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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ihnen Leichtfertigkeit oder Böswilligkeit zu Grunde liegen -- richten sich selbst
und zugleich den Mann, der sie ausspricht. Dabei müssen wir noch erwähnen,
daß Radetzky während und nach dem Waffenstillstande fortwährend im ver¬
traulichsten Verkehr mit Gneisenau stand, von ihm in alle Pläne des Haupt¬
quartiers der schlesischen Armee eingeweiht ward und in Antwort auf diese
Mittheilungen in Schmeicheleien und Huldigungen nicht sparsam war.

Ehe wir General Wilson in sem halbes Exil, fern vom eigentlichen Kriegs¬
schauplatz, begleiten, möge noch eine Anekdote von Napoleon mitgetheilt sein.
Nach dem Tode Poniatowski's wünschte Napoleon den Ueberrest seiner Polen,
nrcht über 1500 Mann, unter das Commando Dombrowskt's zu stellen; aber
dre Obersten machten Vorstellungen und verlangten den Fürsten Sulkvwski zu
ihrem Anführer und Vonaparte gab nach. Als jedoch Sulkowski sah, daß die
Sachen schlecht gingen, und daß Napoleon sie wahrscheinlich mit über den
Rhein nehmen würde, verlangte er mit verschiedenen Anderen seine Entlassung,
weil sie sich nur verpflichtet hätten Frankreich für Polen und den König von
Sachsen zu dienen. Sie sagten auch, sie wollten in ihr Vaterland zurückkeh¬
ren und ihren Kohl bauen, aber keiner Macht dienen, außer wenn sich wieder
eine Aussicht zeige, ein unabhängiges Polen durch die Anstrengungen Polens
herzustellen. Napoleon versuchte ihnen dieses auszureden und stellte ihnen vor,
der König von Sachsen sei, nur nominell ihr Souverain; er selbst sei ihr
Herzog; das Herzogthum bestehe fort; er wollte ihnen die Mittel nachweisen
es zu erhalten und jedenfalls ihnen Schutz in Frankreich sichern. Sulkowski
blieb jedoch bei seinem Entlassungsgesuch, worauf Napoleon zu ihm sagte:
"H,Ac2i äouo.....Vous etes iaäiMö de votre 6es,et" Er rief dann die
Polen zusammen und hielt eine Ansprache an sie. Er sing damit an, daß er
ihnen sagte, er sei von aller Welt verrathen worden, vom Fürsten Schwarzen¬
berg an, bis zum Niedrigsten seiner Verbündeten; aber er wolle ihnen zeigen,
daß er immer noch derselbe sei wie früher und die Macht besitze wieder so
groß zu werden wie je. "Lst-es Huc suis MÄigri? (uro^e^ vous guf ^
n'al MS un.....Lee; "te." Dann setzte er hinzu, indem er sich an Dom-
browski wendete "liespeetMe veillirrä! xiren-ZU 1e eomms-nätzmeitt cle vos
braves. lie Mus Komme -- co tMssou in. -- lo 1s, morits xg.8! Luives
moi; vous Z-UÄNti 1e borrnvur."

"Diese Rede," bemerkt dazu Wilson, "obgleich nicht von der Art, wie sie
Tacitus oder Polybius oder nur Quintus Currius ihren Helden in den Mund
gelegt haben würden, brachte Nichts desto weniger die gewünschte Wirkung
hervor; und außer dem Fürsten Sulkowski verließ kein Mann von den pol'
Nischen Truppen die französische Fahne."

Fern vom eigentlichen Kriegsschauplatze urtheilt Wilson noch mehr nach
seinen vorgefaßten Meinungen, und seine Ansichten tragen noch entschieden^


ihnen Leichtfertigkeit oder Böswilligkeit zu Grunde liegen — richten sich selbst
und zugleich den Mann, der sie ausspricht. Dabei müssen wir noch erwähnen,
daß Radetzky während und nach dem Waffenstillstande fortwährend im ver¬
traulichsten Verkehr mit Gneisenau stand, von ihm in alle Pläne des Haupt¬
quartiers der schlesischen Armee eingeweiht ward und in Antwort auf diese
Mittheilungen in Schmeicheleien und Huldigungen nicht sparsam war.

Ehe wir General Wilson in sem halbes Exil, fern vom eigentlichen Kriegs¬
schauplatz, begleiten, möge noch eine Anekdote von Napoleon mitgetheilt sein.
Nach dem Tode Poniatowski's wünschte Napoleon den Ueberrest seiner Polen,
nrcht über 1500 Mann, unter das Commando Dombrowskt's zu stellen; aber
dre Obersten machten Vorstellungen und verlangten den Fürsten Sulkvwski zu
ihrem Anführer und Vonaparte gab nach. Als jedoch Sulkowski sah, daß die
Sachen schlecht gingen, und daß Napoleon sie wahrscheinlich mit über den
Rhein nehmen würde, verlangte er mit verschiedenen Anderen seine Entlassung,
weil sie sich nur verpflichtet hätten Frankreich für Polen und den König von
Sachsen zu dienen. Sie sagten auch, sie wollten in ihr Vaterland zurückkeh¬
ren und ihren Kohl bauen, aber keiner Macht dienen, außer wenn sich wieder
eine Aussicht zeige, ein unabhängiges Polen durch die Anstrengungen Polens
herzustellen. Napoleon versuchte ihnen dieses auszureden und stellte ihnen vor,
der König von Sachsen sei, nur nominell ihr Souverain; er selbst sei ihr
Herzog; das Herzogthum bestehe fort; er wollte ihnen die Mittel nachweisen
es zu erhalten und jedenfalls ihnen Schutz in Frankreich sichern. Sulkowski
blieb jedoch bei seinem Entlassungsgesuch, worauf Napoleon zu ihm sagte:
„H,Ac2i äouo.....Vous etes iaäiMö de votre 6es,et" Er rief dann die
Polen zusammen und hielt eine Ansprache an sie. Er sing damit an, daß er
ihnen sagte, er sei von aller Welt verrathen worden, vom Fürsten Schwarzen¬
berg an, bis zum Niedrigsten seiner Verbündeten; aber er wolle ihnen zeigen,
daß er immer noch derselbe sei wie früher und die Macht besitze wieder so
groß zu werden wie je. „Lst-es Huc suis MÄigri? (uro^e^ vous guf ^
n'al MS un.....Lee; «te." Dann setzte er hinzu, indem er sich an Dom-
browski wendete „liespeetMe veillirrä! xiren-ZU 1e eomms-nätzmeitt cle vos
braves. lie Mus Komme — co tMssou in. — lo 1s, morits xg.8! Luives
moi; vous Z-UÄNti 1e borrnvur."

„Diese Rede," bemerkt dazu Wilson, „obgleich nicht von der Art, wie sie
Tacitus oder Polybius oder nur Quintus Currius ihren Helden in den Mund
gelegt haben würden, brachte Nichts desto weniger die gewünschte Wirkung
hervor; und außer dem Fürsten Sulkowski verließ kein Mann von den pol'
Nischen Truppen die französische Fahne."

Fern vom eigentlichen Kriegsschauplatze urtheilt Wilson noch mehr nach
seinen vorgefaßten Meinungen, und seine Ansichten tragen noch entschieden^


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[0314] ihnen Leichtfertigkeit oder Böswilligkeit zu Grunde liegen — richten sich selbst und zugleich den Mann, der sie ausspricht. Dabei müssen wir noch erwähnen, daß Radetzky während und nach dem Waffenstillstande fortwährend im ver¬ traulichsten Verkehr mit Gneisenau stand, von ihm in alle Pläne des Haupt¬ quartiers der schlesischen Armee eingeweiht ward und in Antwort auf diese Mittheilungen in Schmeicheleien und Huldigungen nicht sparsam war. Ehe wir General Wilson in sem halbes Exil, fern vom eigentlichen Kriegs¬ schauplatz, begleiten, möge noch eine Anekdote von Napoleon mitgetheilt sein. Nach dem Tode Poniatowski's wünschte Napoleon den Ueberrest seiner Polen, nrcht über 1500 Mann, unter das Commando Dombrowskt's zu stellen; aber dre Obersten machten Vorstellungen und verlangten den Fürsten Sulkvwski zu ihrem Anführer und Vonaparte gab nach. Als jedoch Sulkowski sah, daß die Sachen schlecht gingen, und daß Napoleon sie wahrscheinlich mit über den Rhein nehmen würde, verlangte er mit verschiedenen Anderen seine Entlassung, weil sie sich nur verpflichtet hätten Frankreich für Polen und den König von Sachsen zu dienen. Sie sagten auch, sie wollten in ihr Vaterland zurückkeh¬ ren und ihren Kohl bauen, aber keiner Macht dienen, außer wenn sich wieder eine Aussicht zeige, ein unabhängiges Polen durch die Anstrengungen Polens herzustellen. Napoleon versuchte ihnen dieses auszureden und stellte ihnen vor, der König von Sachsen sei, nur nominell ihr Souverain; er selbst sei ihr Herzog; das Herzogthum bestehe fort; er wollte ihnen die Mittel nachweisen es zu erhalten und jedenfalls ihnen Schutz in Frankreich sichern. Sulkowski blieb jedoch bei seinem Entlassungsgesuch, worauf Napoleon zu ihm sagte: „H,Ac2i äouo.....Vous etes iaäiMö de votre 6es,et" Er rief dann die Polen zusammen und hielt eine Ansprache an sie. Er sing damit an, daß er ihnen sagte, er sei von aller Welt verrathen worden, vom Fürsten Schwarzen¬ berg an, bis zum Niedrigsten seiner Verbündeten; aber er wolle ihnen zeigen, daß er immer noch derselbe sei wie früher und die Macht besitze wieder so groß zu werden wie je. „Lst-es Huc suis MÄigri? (uro^e^ vous guf ^ n'al MS un.....Lee; «te." Dann setzte er hinzu, indem er sich an Dom- browski wendete „liespeetMe veillirrä! xiren-ZU 1e eomms-nätzmeitt cle vos braves. lie Mus Komme — co tMssou in. — lo 1s, morits xg.8! Luives moi; vous Z-UÄNti 1e borrnvur." „Diese Rede," bemerkt dazu Wilson, „obgleich nicht von der Art, wie sie Tacitus oder Polybius oder nur Quintus Currius ihren Helden in den Mund gelegt haben würden, brachte Nichts desto weniger die gewünschte Wirkung hervor; und außer dem Fürsten Sulkowski verließ kein Mann von den pol' Nischen Truppen die französische Fahne." Fern vom eigentlichen Kriegsschauplatze urtheilt Wilson noch mehr nach seinen vorgefaßten Meinungen, und seine Ansichten tragen noch entschieden^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/314>, abgerufen am 23.12.2024.