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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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wann wir thäten, was wir sollten, so that Gott, was wir wollten. Daß
gemeinlich aus einer gezwungenen oder simulirter Religion gar ein Atheis¬
mus werde." Aehnliche Sprüche sind in einem Tractate: Lustig und Lesens-
würdige Mona. Fabula und asnu8. der im Jahre 1L27 erschien, unter dem
Titel "Zeitung aus der Christenheit" überliefert. Dieses merkwürdige Schrift¬
chen wird durch eine Erzählung eingeleitet, die recht geeignet ist einen Be¬
griff davon zu geben, wie die Stellung der drei großen Kirchengemeinschaften
zu diesem inneren Christenthume von der Masse des Volks angesehen wurde.
Daniel Brinz nämlich, seiner Confession nach ein Neformirter, wurde als Ge-
sandter des Kaisers Rudolf des Zweiten bei dem Kurfürsten von Cöln von
diesem gefragt, zu welcher Religion er sich bekenne, und antwortete: ich bin
ein Christ. Darauf frägt ihn der Kurfürst nach der Confession, und der Ge¬
sandte ertheilt die Antwort folgendermaßen: Der Papst. Luther und Calvin
kamen nach ihrem Tode vor den Himmel und wurden, um Einlaß bittend,
nach mancherlei Fährlichkeiw, von Gott dem Herrn also angeredet: "Was
habt ihr drei, du Papst, du Luther und du Calvin, welchen deine Feinde
ein Sacramentsbüblein heißen, mir für einen Lärmen in der Welt angerichtet
und seid nicht geblieben in Allem, was ich euch befohlen habe? Thäte ich
euch nicht recht, daß ich euch rechtschaffen abprügelte mit dem Regimentsstabe
und euch in den Abgrund der Hölle stieße?" Darauf fielen sie alle drei auf
>hre Knie, erinnerten Gott seiner Zusage, seiner Gnaden und Barmherzigkeit
und baten um Verzeihung. Nachdem sie versprochen hatten im Himmel keinen
solchen Lärmen wieder anzufangen wie auf der Erde, kamen sie alle drei hin¬
ein und blieben auch drin. Von den Sprüchen, welche der Form nach den
°ben angeführten ganz ähnlich sind, heben wir folgende heraus: Daß Gottes
Wort an keinen Ort der Welt, an keine Religion, an keine Kirche oder
Kanzel und an keinen Herrn Hansen gebunden sei. Daß die christliche Kirche
Niemand verfolge, sondern verfolgt werde. Daß ihm Gott drei Stück vor¬
behalten: 1. Zukünftiger Ding Wissenschaft. 2. Beherrschung der Gewissen.
2- Etwas aus Nichts zu machen. Daß Gott die Laster strafe, nicht die Ne-
"Won. Daß in der sichtbaren Kirche die wahren Christen fast unsichtbar
werden. Daß gleichwie Gott mit seiner Kirchen, mit seinem Geist und Wort
Zeiten nicht an die Juden gebunden gewesen, also sei er auch jetzt nicht
°n die Christenheit gebunden. Daß die größte Thorheit sei. daß Mancher
"'°>net. er könne nicht recht glauben, er habe denn einen großen Haufen und
Anhang, der mit ihm glaube und scheint es. daß sich "" Solcher allein bei
'"nem Glauben fürchte. Daß den Reinen alle Geschöpf Gottes und Crea-
^'"n Predigen. Daß wann der Buchstabe zur Seligkeit allein hülfe, könnte
-^Maud die Bibel besser auswendig als der Teufel. Daß jederzeit die
wahren Christen unter dem Namen der Ketzer seien hingerichtet worden. Daß


wann wir thäten, was wir sollten, so that Gott, was wir wollten. Daß
gemeinlich aus einer gezwungenen oder simulirter Religion gar ein Atheis¬
mus werde." Aehnliche Sprüche sind in einem Tractate: Lustig und Lesens-
würdige Mona. Fabula und asnu8. der im Jahre 1L27 erschien, unter dem
Titel „Zeitung aus der Christenheit" überliefert. Dieses merkwürdige Schrift¬
chen wird durch eine Erzählung eingeleitet, die recht geeignet ist einen Be¬
griff davon zu geben, wie die Stellung der drei großen Kirchengemeinschaften
zu diesem inneren Christenthume von der Masse des Volks angesehen wurde.
Daniel Brinz nämlich, seiner Confession nach ein Neformirter, wurde als Ge-
sandter des Kaisers Rudolf des Zweiten bei dem Kurfürsten von Cöln von
diesem gefragt, zu welcher Religion er sich bekenne, und antwortete: ich bin
ein Christ. Darauf frägt ihn der Kurfürst nach der Confession, und der Ge¬
sandte ertheilt die Antwort folgendermaßen: Der Papst. Luther und Calvin
kamen nach ihrem Tode vor den Himmel und wurden, um Einlaß bittend,
nach mancherlei Fährlichkeiw, von Gott dem Herrn also angeredet: „Was
habt ihr drei, du Papst, du Luther und du Calvin, welchen deine Feinde
ein Sacramentsbüblein heißen, mir für einen Lärmen in der Welt angerichtet
und seid nicht geblieben in Allem, was ich euch befohlen habe? Thäte ich
euch nicht recht, daß ich euch rechtschaffen abprügelte mit dem Regimentsstabe
und euch in den Abgrund der Hölle stieße?" Darauf fielen sie alle drei auf
>hre Knie, erinnerten Gott seiner Zusage, seiner Gnaden und Barmherzigkeit
und baten um Verzeihung. Nachdem sie versprochen hatten im Himmel keinen
solchen Lärmen wieder anzufangen wie auf der Erde, kamen sie alle drei hin¬
ein und blieben auch drin. Von den Sprüchen, welche der Form nach den
°ben angeführten ganz ähnlich sind, heben wir folgende heraus: Daß Gottes
Wort an keinen Ort der Welt, an keine Religion, an keine Kirche oder
Kanzel und an keinen Herrn Hansen gebunden sei. Daß die christliche Kirche
Niemand verfolge, sondern verfolgt werde. Daß ihm Gott drei Stück vor¬
behalten: 1. Zukünftiger Ding Wissenschaft. 2. Beherrschung der Gewissen.
