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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Während nun das heilige römische Reich, in welchem ja nur die Hauptsecten
Duldung empfangen, die andern dagegen des Todes gewärtig sein müssen,
mitscunmt seinen 7 Häuptern und 10 Kronen ein Ende nehmen muß mit
ewigem Spott. Hohn und Fluch, kommt das Reich Gottes heran, zu dem alle
Christen. Juden, Türken und Heiden berufen sind.

Welches sind nun aber die äußeren Lebenszeugnisse der großen von dem
Verfasser so sehr verabscheuten Seelen? -- Es ist unter keinerlei Geschöpfen und
Creaturen kein solcher Greuel. Unvernunft und Verkehrtheit als unter den
Menschen. Dieses "unartige" Geschlecht ist "unvernünftiger, greulicher
und unsinniger weder Laub, Gras und Blumen, weder alle Bäume, und als
nirgend keine lebendige Seele". Wie wollen die verkehrten Unmenschen, die
nicht einmal mit ihres Gleichen zu leben und zu wandeln wissen, das. was
göttlich, geistlich und dimmlisch ist, beurtheilen, oder wohl gar, wie man an
Gott glauben und ihm dienen sott. Der Papst, Luther und Calvin haben
den Schafen den Glauben gestohlen und nach ihrem Gefallen einen Haufen
Glaubensartikel gemacht; sie haben Christum gestohlen und an dessen Statt
einen thierischen, irdischen, animalischen Christus aus ihrem eigenen Fleisch
und Blut gesetzt; sie haben ihren Schafen die Liebe und das Leben gestohlen
und den Haß an deren Stelle gesetzt. Ja auch Mörder sind diese Sectirer:
sie schlagen einander mit den Zungen todt, reizen die weltliche Obrigkeit zum
Krieg und Blutvergießen und können sich so wenig unter, einander leiden, daß
sich d>e Obrigkeit selbst dazwischen legen und sie vergleichen muß. Und doch
ist Gott mit Wort, Weise und Wesen der Menschen nicht gedient, weil er
Hott und ein Geist ist; da hilft weder Singen noch Sagen, weder Katechis¬
mus noch Confession, weder Taufe noch Abendmahl! -- In dieser Babel
der allgemeinen religiösen Verwirrung, die von Gott durch die Waffen des
Geistes gerichtet werden wird, steht namentlich auch der Lehrstand mit seinen
Dienern. Kirchenlehrern. Professoren. Predigern und Pfaffen, mit allen seinen
Academieen. Schulen und Kirchen. Diese'sind es, welche das gemeine Volk
beredet haben, die Mahlzeichen ihres Glaubens an sich zu nehmen, und es
sogar einen Eid schwören lassen, bei ihrer Wahrheit bis in den Tod verhar-
^" zu wollen; während doch die Seligkeit nicht in solchen todten Dingen und
senden Buchstaben liegt, und auch nicht durch sie in uns hineinkommt. Wer
aber diese Wählzeichen nicht an seine Hand und Stirn genommen, den leiden
^ nicht, der darf nicht kaufen oder verkaufen. Und das haben die Katho-
Aschen und Lutherischen am meisten getrieben. Und dock kommt zuletzt Nie-
'""ut als Römischkatholischer in den Himmel, sondern als Christ, mag er
"Un dem äußern Buchstaben und Leibe nach nnter den Katholischen sein oder
"^i! gerade so wie es der höchste Trost der Katholischen sein muß, daß
^bristus nicht lutherisch oder calvinisch ist, denn wie wollten sie sonst selig


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Während nun das heilige römische Reich, in welchem ja nur die Hauptsecten
Duldung empfangen, die andern dagegen des Todes gewärtig sein müssen,
mitscunmt seinen 7 Häuptern und 10 Kronen ein Ende nehmen muß mit
ewigem Spott. Hohn und Fluch, kommt das Reich Gottes heran, zu dem alle
Christen. Juden, Türken und Heiden berufen sind.

