Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gingen. Den Waffenstillstand fürchtete der eine Theil weniger, als daß er, unter
der Vermittlung Oestreichs, in einen für Preußen nicht bloß schmähliche",
sondern es geradezu vernichtenden Frieden übergehen würde. Nun trat aber
gerade Wilson mit dem ganzen Gewicht seiner Stellung als Bevollmächtigter
der englischen Negierung für die Friedenspartei ein und ga!) ihr dadurch noch
mehr Einfluß beim König von Preußen, in dessen vertrautester Umge¬
bung sich ohnedies schon ein nicht minder entschiedener Vertreter derselben Züch¬
tung, der General von dem Knesebeck. bewegte. Gneisenau schrieb deshalb
an den Grafen Münster, und machte ihn darauf aufmerksam, wie schädlich
es für die Interessen Englands sei, bei dem Monarchen von einem so ent¬
schiedenen Verfechter der Friedenspolitik, wie General Wilson war, vertreten
ju sein. Diesem Brief schreibt Wilson seine Versetzung zu, die übrigens erst
vier Monate später erfolgte und mehr eine Folge des Wunsches Lord Cast-
lereagh's, einem jungen Verwandten, Lord Bürgerst), eine angenehme Stellung
zu verschaffen, gewesen zu sein scheint. Sei dem wie ihm wolle, Wilson gießt
alle Schaalen seines Zornes über den unglücklichen Gneisenau aus. Für die
ehrenrühriger Verläumdungen, die er sich bei dieser Gelegenheit über den Ge¬
neral erlaubt, ist viel weniger er, als seine Gewährsmänner verantwortlich.
Daß der König von Preußen auf Wilson's Beschwerde, bei seiner bekannten
Abneigung gegen alle stürmisch zur That drängenden Charaktere über Gnei¬
senau äußerte "er sei ein. sich in Alles mengender Unheilstifter, den man unrer
fortwährender Aufsicht behalten müsse", läßt sich noch hören. Dieser Momuch
konnte einmal bei allen Vorzügen, großangelegte Charaktere nicht fassen.und
auch andere ausgezeichnete Männer, die dem Vaterlande schätzbare Dienste
listeten, aber dabei eine große Selbständigkeit bewahrten, wie Stein und
Roral, hat er mit herbem Tadel bedacht. Aber die obige Aeußerung wirst
wenigstens keinen Flecken auf Gneisenau's sittlichen Charakter. Schlimmer schon
trügt es bet dem Kaiser (wahrscheinlich dem russischen); er sagt: "Er ist ein Mann
von wilder, erhitzter Phantasie und höchst maaßlos, ein Agent in hannöverschen
Interesse, wie schon sein Schreiben an den Grafen Münster beweist!!" Die
Krone der Verläumdung gewinnen aber zwei biedere Oestreichs und zwar keine
geringeren Personen als Fürst Schwarzenberg und sein Generalquartiermeister
^adetzky. Ersterer äußerte gegen Wilson ,.er habe alle Ursache, in Bezug auf
^e>e Person mißtrauisch zu sein; es sei ihm längst offenbar, daß er unter dein
^nflussc einer dem gemeinsamen Interesse fremden Politik stehe." Noch besser
^detzt'y. dessen eigene Worte in Folgendem angeführt sind: "Ich habe den und
Plan empfangen und die und die Unterredung gehabt, aber ich habe dem Fürsten
^"ge, daß dieser Mann nicht von seinem Kopfe, sondern von den Bedürfnissen
^nich Geldbeutels berathen wird. Er ist. ich bin dessen überzeugt, ein mauvais
in ,rgend welchem fremden Solde." Derartige Aeußerungen -- mag


gingen. Den Waffenstillstand fürchtete der eine Theil weniger, als daß er, unter
der Vermittlung Oestreichs, in einen für Preußen nicht bloß schmähliche»,
sondern es geradezu vernichtenden Frieden übergehen würde. Nun trat aber
gerade Wilson mit dem ganzen Gewicht seiner Stellung als Bevollmächtigter
der englischen Negierung für die Friedenspartei ein und ga!) ihr dadurch noch
mehr Einfluß beim König von Preußen, in dessen vertrautester Umge¬
bung sich ohnedies schon ein nicht minder entschiedener Vertreter derselben Züch¬
tung, der General von dem Knesebeck. bewegte. Gneisenau schrieb deshalb
an den Grafen Münster, und machte ihn darauf aufmerksam, wie schädlich
es für die Interessen Englands sei, bei dem Monarchen von einem so ent¬
schiedenen Verfechter der Friedenspolitik, wie General Wilson war, vertreten
ju sein. Diesem Brief schreibt Wilson seine Versetzung zu, die übrigens erst
vier Monate später erfolgte und mehr eine Folge des Wunsches Lord Cast-
lereagh's, einem jungen Verwandten, Lord Bürgerst), eine angenehme Stellung
zu verschaffen, gewesen zu sein scheint. Sei dem wie ihm wolle, Wilson gießt
alle Schaalen seines Zornes über den unglücklichen Gneisenau aus. Für die
ehrenrühriger Verläumdungen, die er sich bei dieser Gelegenheit über den Ge¬
neral erlaubt, ist viel weniger er, als seine Gewährsmänner verantwortlich.
