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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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General Vosquet mit seinen Zucwen eine Furth passirend folgt und im Hinter¬
grunde die Schlacht tobt. Der Typus der französischen Soldaten ist vortreff¬
lich wiedergegeben, die Köpfe dabei kräftig und individuell, die Gruppirung
mannigfaltig und doch zusammengehalten und besonders hat der Ausdruck der
Bewegung in den Pferden und Menschen ganz den strammen Charakter der
Anstrengung. Dabei ist im Ganzen ein hüsches, muthig vordringendes Leben,
wenn auch die Ruhe des Generals von der Kälte des abstracten Anordnens
nicht frei ist. Aber der Vorgang erscheint eben doch nur als Episode, das
Bild ist nur eine Verherrlichung des Troupiers, der leblose Kriegsapparat
nimmt einen großen Raum ein -- eine lebensgroße Kanone bleibt doch für
die Kunst ein ziemlich gleichgültiger Gegenstand -- und daß der Augenblick
bedeutsam gewesen, läßt sich aus den Gesichtern und Gestalten eben nicht
herauslesen. Das Bild ist übrigens bemerkenswerth durch die große Geschick-
lichkeit. mit welcher der Maler dem menschlichen Körper in jeder Lage nud
Stellung ganz das Gepräge der kräftig aufgeregten Natur gegeben und ihn
mit der satten, wenn auch glänz- und duftlosen Farbe der wirklichen Erschei¬
nung getränkt hat. -- In ähnlicher Weise haben mit weniger Geschick, aber
immer noch mit Talent und mit einem frischen Sinn für individuelles Leben
eine Anzahl anderer Künstler die neuesten Schlachten episodcnmäßig behandelt
oder geradezu Nebcnvorfälle zu Motiven gewühlt (Rigo: Magenta, Her-
sent und der Belgier Paternostre: Solserino, Ar mand Dümare sq: Epi¬
sode aus derselben Schlacht, hervortretend durch die schwer realistische Behand¬
lung, welche der Erscheinung mit der vollen Naturwahrheit auch das
Körperhafte zu geben sucht). Den malerischen Reiz und das feurig bewegte
Leben der Kampfesscenen von Salvator Rosa würde man freilich in diesen
Bildern vergebens suchen. --

Dieser Richtung steht die andere gegenüber, welche die oberste leitende
Kraft des Kampfes in näherer oder entfernter Beziehung zu diesem selbst zur
Darstellung bringt. Voran steht hier in einem gewissermaßen idealistischen
Gegensatz zu dem Bilde von Pils das gleich große Gemälde v. Adolph Avon,
einem Schüler, von Ingres: "Der Kaiser von seinem Generalstab umgeben,
gibt den Befehl, sich der Position von Solserino zu bemächtigen. So begegnen
^vir schon hier dem Streit der verschiedenen Kunstprincipien, den wir im vollen
Gange erst im Verlauf der Kunstgeschichte sehen werden. Für diesmal ist der
Idealist unterlege". Der Kaiser trifft also die entscheidende Anordnung; aber
'n dem ruhigen Fingerzeig, dem Zusehen der Umgebenden -- gleichgültiger
Portraitköpfe -- und dem heransprengenden die Mütze abnehmenden General
kann sich die bedeutungsvolle Spitze des Moments nicht aussprechen, und
°'Nige umherliegende Leichname und fernes Getümmel können den Mangel, an
Bewegung nicht ersetzen. Die glatte, gelenkte, glänzende Behandlung, die ge-


General Vosquet mit seinen Zucwen eine Furth passirend folgt und im Hinter¬
grunde die Schlacht tobt. Der Typus der französischen Soldaten ist vortreff¬
lich wiedergegeben, die Köpfe dabei kräftig und individuell, die Gruppirung
mannigfaltig und doch zusammengehalten und besonders hat der Ausdruck der
Bewegung in den Pferden und Menschen ganz den strammen Charakter der
Anstrengung. Dabei ist im Ganzen ein hüsches, muthig vordringendes Leben,
wenn auch die Ruhe des Generals von der Kälte des abstracten Anordnens
nicht frei ist. Aber der Vorgang erscheint eben doch nur als Episode, das
Bild ist nur eine Verherrlichung des Troupiers, der leblose Kriegsapparat
nimmt einen großen Raum ein — eine lebensgroße Kanone bleibt doch für
die Kunst ein ziemlich gleichgültiger Gegenstand — und daß der Augenblick
bedeutsam gewesen, läßt sich aus den Gesichtern und Gestalten eben nicht
herauslesen. Das Bild ist übrigens bemerkenswerth durch die große Geschick-
lichkeit. mit welcher der Maler dem menschlichen Körper in jeder Lage nud
Stellung ganz das Gepräge der kräftig aufgeregten Natur gegeben und ihn
mit der satten, wenn auch glänz- und duftlosen Farbe der wirklichen Erschei¬
nung getränkt hat. — In ähnlicher Weise haben mit weniger Geschick, aber
immer noch mit Talent und mit einem frischen Sinn für individuelles Leben
eine Anzahl anderer Künstler die neuesten Schlachten episodcnmäßig behandelt
oder geradezu Nebcnvorfälle zu Motiven gewühlt (Rigo: Magenta, Her-
sent und der Belgier Paternostre: Solserino, Ar mand Dümare sq: Epi¬
sode aus derselben Schlacht, hervortretend durch die schwer realistische Behand¬
lung, welche der Erscheinung mit der vollen Naturwahrheit auch das
Körperhafte zu geben sucht). Den malerischen Reiz und das feurig bewegte
Leben der Kampfesscenen von Salvator Rosa würde man freilich in diesen
Bildern vergebens suchen. —