Welches sind nun aber die äußeren Lebenszeugnisse der großen von dem
Verfasser so sehr verabscheuten Seelen? — Es ist unter keinerlei Geschöpfen und
Creaturen kein solcher Greuel. Unvernunft und Verkehrtheit als unter den
Menschen. Dieses „unartige" Geschlecht ist „unvernünftiger, greulicher
und unsinniger weder Laub, Gras und Blumen, weder alle Bäume, und als
nirgend keine lebendige Seele". Wie wollen die verkehrten Unmenschen, die
nicht einmal mit ihres Gleichen zu leben und zu wandeln wissen, das. was
göttlich, geistlich und dimmlisch ist, beurtheilen, oder wohl gar, wie man an
Gott glauben und ihm dienen sott. Der Papst, Luther und Calvin haben
den Schafen den Glauben gestohlen und nach ihrem Gefallen einen Haufen
Glaubensartikel gemacht; sie haben Christum gestohlen und an dessen Statt
einen thierischen, irdischen, animalischen Christus aus ihrem eigenen Fleisch
und Blut gesetzt; sie haben ihren Schafen die Liebe und das Leben gestohlen
und den Haß an deren Stelle gesetzt. Ja auch Mörder sind diese Sectirer:
sie schlagen einander mit den Zungen todt, reizen die weltliche Obrigkeit zum
Krieg und Blutvergießen und können sich so wenig unter, einander leiden, daß
sich d>e Obrigkeit selbst dazwischen legen und sie vergleichen muß. Und doch
ist Gott mit Wort, Weise und Wesen der Menschen nicht gedient, weil er
Hott und ein Geist ist; da hilft weder Singen noch Sagen, weder Katechis¬
mus noch Confession, weder Taufe noch Abendmahl! — In dieser Babel
der allgemeinen religiösen Verwirrung, die von Gott durch die Waffen des
Geistes gerichtet werden wird, steht namentlich auch der Lehrstand mit seinen
Dienern. Kirchenlehrern. Professoren. Predigern und Pfaffen, mit allen seinen
Academieen. Schulen und Kirchen. Diese'sind es, welche das gemeine Volk
beredet haben, die Mahlzeichen ihres Glaubens an sich zu nehmen, und es
sogar einen Eid schwören lassen, bei ihrer Wahrheit bis in den Tod verhar-
^" zu wollen; während doch die Seligkeit nicht in solchen todten Dingen und
senden Buchstaben liegt, und auch nicht durch sie in uns hineinkommt. Wer
aber diese Wählzeichen nicht an seine Hand und Stirn genommen, den leiden
^ nicht, der darf nicht kaufen oder verkaufen. Und das haben die Katho-
Aschen und Lutherischen am meisten getrieben. Und dock kommt zuletzt Nie-
'""ut als Römischkatholischer in den Himmel, sondern als Christ, mag er
"Un dem äußern Buchstaben und Leibe nach nnter den Katholischen sein oder
"^i! gerade so wie es der höchste Trost der Katholischen sein muß, daß
^bristus nicht lutherisch oder calvinisch ist, denn wie wollten sie sonst selig


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[0301] Während nun das heilige römische Reich, in welchem ja nur die Hauptsecten Duldung empfangen, die andern dagegen des Todes gewärtig sein müssen, mitscunmt seinen 7 Häuptern und 10 Kronen ein Ende nehmen muß mit ewigem Spott. Hohn und Fluch, kommt das Reich Gottes heran, zu dem alle Christen. Juden, Türken und Heiden berufen sind. Welches sind nun aber die äußeren Lebenszeugnisse der großen von dem Verfasser so sehr verabscheuten Seelen? — Es ist unter keinerlei Geschöpfen und Creaturen kein solcher Greuel. Unvernunft und Verkehrtheit als unter den Menschen. Dieses „unartige" Geschlecht ist „unvernünftiger, greulicher und unsinniger weder Laub, Gras und Blumen, weder alle Bäume, und als nirgend keine lebendige Seele". Wie wollen die verkehrten Unmenschen, die nicht einmal mit ihres Gleichen zu leben und zu wandeln wissen, das. was göttlich, geistlich und dimmlisch ist, beurtheilen, oder wohl gar, wie man an Gott glauben und ihm dienen sott. Der Papst, Luther und Calvin haben den Schafen den Glauben gestohlen und nach ihrem Gefallen einen Haufen Glaubensartikel gemacht; sie haben Christum gestohlen und an dessen Statt einen thierischen, irdischen, animalischen Christus aus ihrem eigenen Fleisch und Blut gesetzt; sie haben ihren Schafen die Liebe und das Leben gestohlen und den Haß an deren Stelle gesetzt. Ja auch Mörder sind diese Sectirer: sie schlagen einander mit den Zungen todt, reizen die weltliche Obrigkeit zum Krieg und Blutvergießen und können sich so wenig unter, einander leiden, daß sich d>e Obrigkeit selbst dazwischen legen und sie vergleichen muß. Und doch ist Gott mit Wort, Weise und Wesen der Menschen nicht gedient, weil er Hott und ein Geist ist; da hilft weder Singen noch Sagen, weder Katechis¬ mus noch Confession, weder Taufe noch Abendmahl! — In dieser Babel der allgemeinen religiösen Verwirrung, die von Gott durch die Waffen des Geistes gerichtet werden wird, steht namentlich auch der Lehrstand mit seinen Dienern. Kirchenlehrern. Professoren. Predigern und Pfaffen, mit allen seinen Academieen. Schulen und Kirchen. Diese'sind es, welche das gemeine Volk beredet haben, die Mahlzeichen ihres Glaubens an sich zu nehmen, und es sogar einen Eid schwören lassen, bei ihrer Wahrheit bis in den Tod verhar- ^" zu wollen; während doch die Seligkeit nicht in solchen todten Dingen und senden Buchstaben liegt, und auch nicht durch sie in uns hineinkommt. Wer aber diese Wählzeichen nicht an seine Hand und Stirn genommen, den leiden ^ nicht, der darf nicht kaufen oder verkaufen. Und das haben die Katho- Aschen und Lutherischen am meisten getrieben. Und dock kommt zuletzt Nie- '""ut als Römischkatholischer in den Himmel, sondern als Christ, mag er "Un dem äußern Buchstaben und Leibe nach nnter den Katholischen sein oder "^i! gerade so wie es der höchste Trost der Katholischen sein muß, daß ^bristus nicht lutherisch oder calvinisch ist, denn wie wollten sie sonst selig 37 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/301>, abgerufen am 23.07.2024.