Daß der König von Preußen auf Wilson's Beschwerde, bei seiner bekannten
Abneigung gegen alle stürmisch zur That drängenden Charaktere über Gnei¬
senau äußerte „er sei ein. sich in Alles mengender Unheilstifter, den man unrer
fortwährender Aufsicht behalten müsse", läßt sich noch hören. Dieser Momuch
konnte einmal bei allen Vorzügen, großangelegte Charaktere nicht fassen.und
auch andere ausgezeichnete Männer, die dem Vaterlande schätzbare Dienste
listeten, aber dabei eine große Selbständigkeit bewahrten, wie Stein und
Roral, hat er mit herbem Tadel bedacht. Aber die obige Aeußerung wirst
wenigstens keinen Flecken auf Gneisenau's sittlichen Charakter. Schlimmer schon
trügt es bet dem Kaiser (wahrscheinlich dem russischen); er sagt: „Er ist ein Mann
von wilder, erhitzter Phantasie und höchst maaßlos, ein Agent in hannöverschen
Interesse, wie schon sein Schreiben an den Grafen Münster beweist!!" Die
Krone der Verläumdung gewinnen aber zwei biedere Oestreichs und zwar keine
geringeren Personen als Fürst Schwarzenberg und sein Generalquartiermeister
^adetzky. Ersterer äußerte gegen Wilson ,.er habe alle Ursache, in Bezug auf
^e>e Person mißtrauisch zu sein; es sei ihm längst offenbar, daß er unter dein
^nflussc einer dem gemeinsamen Interesse fremden Politik stehe." Noch besser
^detzt'y. dessen eigene Worte in Folgendem angeführt sind: „Ich habe den und
Plan empfangen und die und die Unterredung gehabt, aber ich habe dem Fürsten
^"ge, daß dieser Mann nicht von seinem Kopfe, sondern von den Bedürfnissen
^nich Geldbeutels berathen wird. Er ist. ich bin dessen überzeugt, ein mauvais
in ,rgend welchem fremden Solde." Derartige Aeußerungen — mag


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112283"/>
            <p xml:id="ID_1024" prev="#ID_1023" next="#ID_1025"> gingen. Den Waffenstillstand fürchtete der eine Theil weniger, als daß er, unter<lb/>
der Vermittlung Oestreichs, in einen für Preußen nicht bloß schmähliche»,<lb/>
sondern es geradezu vernichtenden Frieden übergehen würde. Nun trat aber<lb/>
gerade Wilson mit dem ganzen Gewicht seiner Stellung als Bevollmächtigter<lb/>
der englischen Negierung für die Friedenspartei ein und ga!) ihr dadurch noch<lb/>
mehr Einfluß beim König von Preußen, in dessen vertrautester Umge¬<lb/>
bung sich ohnedies schon ein nicht minder entschiedener Vertreter derselben Züch¬<lb/>
tung, der General von dem Knesebeck. bewegte. Gneisenau schrieb deshalb<lb/>
an den Grafen Münster, und machte ihn darauf aufmerksam, wie schädlich<lb/>
es für die Interessen Englands sei, bei dem Monarchen von einem so ent¬<lb/>
schiedenen Verfechter der Friedenspolitik, wie General Wilson war, vertreten<lb/>
ju sein. Diesem Brief schreibt Wilson seine Versetzung zu, die übrigens erst<lb/>
vier Monate später erfolgte und mehr eine Folge des Wunsches Lord Cast-<lb/>
lereagh's, einem jungen Verwandten, Lord Bürgerst), eine angenehme Stellung<lb/>
zu verschaffen, gewesen zu sein scheint. Sei dem wie ihm wolle, Wilson gießt<lb/>
alle Schaalen seines Zornes über den unglücklichen Gneisenau aus. Für die<lb/>
ehrenrühriger Verläumdungen, die er sich bei dieser Gelegenheit über den Ge¬<lb/>
neral erlaubt, ist viel weniger er, als seine Gewährsmänner verantwortlich.<lb/>
Daß der König von Preußen auf Wilson's Beschwerde, bei seiner bekannten<lb/>
Abneigung gegen alle stürmisch zur That drängenden Charaktere über Gnei¬<lb/>
senau äußerte &#x201E;er sei ein. sich in Alles mengender Unheilstifter, den man unrer<lb/>
fortwährender Aufsicht behalten müsse", läßt sich noch hören. Dieser Momuch<lb/>
konnte einmal bei allen Vorzügen, großangelegte Charaktere nicht fassen.und<lb/>
auch andere ausgezeichnete Männer, die dem Vaterlande schätzbare Dienste<lb/>
listeten, aber dabei eine große Selbständigkeit bewahrten, wie Stein und<lb/>
Roral, hat er mit herbem Tadel bedacht. Aber die obige Aeußerung wirst<lb/>
wenigstens keinen Flecken auf Gneisenau's sittlichen Charakter. Schlimmer schon<lb/>
trügt es bet dem Kaiser (wahrscheinlich dem russischen); er sagt: &#x201E;Er ist ein Mann<lb/>
