Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.herzig sein, . . . sollen Geduld mit ihnen haben, wie sie sein geduldet wor¬ Es ist nun gesagt worden, daß sowol in philosophischer als namentlich Schon längst sind die Grundsätze, welche der pfeudonyme Verfasser der herzig sein, . . . sollen Geduld mit ihnen haben, wie sie sein geduldet wor¬ Es ist nun gesagt worden, daß sowol in philosophischer als namentlich Schon längst sind die Grundsätze, welche der pfeudonyme Verfasser der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112276"/> <p xml:id="ID_993" prev="#ID_992"> herzig sein, . . . sollen Geduld mit ihnen haben, wie sie sein geduldet wor¬<lb/> den; sie wollten ja nicht, daß man sie im Irrthum und Unglauben erwürgte<lb/> und verderbte. — Eine andere Schrift aus dem Jahre 1632. die im schwe¬<lb/> dische» Interesse abgefaßt ist, nennt auch einen Anlauf, tue Religions- und<lb/> Gewissensfreiheit im modernen Sinne zu vertheidigen, beschränkt sich aber doch<lb/> zuletzt darauf, die großen streitenden Parteien der Lutheraner und Katholiken<lb/> unter einander zu einem neuen Religionsfrieden zu mahnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_994"> Es ist nun gesagt worden, daß sowol in philosophischer als namentlich<lb/> auch in politischer Beziehung die Anschauungen dieser Mystiker unfrucht¬<lb/> bar gewesen seien, und daß sie somit eigentliche praktische Wirkungen über¬<lb/> haupt nicht gehabt hätten. Beides, wie mir scheint, mit Unrecht. In reli¬<lb/> giös-philosophischer Beziehung bereiten sie allmälig den Boden vor,, auf welchem<lb/> sich Spinoza und Leibnitz erheben konnten; politisch haben sie ja auch gerade<lb/> dadurch gewirkt, daß sie die Schroffheit der dogmatischen Confefsionsulirerschieoe<lb/> milderten und das Einigende in allen Eonfejsionen hervorhoben; Vasj.sie den<lb/> Fürsten nunmehr ganz offen das Recht absprachen ihre Völker nach Belieben<lb/> zu einer bestimmten Eonsession zwingen zu können, und allmülig den refor-<lb/> matorischen Grundsatz durchlöcherten: an^'us rvgio, «z^us reli^lo. So niachte» sie<lb/> die Religion zu einem unveräußerlichen Gute des Individuums und erwei¬<lb/> terten dadurch überhaupt den Bereich der Individualität nach feiner modernen<lb/> Ausdehnung hin. Wer will aber erst berechnen, wie groß die erbaulichen<lb/> Wirkungen dieser milden Lehren in einer Zeit waren, in welcher unter dem<lb/> Namen der orthodoxen Kirchengemeinschaften so unsagbare Greuel begangen<lb/> wurden? Wer wird es weiter schätze» können, wie Viele in diesen Anschau¬<lb/> ungen auch eine Erweiterung und Vertiefung ihres speculativen Gedanken¬<lb/> kreises fanden, deren Geist von einem äußerlich rohen und platten dogmati¬<lb/> schen Formelkrame keine Befruchtung empfangen konnte?</p><lb/> <p xml:id="ID_995" next="#ID_996"> Schon längst sind die Grundsätze, welche der pfeudonyme Verfasser der<lb/> oben angeführten Schriftchen vertheidigte, Fundamentalsätze unseres modernen<lb/> Lebens geworden. Namentlich die Hohenzollern haben dieselben schon früh<lb/> zu einer Grundlage ihres Staates gemacht: der große Kurfürst dachte bereits<lb/> daran, eine Akademie für alle, Eonfeffionen und Religionen zu gründen, und<lb/> der Ausspruch des großen Königs ist bis vor Kurzem als ein sicheres Schild<lb/> gegen entgegengesetzte Bestrebungen wirksam gebraucht worden. — Das Reich<lb/> des berechtigten Subjectivismus ist durch die Philosophie, an welche die MvD<lb/> nur streifte, so weit ausgedehnt worden, daß schwerlich eine Zeit wiederkom¬<lb/> men dürste, wo demselben engere Grenzen gesteckt werden könnten. Und was<lb/> die eigentlich religiösen Anschauungen anlangt, so haben verschiedene Umstände<lb/> beigerragen, das Gemeinchnsillche, oder, wenn man will, die allgemeine umfiel)t°<lb/> bare christliche Kirche über die einzelnen Konfessionen zu stellen. Wir geeinigt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
herzig sein, . . . sollen Geduld mit ihnen haben, wie sie sein geduldet wor¬
den; sie wollten ja nicht, daß man sie im Irrthum und Unglauben erwürgte
und verderbte. — Eine andere Schrift aus dem Jahre 1632. die im schwe¬
dische» Interesse abgefaßt ist, nennt auch einen Anlauf, tue Religions- und
Gewissensfreiheit im modernen Sinne zu vertheidigen, beschränkt sich aber doch
zuletzt darauf, die großen streitenden Parteien der Lutheraner und Katholiken
unter einander zu einem neuen Religionsfrieden zu mahnen.
