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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Verkehr mit dem Provinzialgouverneur verweigerte. Daher die Entrüstung
und der Widerwille der Engländer, auch der nicht in directem Verkehr mit
China stehenden Kaufleute, gegen diesen Hochmuth und gegen die, ihrem Un-
ternehmungsgeiste überall entgegentretende chinesische Regierung. Die Opium-
schmuggelci gab die Veranlassung zum Ausbruch des Brandes, aber sie war
acht seine Ursache. Das "Opiumtrinken" wurde erst seit Ende des 18. Jahr¬
hunderts allgemeiner in China; vor 1767 betrug die jährliche Einfuhr 28000
Pfd.; seit 1767 stieg sie auf 140000 Pfd; 1837 auf 2-/" Mill.. 1838 auf 3'/s
Mill. Pfd. Die zunehmende Ausfuhr von Thee und Seide, die sich durch
andere Einfuhrartikel nicht balanciren ließ, veranlaßte die ostindische Com¬
pagnie, die Bereitung des Opiums in Indien in ihre eigene Hand zu nehmen;
durch die Güte ihres Productes schlug sie die fremde Concurrenz in China
aus dem Felde und erzielte einen Reingewinn, der seit 1838 die ungeheure
Summe von vier Millionen erreichte. Ursprünglich hatte die chinesische Regie¬
rung nur eine mäßige Abgabe auf die Einfuhr gelegt; seit sie aber (noch im
vorigen Jahrhundert) dies Steigen der Einfuhr und ihre physischen und mo¬
ralischen Nachtheile erkannte, verbot sie die Einfuhr, wodurch aber nur der
Preis verdoppelt und der Schmuggel hervorgerufen wurde. Um diesem öko¬
nomisch für China so nachtheiligen Zustand ein Ende zu machen, schickte die
Regierung 1839 den energischen Commissär Lin nach Canton. der auch wirklich
noch im gleichen Jahre die Herausgabe von 20000 Kisten Opium, die zum
Einschmuggeln parat lagen, erzwang, die Engländer aus Canton vertrieb und
vom chinesischen Handel gänzlich ausschloß. Dies war das Signal zum ersten
chinesischen Kriege, in welchem die Engländer Tschusan besetzten (Juli 1840)
und nach zwei zu keiner Verständigung führenden Waffenstillständen eine
Reihe wichtiger Städte eroberten und August 1342 vor Nanking sich lagerten,
was endlich den hochmüthigen Trotz der Chinesen brach und zur Unterzeich'
mung des Friedens von Nanking führte (29. Aug.): Die Abtretung der Insel
Hongkong, 21 Mill. Dollars als Entschädigungen, und die Eröffnung der
fünf Häfen Kuangsch6u. Futschsu, Umoi, Ningpo und Schanghai waren die
Früchte des Krieges. Einen vortrefflichen Einblick in die chinesischen Verhält¬
nisse gewährt das vollständig mitgetheilte Actenstück, in welchem die chinesischen
Kommissare ihrem Kaiser die englischen Bedingungen vorlegen und zur An¬
nahme derselben dringend rathen (x. 77--81).

Die dem chinesischen Hochmuth gegebene Lection wirkte noch so lange
Kaiser Taokuang lebte: China war dem Ausland geöffnet, und wohl oder
übel mußte der Himmelssohn 1844 mit den Vereinigten Staaten und mit
Frankreich Handelsverträge schließen. Aber mit dem Regierungsantritt seines
Nachfolgers Hienfong (25. Febr. 1850) trat eine Reaction ein, die sich durch
die Beseitigung der beiden einflußreichsten Minister ankündigte (der kaiserliche


Verkehr mit dem Provinzialgouverneur verweigerte. Daher die Entrüstung
und der Widerwille der Engländer, auch der nicht in directem Verkehr mit
China stehenden Kaufleute, gegen diesen Hochmuth und gegen die, ihrem Un-
ternehmungsgeiste überall entgegentretende chinesische Regierung. Die Opium-
schmuggelci gab die Veranlassung zum Ausbruch des Brandes, aber sie war
acht seine Ursache. Das „Opiumtrinken" wurde erst seit Ende des 18. Jahr¬
hunderts allgemeiner in China; vor 1767 betrug die jährliche Einfuhr 28000
Pfd.; seit 1767 stieg sie auf 140000 Pfd; 1837 auf 2-/» Mill.. 1838 auf 3'/s
Mill. Pfd. Die zunehmende Ausfuhr von Thee und Seide, die sich durch
andere Einfuhrartikel nicht balanciren ließ, veranlaßte die ostindische Com¬
pagnie, die Bereitung des Opiums in Indien in ihre eigene Hand zu nehmen;
durch die Güte ihres Productes schlug sie die fremde Concurrenz in China
aus dem Felde und erzielte einen Reingewinn, der seit 1838 die ungeheure
Summe von vier Millionen erreichte. Ursprünglich hatte die chinesische Regie¬
rung nur eine mäßige Abgabe auf die Einfuhr gelegt; seit sie aber (noch im
vorigen Jahrhundert) dies Steigen der Einfuhr und ihre physischen und mo¬
ralischen Nachtheile erkannte, verbot sie die Einfuhr, wodurch aber nur der
Preis verdoppelt und der Schmuggel hervorgerufen wurde. Um diesem öko¬
nomisch für China so nachtheiligen Zustand ein Ende zu machen, schickte die
Regierung 1839 den energischen Commissär Lin nach Canton. der auch wirklich
noch im gleichen Jahre die Herausgabe von 20000 Kisten Opium, die zum
Einschmuggeln parat lagen, erzwang, die Engländer aus Canton vertrieb und
vom chinesischen Handel gänzlich ausschloß. Dies war das Signal zum ersten
chinesischen Kriege, in welchem die Engländer Tschusan besetzten (Juli 1840)
und nach zwei zu keiner Verständigung führenden Waffenstillständen eine
Reihe wichtiger Städte eroberten und August 1342 vor Nanking sich lagerten,
was endlich den hochmüthigen Trotz der Chinesen brach und zur Unterzeich'
mung des Friedens von Nanking führte (29. Aug.): Die Abtretung der Insel
Hongkong, 21 Mill. Dollars als Entschädigungen, und die Eröffnung der
fünf Häfen Kuangsch6u. Futschsu, Umoi, Ningpo und Schanghai waren die
Früchte des Krieges. Einen vortrefflichen Einblick in die chinesischen Verhält¬
nisse gewährt das vollständig mitgetheilte Actenstück, in welchem die chinesischen
Kommissare ihrem Kaiser die englischen Bedingungen vorlegen und zur An¬
nahme derselben dringend rathen (x. 77—81).

Die dem chinesischen Hochmuth gegebene Lection wirkte noch so lange
Kaiser Taokuang lebte: China war dem Ausland geöffnet, und wohl oder
übel mußte der Himmelssohn 1844 mit den Vereinigten Staaten und mit
Frankreich Handelsverträge schließen. Aber mit dem Regierungsantritt seines
Nachfolgers Hienfong (25. Febr. 1850) trat eine Reaction ein, die sich durch
die Beseitigung der beiden einflußreichsten Minister ankündigte (der kaiserliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/342>, abgerufen am 03.07.2024.