von wilder, erhitzter Phantasie und höchst maaßlos, ein Agent in hannöverschen<lb/>
Interesse, wie schon sein Schreiben an den Grafen Münster beweist!!" Die<lb/>
Krone der Verläumdung gewinnen aber zwei biedere Oestreichs und zwar keine<lb/>
geringeren Personen als Fürst Schwarzenberg und sein Generalquartiermeister<lb/>
^adetzky. Ersterer äußerte gegen Wilson ,.er habe alle Ursache, in Bezug auf<lb/>
^e&gt;e Person mißtrauisch zu sein; es sei ihm längst offenbar, daß er unter dein<lb/>
^nflussc einer dem gemeinsamen Interesse fremden Politik stehe." Noch besser<lb/>
^detzt'y. dessen eigene Worte in Folgendem angeführt sind: &#x201E;Ich habe den und<lb/>
Plan empfangen und die und die Unterredung gehabt, aber ich habe dem Fürsten<lb/>
^"ge, daß dieser Mann nicht von seinem Kopfe, sondern von den Bedürfnissen<lb/>
^nich Geldbeutels berathen wird. Er ist. ich bin dessen überzeugt, ein mauvais<lb/>
in ,rgend welchem fremden Solde."  Derartige Aeußerungen &#x2014; mag</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] gingen. Den Waffenstillstand fürchtete der eine Theil weniger, als daß er, unter der Vermittlung Oestreichs, in einen für Preußen nicht bloß schmähliche», sondern es geradezu vernichtenden Frieden übergehen würde. Nun trat aber gerade Wilson mit dem ganzen Gewicht seiner Stellung als Bevollmächtigter der englischen Negierung für die Friedenspartei ein und ga!) ihr dadurch noch mehr Einfluß beim König von Preußen, in dessen vertrautester Umge¬ bung sich ohnedies schon ein nicht minder entschiedener Vertreter derselben Züch¬ tung, der General von dem Knesebeck. bewegte. Gneisenau schrieb deshalb an den Grafen Münster, und machte ihn darauf aufmerksam, wie schädlich es für die Interessen Englands sei, bei dem Monarchen von einem so ent¬ schiedenen Verfechter der Friedenspolitik, wie General Wilson war, vertreten ju sein. Diesem Brief schreibt Wilson seine Versetzung zu, die übrigens erst vier Monate später erfolgte und mehr eine Folge des Wunsches Lord Cast- lereagh's, einem jungen Verwandten, Lord Bürgerst), eine angenehme Stellung zu verschaffen, gewesen zu sein scheint. Sei dem wie ihm wolle, Wilson gießt alle Schaalen seines Zornes über den unglücklichen Gneisenau aus. Für die ehrenrühriger Verläumdungen, die er sich bei dieser Gelegenheit über den Ge¬ neral erlaubt, ist viel weniger er, als seine Gewährsmänner verantwortlich. Daß der König von Preußen auf Wilson's Beschwerde, bei seiner bekannten Abneigung gegen alle stürmisch zur That drängenden Charaktere über Gnei¬ senau äußerte „er sei ein. sich in Alles mengender Unheilstifter, den man unrer fortwährender Aufsicht behalten müsse", läßt sich noch hören. Dieser Momuch konnte einmal bei allen Vorzügen, großangelegte Charaktere nicht fassen.und auch andere ausgezeichnete Männer, die dem Vaterlande schätzbare Dienste listeten, aber dabei eine große Selbständigkeit bewahrten, wie Stein und Roral, hat er mit herbem Tadel bedacht. Aber die obige Aeußerung wirst wenigstens keinen Flecken auf Gneisenau's sittlichen Charakter. Schlimmer schon trügt es bet dem Kaiser (wahrscheinlich dem russischen); er sagt: „Er ist ein Mann von wilder, erhitzter Phantasie und höchst maaßlos, ein Agent in hannöverschen Interesse, wie schon sein Schreiben an den Grafen Münster beweist!!" Die Krone der Verläumdung gewinnen aber zwei biedere Oestreichs und zwar keine geringeren Personen als Fürst Schwarzenberg und sein Generalquartiermeister ^adetzky. Ersterer äußerte gegen Wilson ,.er habe alle Ursache, in Bezug auf ^e>e Person mißtrauisch zu sein; es sei ihm längst offenbar, daß er unter dein ^nflussc einer dem gemeinsamen Interesse fremden Politik stehe." Noch besser ^detzt'y. dessen eigene Worte in Folgendem angeführt sind: „Ich habe den und Plan empfangen und die und die Unterredung gehabt, aber ich habe dem Fürsten ^"ge, daß dieser Mann nicht von seinem Kopfe, sondern von den Bedürfnissen ^nich Geldbeutels berathen wird. Er ist. ich bin dessen überzeugt, ein mauvais in ,rgend welchem fremden Solde." Derartige Aeußerungen — mag

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/313>, abgerufen am 23.07.2024.