Dieser Richtung steht die andere gegenüber, welche die oberste leitende
Kraft des Kampfes in näherer oder entfernter Beziehung zu diesem selbst zur
Darstellung bringt. Voran steht hier in einem gewissermaßen idealistischen
Gegensatz zu dem Bilde von Pils das gleich große Gemälde v. Adolph Avon,
einem Schüler, von Ingres: „Der Kaiser von seinem Generalstab umgeben,
gibt den Befehl, sich der Position von Solserino zu bemächtigen. So begegnen
^vir schon hier dem Streit der verschiedenen Kunstprincipien, den wir im vollen
Gange erst im Verlauf der Kunstgeschichte sehen werden. Für diesmal ist der
Idealist unterlege». Der Kaiser trifft also die entscheidende Anordnung; aber
'n dem ruhigen Fingerzeig, dem Zusehen der Umgebenden — gleichgültiger
Portraitköpfe — und dem heransprengenden die Mütze abnehmenden General
kann sich die bedeutungsvolle Spitze des Moments nicht aussprechen, und
°'Nige umherliegende Leichname und fernes Getümmel können den Mangel, an
Bewegung nicht ersetzen. Die glatte, gelenkte, glänzende Behandlung, die ge-


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[0465] General Vosquet mit seinen Zucwen eine Furth passirend folgt und im Hinter¬ grunde die Schlacht tobt. Der Typus der französischen Soldaten ist vortreff¬ lich wiedergegeben, die Köpfe dabei kräftig und individuell, die Gruppirung mannigfaltig und doch zusammengehalten und besonders hat der Ausdruck der Bewegung in den Pferden und Menschen ganz den strammen Charakter der Anstrengung. Dabei ist im Ganzen ein hüsches, muthig vordringendes Leben, wenn auch die Ruhe des Generals von der Kälte des abstracten Anordnens nicht frei ist. Aber der Vorgang erscheint eben doch nur als Episode, das Bild ist nur eine Verherrlichung des Troupiers, der leblose Kriegsapparat nimmt einen großen Raum ein — eine lebensgroße Kanone bleibt doch für die Kunst ein ziemlich gleichgültiger Gegenstand — und daß der Augenblick bedeutsam gewesen, läßt sich aus den Gesichtern und Gestalten eben nicht herauslesen. Das Bild ist übrigens bemerkenswerth durch die große Geschick- lichkeit. mit welcher der Maler dem menschlichen Körper in jeder Lage nud Stellung ganz das Gepräge der kräftig aufgeregten Natur gegeben und ihn mit der satten, wenn auch glänz- und duftlosen Farbe der wirklichen Erschei¬ nung getränkt hat. — In ähnlicher Weise haben mit weniger Geschick, aber immer noch mit Talent und mit einem frischen Sinn für individuelles Leben eine Anzahl anderer Künstler die neuesten Schlachten episodcnmäßig behandelt oder geradezu Nebcnvorfälle zu Motiven gewühlt (Rigo: Magenta, Her- sent und der Belgier Paternostre: Solserino, Ar mand Dümare sq: Epi¬ sode aus derselben Schlacht, hervortretend durch die schwer realistische Behand¬ lung, welche der Erscheinung mit der vollen Naturwahrheit auch das Körperhafte zu geben sucht). Den malerischen Reiz und das feurig bewegte Leben der Kampfesscenen von Salvator Rosa würde man freilich in diesen Bildern vergebens suchen. — Dieser Richtung steht die andere gegenüber, welche die oberste leitende Kraft des Kampfes in näherer oder entfernter Beziehung zu diesem selbst zur Darstellung bringt. Voran steht hier in einem gewissermaßen idealistischen Gegensatz zu dem Bilde von Pils das gleich große Gemälde v. Adolph Avon, einem Schüler, von Ingres: „Der Kaiser von seinem Generalstab umgeben, gibt den Befehl, sich der Position von Solserino zu bemächtigen. So begegnen ^vir schon hier dem Streit der verschiedenen Kunstprincipien, den wir im vollen Gange erst im Verlauf der Kunstgeschichte sehen werden. Für diesmal ist der Idealist unterlege». Der Kaiser trifft also die entscheidende Anordnung; aber 'n dem ruhigen Fingerzeig, dem Zusehen der Umgebenden — gleichgültiger Portraitköpfe — und dem heransprengenden die Mütze abnehmenden General kann sich die bedeutungsvolle Spitze des Moments nicht aussprechen, und °'Nige umherliegende Leichname und fernes Getümmel können den Mangel, an Bewegung nicht ersetzen. Die glatte, gelenkte, glänzende Behandlung, die ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/465>, abgerufen am 23.12.2024.