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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Erlaß, der sie verurtheilte. ist x. 106--109 mitgetheilt). Während aber diese
Reaction bereits weitere Verwicklungen mit dem Ausland im Keime in sich trug,
wurde das Reich der Schauplatz der entsetzlichsten Greuel im Innern. Ge¬
heimbünde zum Theil mit commumstischen Tendenzen und Räuberunwesen waren
von jeher eine Geißel des Landes gewesen. Aus einem solchen Geheimbunde
wuchs die Secte der Taipings hervor, gestiftet von einem gewissen Hong.
geboren 1813, einem mehrfach im Staatsexamen durchgefallenen Studenten,
welcher durch den Chinesen Liang Afat*) mit dem Christenthum etwas näher
bekannt wurde und in einer heftigen und langwierigen, von Visionen beglei¬
teten Krankheit**) den Plan faßte, ein einheimisches Herrscherhaus zu gründen,
den Jdvlendienst abzuschaffen und mittelst einer auf dem Grunde des Christen¬
thums fortgebauten Religion das chinesische Volk zu erneuern. Er erklärte
sich für den jungem Bruder Jesu Christi und ließ sich November 1851 zum
Kaiser ausrufen. Die entsetzliche Grausamkeit aber, mit der die Taipiugs
gegen die friedliche Bevölkerung des Mittelreichs wütheten ("schone ihrer nicht",
spricht 1853 der noch einmal aus der himmlischen Halle herabgestiegene
Himmelsvater zu seinem Sohne wie er einst zu Samuel geredet, "sondern
todte Alle, Mann und Weib, Kinder und Säuglinge, Ochsen und Schaafe")'
mit der Hong selbst einen Empörungsversuch unter seinen Anhängern in einem
Blutbad von 20000--30000 Menschen durch Ausrottung aller Anhänger des
Empörers erstickte, lassen das Urtheil eines Engländers (p. 147) als vollkom¬
men richtig erscheinen, daß die Taipings die Feinde jedes geordneten bürger¬
lichen Gemeinwesens, jeder civilisirten menschlichen Gesellschaft seien: grenzen¬
loser theokratischer Despotismus, empörende Grausamkeit, Vielweiberei***) und
Räuberthum seien die Bande, welche die Nebellenhaufen zusammenhielten. --
Freilich machen es die Kaiserlichen ihrerseits auch nicht besser: in acht Mo¬
naten des Jahres 1855 wurden in Canton allein über 70000 Menschen hin¬
richtet; mehrere Rebellensührer nach einer Verordnung des peinlichen Ge-
h^buchs bei lebendigem Leib in kleine Stücke gehauen; bei der Erstürmung
e>ner von den Taipings besetzt gewesenen Stadt wurden 200 Knaben nach
^"nvrdung der übrigen Einwohner lebendig begrabend): "alle diese scheinbar
^ milden und Moral predigenden Orientalen sind grausame, das Leben ihrer
Brüder mißachtende Menschen" (v. 115). Wären die Taipings unter sich einig
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') Es war dies der erste von Morrison protestantisch getaufte Chinese, den auch Neumann
^sorties kannte.
"
^ ) Unwillkürlich wird man hier theils an den Stifter des Islam, theils an den des
^Mtenordens erinnert.
") Vgl. die Heiligen des jüngsten Tages am Salzsee.
., 5) Nur in der grausen That Tamerlan's, der 7000 Kinder in Jspahan von den Hufen
^ "'°r R-itergcschwader zu Tode treten ließ (Neumann Schiltberger S. 80) wird man hierzu
'° Parallele finden können.

Erlaß, der sie verurtheilte. ist x. 106—109 mitgetheilt). Während aber diese
Reaction bereits weitere Verwicklungen mit dem Ausland im Keime in sich trug,
wurde das Reich der Schauplatz der entsetzlichsten Greuel im Innern. Ge¬
heimbünde zum Theil mit commumstischen Tendenzen und Räuberunwesen waren
von jeher eine Geißel des Landes gewesen. Aus einem solchen Geheimbunde
wuchs die Secte der Taipings hervor, gestiftet von einem gewissen Hong.
