, und sein Ruf: "Hu'ave^-vous eg-it. ac Is. Kranes"
fand Wiederklang in taufenden von französischen Herzen. -- Wie wohlgezielt
der Schlag war, erhellte am besten aus der Wuth der Gegner. Zwar dachte
der Prinz Napoleon als der hauptsächlich Beleidigte nicht daran, sich der Pa¬
riser Vergnügen zu berauben, um sich in Brüssel oder London mit dem Herzog
zu schlagen, er begnügte sich vielmehr die Bitte um Freigebung der Broschüre
an den Kaiser zu richten, nachdem er sicher voraus wußte, daß dieselbe ab¬
geschlagen werde; aber der Ingrimm der bonapartistischen Verwaltung, die sich
trotz ihrer hundertarmigen Polizei überlistet sah. war unsäglich. Zwar hatte
schon vorher Herr v. Persigny seinen Liberalismus in einem eigenthümlichen
Lichte gezeigt, als er den Redacteur des Courier du Dimanche anwies, binnen
acht Tagen Frankreich zu verlassen, weil er die Dynastie verdächtigt; man
müsse, antwortet er einem englischen Freunde, der ihn deshalb tadelte, unter¬
scheiden zwischen der Freiheit die Angelegenheiten des Landes zu erörtern und
der Freiheit dessen fundamentale Institutionen anzugreifen, letzteres sei auch in
der ersten Zeit der hannoverschen Dynastie in England nicht erlaubt gewesen.
Geschichtskundige werden den Unterschied nicht sehr historisch begründet finden,
aber wie viele beschäftigen sich in Frankreich mit englischer Geschichte? Die
Straft aber, die Herrn Ganesco traf, war noch gering im Vergleich mit der
Strenge, die gegen Drucker und Verleger der Aumaleschen Broschüre entfaltet
wurde, ja nicht bloß das gegenwärtige Preßvergehen wurde geahndet, sondern
auch solche Drohungen für die Zukunft hinzugefügt, daß kein Verleger wagen
wird, je etwas von einem Verbannten zu drucken. In seinem Circular an
die Präfecten vom 13. Mai wirft Persigny die Frage auf, ob die verbannten


der Welt, daß der Zauber der Tribune noch seine Macht in Frankreich übt.
aber zu bald sollte der hinkende Bote nachkommen und beweisen, daß mit
dem Bonapartismus keine wirkliche freie Bewegung vereinbar ist. Wie ein
Blitz aus heiterm Himmel traf die Broschüre des Herzogs von Aumale nicht
nur den feigen Prinzen, der seine Unverletzlichkeit dazu gemißbraucht. Personen
anzugreifen, welche ihm nicht antworten konnten, sondern auch die napoleo¬
nische Regierung selbst. Unter dem unscheinbaren Titel eines Briefes über die
Geschichte Frankreichs, der in vielen tausend Exemplaren verbreitet war, ehe
das Argusauge der Polizei sie entdeckte, riß sie schonungslos den Schleier
von der Verdorbenheit der innern Regierung. Die Leidenschaft verblendet oft,
aber sie schärft auch oft den Blick, und in jeder Zeile dieses Briefes fühlt man
die Intensität des Hasses des geborenen Prinzen von Geblüt, welcher die Feh¬
ler des Parvenuregimentes aufspürt. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob
der Herzog beabsichtigte, durch seine Schrift die Blicke Frankreichs speciell auf
sich zu richten, man darf mit Sicherheit annehmen, daß hauptsächlich patrio¬
tischer Zorn über den sittlichen Verfall seines Landes ihn bewog, auf die dreiste
Herausforderung zu antworten, und sein Ruf: „Hu'ave^-vous eg-it. ac Is. Kranes"
fand Wiederklang in taufenden von französischen Herzen. — Wie wohlgezielt
der Schlag war, erhellte am besten aus der Wuth der Gegner. Zwar dachte
der Prinz Napoleon als der hauptsächlich Beleidigte nicht daran, sich der Pa¬
riser Vergnügen zu berauben, um sich in Brüssel oder London mit dem Herzog
zu schlagen, er begnügte sich vielmehr die Bitte um Freigebung der Broschüre
an den Kaiser zu richten, nachdem er sicher voraus wußte, daß dieselbe ab¬
geschlagen werde; aber der Ingrimm der bonapartistischen Verwaltung, die sich
trotz ihrer hundertarmigen Polizei überlistet sah. war unsäglich. Zwar hatte
schon vorher Herr v. Persigny seinen Liberalismus in einem eigenthümlichen
Lichte gezeigt, als er den Redacteur des Courier du Dimanche anwies, binnen
acht Tagen Frankreich zu verlassen, weil er die Dynastie verdächtigt; man
müsse, antwortet er einem englischen Freunde, der ihn deshalb tadelte, unter¬
scheiden zwischen der Freiheit die Angelegenheiten des Landes zu erörtern und
der Freiheit dessen fundamentale Institutionen anzugreifen, letzteres sei auch in
der ersten Zeit der hannoverschen Dynastie in England nicht erlaubt gewesen.