2- Etwas aus Nichts zu machen. Daß Gott die Laster strafe, nicht die Ne-
"Won. Daß in der sichtbaren Kirche die wahren Christen fast unsichtbar
werden. Daß gleichwie Gott mit seiner Kirchen, mit seinem Geist und Wort
Zeiten nicht an die Juden gebunden gewesen, also sei er auch jetzt nicht
°n die Christenheit gebunden. Daß die größte Thorheit sei. daß Mancher
"'°>net. er könne nicht recht glauben, er habe denn einen großen Haufen und
Anhang, der mit ihm glaube und scheint es. daß sich "» Solcher allein bei
'"nem Glauben fürchte. Daß den Reinen alle Geschöpf Gottes und Crea-
^'"n Predigen. Daß wann der Buchstabe zur Seligkeit allein hülfe, könnte
-^Maud die Bibel besser auswendig als der Teufel. Daß jederzeit die
wahren Christen unter dem Namen der Ketzer seien hingerichtet worden. Daß


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[0295] wann wir thäten, was wir sollten, so that Gott, was wir wollten. Daß gemeinlich aus einer gezwungenen oder simulirter Religion gar ein Atheis¬ mus werde." Aehnliche Sprüche sind in einem Tractate: Lustig und Lesens- würdige Mona. Fabula und asnu8. der im Jahre 1L27 erschien, unter dem Titel „Zeitung aus der Christenheit" überliefert. Dieses merkwürdige Schrift¬ chen wird durch eine Erzählung eingeleitet, die recht geeignet ist einen Be¬ griff davon zu geben, wie die Stellung der drei großen Kirchengemeinschaften zu diesem inneren Christenthume von der Masse des Volks angesehen wurde. Daniel Brinz nämlich, seiner Confession nach ein Neformirter, wurde als Ge- sandter des Kaisers Rudolf des Zweiten bei dem Kurfürsten von Cöln von diesem gefragt, zu welcher Religion er sich bekenne, und antwortete: ich bin ein Christ. Darauf frägt ihn der Kurfürst nach der Confession, und der Ge¬ sandte ertheilt die Antwort folgendermaßen: Der Papst. Luther und Calvin kamen nach ihrem Tode vor den Himmel und wurden, um Einlaß bittend, nach mancherlei Fährlichkeiw, von Gott dem Herrn also angeredet: „Was habt ihr drei, du Papst, du Luther und du Calvin, welchen deine Feinde ein Sacramentsbüblein heißen, mir für einen Lärmen in der Welt angerichtet und seid nicht geblieben in Allem, was ich euch befohlen habe? Thäte ich euch nicht recht, daß ich euch rechtschaffen abprügelte mit dem Regimentsstabe und euch in den Abgrund der Hölle stieße?" Darauf fielen sie alle drei auf >hre Knie, erinnerten Gott seiner Zusage, seiner Gnaden und Barmherzigkeit und baten um Verzeihung. Nachdem sie versprochen hatten im Himmel keinen solchen Lärmen wieder anzufangen wie auf der Erde, kamen sie alle drei hin¬ ein und blieben auch drin. Von den Sprüchen, welche der Form nach den °ben angeführten ganz ähnlich sind, heben wir folgende heraus: Daß Gottes Wort an keinen Ort der Welt, an keine Religion, an keine Kirche oder Kanzel und an keinen Herrn Hansen gebunden sei. Daß die christliche Kirche Niemand verfolge, sondern verfolgt werde. Daß ihm Gott drei Stück vor¬ behalten: 1. Zukünftiger Ding Wissenschaft. 2. Beherrschung der Gewissen. 2- Etwas aus Nichts zu machen. Daß Gott die Laster strafe, nicht die Ne- "Won. Daß in der sichtbaren Kirche die wahren Christen fast unsichtbar werden. Daß gleichwie Gott mit seiner Kirchen, mit seinem Geist und Wort Zeiten nicht an die Juden gebunden gewesen, also sei er auch jetzt nicht °n die Christenheit gebunden. Daß die größte Thorheit sei. daß Mancher "'°>net. er könne nicht recht glauben, er habe denn einen großen Haufen und Anhang, der mit ihm glaube und scheint es. daß sich "» Solcher allein bei '"nem Glauben fürchte. Daß den Reinen alle Geschöpf Gottes und Crea- ^'"n Predigen. Daß wann der Buchstabe zur Seligkeit allein hülfe, könnte -^Maud die Bibel besser auswendig als der Teufel. Daß jederzeit die wahren Christen unter dem Namen der Ketzer seien hingerichtet worden. Daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/295>, abgerufen am 22.07.2024.