geboren 1813, einem mehrfach im Staatsexamen durchgefallenen Studenten,
welcher durch den Chinesen Liang Afat*) mit dem Christenthum etwas näher
bekannt wurde und in einer heftigen und langwierigen, von Visionen beglei¬
teten Krankheit**) den Plan faßte, ein einheimisches Herrscherhaus zu gründen,
den Jdvlendienst abzuschaffen und mittelst einer auf dem Grunde des Christen¬
thums fortgebauten Religion das chinesische Volk zu erneuern. Er erklärte
sich für den jungem Bruder Jesu Christi und ließ sich November 1851 zum
Kaiser ausrufen. Die entsetzliche Grausamkeit aber, mit der die Taipiugs
gegen die friedliche Bevölkerung des Mittelreichs wütheten („schone ihrer nicht",
spricht 1853 der noch einmal aus der himmlischen Halle herabgestiegene
Himmelsvater zu seinem Sohne wie er einst zu Samuel geredet, „sondern
todte Alle, Mann und Weib, Kinder und Säuglinge, Ochsen und Schaafe")'
mit der Hong selbst einen Empörungsversuch unter seinen Anhängern in einem
Blutbad von 20000—30000 Menschen durch Ausrottung aller Anhänger des
Empörers erstickte, lassen das Urtheil eines Engländers (p. 147) als vollkom¬
men richtig erscheinen, daß die Taipings die Feinde jedes geordneten bürger¬
lichen Gemeinwesens, jeder civilisirten menschlichen Gesellschaft seien: grenzen¬
loser theokratischer Despotismus, empörende Grausamkeit, Vielweiberei***) und
Räuberthum seien die Bande, welche die Nebellenhaufen zusammenhielten. —
Freilich machen es die Kaiserlichen ihrerseits auch nicht besser: in acht Mo¬
naten des Jahres 1855 wurden in Canton allein über 70000 Menschen hin¬
richtet; mehrere Rebellensührer nach einer Verordnung des peinlichen Ge-
h^buchs bei lebendigem Leib in kleine Stücke gehauen; bei der Erstürmung
e>ner von den Taipings besetzt gewesenen Stadt wurden 200 Knaben nach
^"nvrdung der übrigen Einwohner lebendig begrabend): „alle diese scheinbar
^ milden und Moral predigenden Orientalen sind grausame, das Leben ihrer
Brüder mißachtende Menschen" (v. 115). Wären die Taipings unter sich einig
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^ ) Unwillkürlich wird man hier theils an den Stifter des Islam, theils an den des
^Mtenordens erinnert.
") Vgl. die Heiligen des jüngsten Tages am Salzsee.
., 5) Nur in der grausen That Tamerlan's, der 7000 Kinder in Jspahan von den Hufen
^ "'°r R-itergcschwader zu Tode treten ließ (Neumann Schiltberger S. 80) wird man hierzu
'° Parallele finden können.
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[0343] Erlaß, der sie verurtheilte. ist x. 106—109 mitgetheilt). Während aber diese Reaction bereits weitere Verwicklungen mit dem Ausland im Keime in sich trug, wurde das Reich der Schauplatz der entsetzlichsten Greuel im Innern. Ge¬ heimbünde zum Theil mit commumstischen Tendenzen und Räuberunwesen waren von jeher eine Geißel des Landes gewesen. Aus einem solchen Geheimbunde wuchs die Secte der Taipings hervor, gestiftet von einem gewissen Hong. geboren 1813, einem mehrfach im Staatsexamen durchgefallenen Studenten, welcher durch den Chinesen Liang Afat*) mit dem Christenthum etwas näher bekannt wurde und in einer heftigen und langwierigen, von Visionen beglei¬ teten Krankheit**) den Plan faßte, ein einheimisches Herrscherhaus zu gründen, den Jdvlendienst abzuschaffen und mittelst einer auf dem Grunde des Christen¬ thums fortgebauten Religion das chinesische Volk zu erneuern. Er erklärte sich für den jungem Bruder Jesu Christi und ließ sich November 1851 zum Kaiser ausrufen. Die entsetzliche Grausamkeit aber, mit der die Taipiugs gegen die friedliche Bevölkerung des Mittelreichs wütheten („schone ihrer nicht", spricht 1853 der noch einmal aus der himmlischen Halle herabgestiegene Himmelsvater zu seinem Sohne wie er einst zu Samuel geredet, „sondern todte Alle, Mann und Weib, Kinder und Säuglinge, Ochsen und Schaafe")' mit der Hong selbst einen Empörungsversuch unter seinen Anhängern in einem Blutbad von 20000—30000 Menschen durch Ausrottung aller Anhänger des Empörers erstickte, lassen das Urtheil eines Engländers (p. 147) als vollkom¬ men richtig erscheinen, daß die Taipings die Feinde jedes geordneten bürger¬ lichen Gemeinwesens, jeder civilisirten menschlichen Gesellschaft seien: grenzen¬ loser theokratischer Despotismus, empörende Grausamkeit, Vielweiberei***) und Räuberthum seien die Bande, welche die Nebellenhaufen zusammenhielten. — Freilich machen es die Kaiserlichen ihrerseits auch nicht besser: in acht Mo¬ naten des Jahres 1855 wurden in Canton allein über 70000 Menschen hin¬ richtet; mehrere Rebellensührer nach einer Verordnung des peinlichen Ge- h^buchs bei lebendigem Leib in kleine Stücke gehauen; bei der Erstürmung e>ner von den Taipings besetzt gewesenen Stadt wurden 200 Knaben nach ^"nvrdung der übrigen Einwohner lebendig begrabend): „alle diese scheinbar ^ milden und Moral predigenden Orientalen sind grausame, das Leben ihrer Brüder mißachtende Menschen" (v. 115). Wären die Taipings unter sich einig '.»»«I-!.-.- ".' ' IM «Mi.'l<> ') Es war dies der erste von Morrison protestantisch getaufte Chinese, den auch Neumann ^sorties kannte. " ^ ) Unwillkürlich wird man hier theils an den Stifter des Islam, theils an den des ^Mtenordens erinnert. ") Vgl. die Heiligen des jüngsten Tages am Salzsee. ., 5) Nur in der grausen That Tamerlan's, der 7000 Kinder in Jspahan von den Hufen ^ "'°r R-itergcschwader zu Tode treten ließ (Neumann Schiltberger S. 80) wird man hierzu '° Parallele finden können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/343>, abgerufen am 03.07.2024.