Geschichtskundige werden den Unterschied nicht sehr historisch begründet finden,
aber wie viele beschäftigen sich in Frankreich mit englischer Geschichte? Die
Straft aber, die Herrn Ganesco traf, war noch gering im Vergleich mit der
Strenge, die gegen Drucker und Verleger der Aumaleschen Broschüre entfaltet
wurde, ja nicht bloß das gegenwärtige Preßvergehen wurde geahndet, sondern
auch solche Drohungen für die Zukunft hinzugefügt, daß kein Verleger wagen
wird, je etwas von einem Verbannten zu drucken. In seinem Circular an
die Präfecten vom 13. Mai wirft Persigny die Frage auf, ob die verbannten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112062"/>
          <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322" next="#ID_324"> der Welt, daß der Zauber der Tribune noch seine Macht in Frankreich übt.<lb/>
aber zu bald sollte der hinkende Bote nachkommen und beweisen, daß mit<lb/>
dem Bonapartismus keine wirkliche freie Bewegung vereinbar ist. Wie ein<lb/>
Blitz aus heiterm Himmel traf die Broschüre des Herzogs von Aumale nicht<lb/>
nur den feigen Prinzen, der seine Unverletzlichkeit dazu gemißbraucht. Personen<lb/>
anzugreifen, welche ihm nicht antworten konnten, sondern auch die napoleo¬<lb/>
nische Regierung selbst. Unter dem unscheinbaren Titel eines Briefes über die<lb/>
Geschichte Frankreichs, der in vielen tausend Exemplaren verbreitet war, ehe<lb/>
das Argusauge der Polizei sie entdeckte, riß sie schonungslos den Schleier<lb/>
von der Verdorbenheit der innern Regierung. Die Leidenschaft verblendet oft,<lb/>
aber sie schärft auch oft den Blick, und in jeder Zeile dieses Briefes fühlt man<lb/>
die Intensität des Hasses des geborenen Prinzen von Geblüt, welcher die Feh¬<lb/>
ler des Parvenuregimentes aufspürt. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob<lb/>
der Herzog beabsichtigte, durch seine Schrift die Blicke Frankreichs speciell auf<lb/>
sich zu richten, man darf mit Sicherheit annehmen, daß hauptsächlich patrio¬<lb/>
tischer Zorn über den sittlichen Verfall seines Landes ihn bewog, auf die dreiste<lb/>
Herausforderung zu antworten, und sein Ruf: &#x201E;Hu'ave^-vous eg-it. ac Is. Kranes"<lb/>
fand Wiederklang in taufenden von französischen Herzen. &#x2014; Wie wohlgezielt<lb/>
der Schlag war, erhellte am besten aus der Wuth der Gegner. Zwar dachte<lb/>
der Prinz Napoleon als der hauptsächlich Beleidigte nicht daran, sich der Pa¬<lb/>
riser Vergnügen zu berauben, um sich in Brüssel oder London mit dem Herzog<lb/>
zu schlagen, er begnügte sich vielmehr die Bitte um Freigebung der Broschüre<lb/>
an den Kaiser zu richten, nachdem er sicher voraus wußte, daß dieselbe ab¬<lb/>
geschlagen werde; aber der Ingrimm der bonapartistischen Verwaltung, die sich<lb/>
trotz ihrer hundertarmigen Polizei überlistet sah. war unsäglich. Zwar hatte<lb/>
schon vorher Herr v. Persigny seinen Liberalismus in einem eigenthümlichen<lb/>
Lichte gezeigt, als er den Redacteur des Courier du Dimanche anwies, binnen<lb/>
acht Tagen Frankreich zu verlassen, weil er die Dynastie verdächtigt; man<lb/>
müsse, antwortet er einem englischen Freunde, der ihn deshalb tadelte, unter¬<lb/>
scheiden zwischen der Freiheit die Angelegenheiten des Landes zu erörtern und<lb/>
der Freiheit dessen fundamentale Institutionen anzugreifen, letzteres sei auch in<lb/>
der ersten Zeit der hannoverschen Dynastie in England nicht erlaubt gewesen.<lb/>
Geschichtskundige werden den Unterschied nicht sehr historisch begründet finden,<lb/>
aber wie viele beschäftigen sich in Frankreich mit englischer Geschichte? Die<lb/>
Straft aber, die Herrn Ganesco traf, war noch gering im Vergleich mit der<lb/>
Strenge, die gegen Drucker und Verleger der Aumaleschen Broschüre entfaltet<lb/>
wurde, ja nicht bloß das gegenwärtige Preßvergehen wurde geahndet, sondern<lb/>
auch solche Drohungen für die Zukunft hinzugefügt, daß kein Verleger wagen<lb/>
wird, je etwas von einem Verbannten zu drucken. In seinem Circular an<lb/>
die Präfecten vom 13. Mai wirft Persigny die Frage auf, ob die verbannten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] der Welt, daß der Zauber der Tribune noch seine Macht in Frankreich übt. aber zu bald sollte der hinkende Bote nachkommen und beweisen, daß mit dem Bonapartismus keine wirkliche freie Bewegung vereinbar ist. Wie ein Blitz aus heiterm Himmel traf die Broschüre des Herzogs von Aumale nicht nur den feigen Prinzen, der seine Unverletzlichkeit dazu gemißbraucht. Personen anzugreifen, welche ihm nicht antworten konnten, sondern auch die napoleo¬ nische Regierung selbst. Unter dem unscheinbaren Titel eines Briefes über die Geschichte Frankreichs, der in vielen tausend Exemplaren verbreitet war, ehe das Argusauge der Polizei sie entdeckte, riß sie schonungslos den Schleier von der Verdorbenheit der innern Regierung. Die Leidenschaft verblendet oft, aber sie schärft auch oft den Blick, und in jeder Zeile dieses Briefes fühlt man die Intensität des Hasses des geborenen Prinzen von Geblüt, welcher die Feh¬ ler des Parvenuregimentes aufspürt. Wir wollen es dahingestellt sein lassen, ob der Herzog beabsichtigte, durch seine Schrift die Blicke Frankreichs speciell auf sich zu richten, man darf mit Sicherheit annehmen, daß hauptsächlich patrio¬ tischer Zorn über den sittlichen Verfall seines Landes ihn bewog, auf die dreiste Herausforderung zu antworten, und sein Ruf: „Hu'ave^-vous eg-it. ac Is. Kranes" fand Wiederklang in taufenden von französischen Herzen. — Wie wohlgezielt der Schlag war, erhellte am besten aus der Wuth der Gegner. Zwar dachte der Prinz Napoleon als der hauptsächlich Beleidigte nicht daran, sich der Pa¬ riser Vergnügen zu berauben, um sich in Brüssel oder London mit dem Herzog zu schlagen, er begnügte sich vielmehr die Bitte um Freigebung der Broschüre an den Kaiser zu richten, nachdem er sicher voraus wußte, daß dieselbe ab¬ geschlagen werde; aber der Ingrimm der bonapartistischen Verwaltung, die sich trotz ihrer hundertarmigen Polizei überlistet sah. war unsäglich. Zwar hatte schon vorher Herr v. Persigny seinen Liberalismus in einem eigenthümlichen Lichte gezeigt, als er den Redacteur des Courier du Dimanche anwies, binnen acht Tagen Frankreich zu verlassen, weil er die Dynastie verdächtigt; man müsse, antwortet er einem englischen Freunde, der ihn deshalb tadelte, unter¬ scheiden zwischen der Freiheit die Angelegenheiten des Landes zu erörtern und der Freiheit dessen fundamentale Institutionen anzugreifen, letzteres sei auch in der ersten Zeit der hannoverschen Dynastie in England nicht erlaubt gewesen. Geschichtskundige werden den Unterschied nicht sehr historisch begründet finden, aber wie viele beschäftigen sich in Frankreich mit englischer Geschichte? Die Straft aber, die Herrn Ganesco traf, war noch gering im Vergleich mit der Strenge, die gegen Drucker und Verleger der Aumaleschen Broschüre entfaltet wurde, ja nicht bloß das gegenwärtige Preßvergehen wurde geahndet, sondern auch solche Drohungen für die Zukunft hinzugefügt, daß kein Verleger wagen wird, je etwas von einem Verbannten zu drucken. In seinem Circular an die Präfecten vom 13. Mai wirft Persigny die Frage auf, ob die verbannten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/92
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/92>, abgerufen am 26.06.2024.