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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ten Protestanten sehen schon lange nicht mehr mit Luther im Katholicismus
den Antichrist: unsere Geschichtsforschung, die deutsche Sprachforschung und
Mythologie, die Literaturgeschichte sind die Brücken, auf denen wir in das
Land unserer Kindheit hinabsteigen, um ihre Träume zu deuten. So sind wir
schon seit langer Zeit national genug, um auch in jenen Zeiten unser eignes
Seiost wiederzufinden. Und daß auch die Katholischen ihren noch immer
mit großer Hartnäckigkeit festgehaltenen Parteistandpunkt endlich einmal aus¬
geben werden, dazu werden die großen Ereignisse der Gegenwart, durch welche
den alten protestantischen Prophezeiungen gemäß der Papst mit dem Sultan
zugleich gestürzt werden wird, mehr beitragen, als wir heute noch ahnen können.

Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, daß in der Gleichgültigkeit dieser
ganzen Richtung gegen das Dognmtisch-Consessionelle, in der Betonung des
Gemein-Christlichen, gerade in jener Zeit eine große Gefahr für die protestan¬
tische Entwickelung unseres Volksgeistes überhaupt lag. Der geistvollste Ver¬
treter dieser mystischen Anschauungen, Angelus Silestus, suchte doch zuletzt
wieder eine Zufluchtsstätte in der katholischen Kirche und endigte im Matthias¬
kloster zu Breslau. Wenn aber diese Richtung selbst eine so tief angelegte
Natur in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche zurücktrieb, was wäre
zu erwarten gewesen, wenn sie allgemeinere Verbreitung unter den Protestan¬
ten gefunden hätte? Hat doch in der That eine solche mystische Innerlichkeit,
welche als Lehre überliefert und fortgepflanzt wurde, auch in neuerer Zeit zu
Erscheinungen geführt, welche die geistvollen Väter derselben haben beklagen
I. O. O. und selbst bekämpfen müssen. --




Aus General Wilson's Tagebüchern.
2.

Der Anfang der Operationen der nun verbündeten drei Mächte war leider
ö"nz darnach angethan, den schwarzen Prophezeiungen Wilson's Recht zu
Keder. Schon auf dem Vormarsch gegen Dresden, in Freiberg, begegnete er


Grenzboten III. Is61, 38

ten Protestanten sehen schon lange nicht mehr mit Luther im Katholicismus
den Antichrist: unsere Geschichtsforschung, die deutsche Sprachforschung und
Mythologie, die Literaturgeschichte sind die Brücken, auf denen wir in das
Land unserer Kindheit hinabsteigen, um ihre Träume zu deuten. So sind wir
schon seit langer Zeit national genug, um auch in jenen Zeiten unser eignes
Seiost wiederzufinden. Und daß auch die Katholischen ihren noch immer
mit großer Hartnäckigkeit festgehaltenen Parteistandpunkt endlich einmal aus¬
geben werden, dazu werden die großen Ereignisse der Gegenwart, durch welche
den alten protestantischen Prophezeiungen gemäß der Papst mit dem Sultan
zugleich gestürzt werden wird, mehr beitragen, als wir heute noch ahnen können.

Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, daß in der Gleichgültigkeit dieser
ganzen Richtung gegen das Dognmtisch-Consessionelle, in der Betonung des
Gemein-Christlichen, gerade in jener Zeit eine große Gefahr für die protestan¬
tische Entwickelung unseres Volksgeistes überhaupt lag. Der geistvollste Ver¬
treter dieser mystischen Anschauungen, Angelus Silestus, suchte doch zuletzt
wieder eine Zufluchtsstätte in der katholischen Kirche und endigte im Matthias¬
kloster zu Breslau. Wenn aber diese Richtung selbst eine so tief angelegte
Natur in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche zurücktrieb, was wäre
zu erwarten gewesen, wenn sie allgemeinere Verbreitung unter den Protestan¬
ten gefunden hätte? Hat doch in der That eine solche mystische Innerlichkeit,
welche als Lehre überliefert und fortgepflanzt wurde, auch in neuerer Zeit zu
Erscheinungen geführt, welche die geistvollen Väter derselben haben beklagen
I. O. O. und selbst bekämpfen müssen. —




Aus General Wilson's Tagebüchern.
2.

Der Anfang der Operationen der nun verbündeten drei Mächte war leider
ö»nz darnach angethan, den schwarzen Prophezeiungen Wilson's Recht zu
Keder. Schon auf dem Vormarsch gegen Dresden, in Freiberg, begegnete er


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[0307] ten Protestanten sehen schon lange nicht mehr mit Luther im Katholicismus den Antichrist: unsere Geschichtsforschung, die deutsche Sprachforschung und Mythologie, die Literaturgeschichte sind die Brücken, auf denen wir in das Land unserer Kindheit hinabsteigen, um ihre Träume zu deuten. So sind wir schon seit langer Zeit national genug, um auch in jenen Zeiten unser eignes Seiost wiederzufinden. Und daß auch die Katholischen ihren noch immer mit großer Hartnäckigkeit festgehaltenen Parteistandpunkt endlich einmal aus¬ geben werden, dazu werden die großen Ereignisse der Gegenwart, durch welche den alten protestantischen Prophezeiungen gemäß der Papst mit dem Sultan zugleich gestürzt werden wird, mehr beitragen, als wir heute noch ahnen können. Trotzdem darf nicht verschwiegen werden, daß in der Gleichgültigkeit dieser ganzen Richtung gegen das Dognmtisch-Consessionelle, in der Betonung des Gemein-Christlichen, gerade in jener Zeit eine große Gefahr für die protestan¬ tische Entwickelung unseres Volksgeistes überhaupt lag. Der geistvollste Ver¬ treter dieser mystischen Anschauungen, Angelus Silestus, suchte doch zuletzt wieder eine Zufluchtsstätte in der katholischen Kirche und endigte im Matthias¬ kloster zu Breslau. Wenn aber diese Richtung selbst eine so tief angelegte Natur in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche zurücktrieb, was wäre zu erwarten gewesen, wenn sie allgemeinere Verbreitung unter den Protestan¬ ten gefunden hätte? Hat doch in der That eine solche mystische Innerlichkeit, welche als Lehre überliefert und fortgepflanzt wurde, auch in neuerer Zeit zu Erscheinungen geführt, welche die geistvollen Väter derselben haben beklagen I. O. O. und selbst bekämpfen müssen. — Aus General Wilson's Tagebüchern. 2. Der Anfang der Operationen der nun verbündeten drei Mächte war leider ö»nz darnach angethan, den schwarzen Prophezeiungen Wilson's Recht zu Keder. Schon auf dem Vormarsch gegen Dresden, in Freiberg, begegnete er Grenzboten III. Is61, 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/307>, abgerufen am 22.12.2024.