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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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lassen, und Meßt die Anrede an das von Oberitalien^ aufgeschriebene dritte
Buch der Epigramme mit den Worten:


"Fragen sie: wann wird er kommen? so sag': als Dichter gegangen
Ist er; wann wieder er kehrt, treibt er zur Laute Gesang!"

Auch die gymnastischen Uebungen haben nie bei den Römern die Gel¬
tung erreicht, welche sie bei den Hellenen genossen. In der älteren Zeit suchte
man Abhärtung und Ausdauer des Körpers im Kriegsdienste zu erzielen.
Später vernachlässigte man zwar die somatische Ausbildung nicht in dem Grade,
wie es bei uns bisher geschehen ist. und übte sich im Bnllwersen. Bailon-
schlagcn. Springen und Laufen selbst im Mannesalter; allein von einem re¬
gelmäßigen Turnunterrichte ist keine Rede. Erst in der Kaiserzeit fand die
Agonistik der Hellenen Eingang, und es entstanden Palästren und Gymnasien
nach griechischem Muster.

Die Schulzucht war streng, und der Stock wurde häufig gebraucht. Mar-
tial. der den Schulmeistern überhaupt nicht hold war. beklagt sich nicht nur
über die Prügelsucht seines Nachbars, sondern spricht auch an einer anderen
Stelle von den "traurigen Gerten, den Sceptern der Pädagogen." Der be¬
kannte Orbilius Pupillus. der die straffe Disciplin, die er als Soldat kennen
gelernt hatte, mit in sein Schulamt hinübernahm, wird von seinem Schüler
Horaz ..der Prügelreiche" genannt. Auch der heilige Augustin erhielt, wie
er selbst gesteht, wegen seiner Trägheit sehr oft körperliche Züchtigungen, ohne
daß sich die Eltern seiner erbarmten. Quintilian spricht sich aus trefflichen
Gründen gegen den Stock aus. und Verrius Flaccus. ein Freigelassener, machte
den letzteren dadurch überflüssig, daß er Belohnungen für die besten Schüler
aussetzte. Deshalb wählte ihn auch Augustus zum Lehrer seiner Enkel und
versetzte seine Schule aus den Palatin. Ueber die Ferien der römischen Schul¬
jugend weih man nur so viel, daß an den Saturnalien und an den fünf Ta¬
gen des zu Ehren Minervas gefeierten Quinquatricnfestes (vom 19. März an),
nach welchem wahrscheinlich auch der neue Cursus begann, der Unterricht aus¬
gesetzt wurde. Außerdem wollen Viele vier volle Ferienmonate von Mitte Juni
bis Mitte October annehmen, und wirklich scheinen wenigstens die Schulkna¬
ben auf dem Lande und in kleineren Städten nur für 8 Monate das Schul¬
geld bezahlt zu haben.

Wirft man endiick noch einen Blick auf die Stellung der römischen Lehrer
in Bezug auf ihr Einkommen und ihr Verhältniß zu dem Staate und den El¬
tern, so war dieselbe gerade keine beneidenswerthe. wie ja überhaupt ein sor¬
genfreies Dasein selten demjenigen winkt, der Minerva zu seiner Schutzgöttin
erkoren hat. In der alten Zeit honorirten vielleicht Eltern und Vormünder
den Lehrer nach Belieben, und Spurius Carvilius scheint zuerst eine bestimmte
Summe verlangt zu haben. Die Höhe des Betrags kennt man nicht genau.


lassen, und Meßt die Anrede an das von Oberitalien^ aufgeschriebene dritte
Buch der Epigramme mit den Worten:


„Fragen sie: wann wird er kommen? so sag': als Dichter gegangen
Ist er; wann wieder er kehrt, treibt er zur Laute Gesang!"

Auch die gymnastischen Uebungen haben nie bei den Römern die Gel¬
tung erreicht, welche sie bei den Hellenen genossen. In der älteren Zeit suchte
man Abhärtung und Ausdauer des Körpers im Kriegsdienste zu erzielen.
Später vernachlässigte man zwar die somatische Ausbildung nicht in dem Grade,
wie es bei uns bisher geschehen ist. und übte sich im Bnllwersen. Bailon-
schlagcn. Springen und Laufen selbst im Mannesalter; allein von einem re¬
gelmäßigen Turnunterrichte ist keine Rede. Erst in der Kaiserzeit fand die
Agonistik der Hellenen Eingang, und es entstanden Palästren und Gymnasien
nach griechischem Muster.

Die Schulzucht war streng, und der Stock wurde häufig gebraucht. Mar-
tial. der den Schulmeistern überhaupt nicht hold war. beklagt sich nicht nur
über die Prügelsucht seines Nachbars, sondern spricht auch an einer anderen
Stelle von den „traurigen Gerten, den Sceptern der Pädagogen." Der be¬
kannte Orbilius Pupillus. der die straffe Disciplin, die er als Soldat kennen
gelernt hatte, mit in sein Schulamt hinübernahm, wird von seinem Schüler
Horaz ..der Prügelreiche" genannt. Auch der heilige Augustin erhielt, wie
er selbst gesteht, wegen seiner Trägheit sehr oft körperliche Züchtigungen, ohne
daß sich die Eltern seiner erbarmten. Quintilian spricht sich aus trefflichen
Gründen gegen den Stock aus. und Verrius Flaccus. ein Freigelassener, machte
den letzteren dadurch überflüssig, daß er Belohnungen für die besten Schüler
aussetzte. Deshalb wählte ihn auch Augustus zum Lehrer seiner Enkel und
versetzte seine Schule aus den Palatin. Ueber die Ferien der römischen Schul¬
jugend weih man nur so viel, daß an den Saturnalien und an den fünf Ta¬
gen des zu Ehren Minervas gefeierten Quinquatricnfestes (vom 19. März an),
nach welchem wahrscheinlich auch der neue Cursus begann, der Unterricht aus¬
gesetzt wurde. Außerdem wollen Viele vier volle Ferienmonate von Mitte Juni
bis Mitte October annehmen, und wirklich scheinen wenigstens die Schulkna¬
ben auf dem Lande und in kleineren Städten nur für 8 Monate das Schul¬
geld bezahlt zu haben.

Wirft man endiick noch einen Blick auf die Stellung der römischen Lehrer
in Bezug auf ihr Einkommen und ihr Verhältniß zu dem Staate und den El¬
tern, so war dieselbe gerade keine beneidenswerthe. wie ja überhaupt ein sor¬
genfreies Dasein selten demjenigen winkt, der Minerva zu seiner Schutzgöttin
erkoren hat. In der alten Zeit honorirten vielleicht Eltern und Vormünder
den Lehrer nach Belieben, und Spurius Carvilius scheint zuerst eine bestimmte
Summe verlangt zu haben. Die Höhe des Betrags kennt man nicht genau.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/65>, abgerufen am 01.10.2024.