Es ist nun gesagt worden, daß sowol in philosophischer als namentlich
auch in politischer Beziehung die Anschauungen dieser Mystiker unfrucht¬
bar gewesen seien, und daß sie somit eigentliche praktische Wirkungen über¬
haupt nicht gehabt hätten. Beides, wie mir scheint, mit Unrecht. In reli¬
giös-philosophischer Beziehung bereiten sie allmälig den Boden vor,, auf welchem
sich Spinoza und Leibnitz erheben konnten; politisch haben sie ja auch gerade
dadurch gewirkt, daß sie die Schroffheit der dogmatischen Confefsionsulirerschieoe
milderten und das Einigende in allen Eonfejsionen hervorhoben; Vasj.sie den
Fürsten nunmehr ganz offen das Recht absprachen ihre Völker nach Belieben
zu einer bestimmten Eonsession zwingen zu können, und allmülig den refor-
matorischen Grundsatz durchlöcherten: an^'us rvgio, «z^us reli^lo. So niachte» sie
die Religion zu einem unveräußerlichen Gute des Individuums und erwei¬
terten dadurch überhaupt den Bereich der Individualität nach feiner modernen
Ausdehnung hin. Wer will aber erst berechnen, wie groß die erbaulichen
Wirkungen dieser milden Lehren in einer Zeit waren, in welcher unter dem
Namen der orthodoxen Kirchengemeinschaften so unsagbare Greuel begangen
wurden? Wer wird es weiter schätze» können, wie Viele in diesen Anschau¬
ungen auch eine Erweiterung und Vertiefung ihres speculativen Gedanken¬
kreises fanden, deren Geist von einem äußerlich rohen und platten dogmati¬
schen Formelkrame keine Befruchtung empfangen konnte?
Schon längst sind die Grundsätze, welche der pfeudonyme Verfasser der
oben angeführten Schriftchen vertheidigte, Fundamentalsätze unseres modernen
Lebens geworden. Namentlich die Hohenzollern haben dieselben schon früh
zu einer Grundlage ihres Staates gemacht: der große Kurfürst dachte bereits
daran, eine Akademie für alle, Eonfeffionen und Religionen zu gründen, und
der Ausspruch des großen Königs ist bis vor Kurzem als ein sicheres Schild
gegen entgegengesetzte Bestrebungen wirksam gebraucht worden. — Das Reich
des berechtigten Subjectivismus ist durch die Philosophie, an welche die MvD
nur streifte, so weit ausgedehnt worden, daß schwerlich eine Zeit wiederkom¬
men dürste, wo demselben engere Grenzen gesteckt werden könnten. Und was
die eigentlich religiösen Anschauungen anlangt, so haben verschiedene Umstände
beigerragen, das Gemeinchnsillche, oder, wenn man will, die allgemeine umfiel)t°
bare christliche Kirche über die einzelnen Konfessionen zu stellen. Wir geeinigt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |